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Holocaust im Unterricht
Die Erinnerung lebendig halten

Die jetzige Schülergeneration ist die letzte, die noch von Zeitzeugen über den Holocaust aufgeklärt werden kann. Umso wichtiger sei es, jungen Menschen ein historisches Bewusstsein zu vermitteln, findet Nordrhein-Westfalens Schulministerin Sylvia Löhrmann.

Von Jürgen König |
    Cassandra Feil und Isabelle Gürtler vom Erasmus von Rotterdam-Gymnasium in Viersen haben als Leistungskurs Geschichte gewählt; mit der Gruppe besuchen sie die Gedenkstätten in Auschwitz - und können sich mächtig aufregen.
    "Die Isabelle und ich, wir haben uns ja gestern Abend noch unterhalten darüber, wie krank man eigentlich sein kann, um sich so ein Programm und ein System auszudenken und Menschen zu töten. Wie krank man einfach im Kopf sein muss! Wir hatten uns auch gedacht, also Rassismus gab's ja schon immer. Dass mal andere Bevölkerungsteile ausgeschlossen wurden oder halt diskriminiert wurden, aber dass halt so diese Vernichtung und dieses Systematische: Das gab's ja noch nie und das ist dann natürlich auch barbarisch und und krank einfach nur."
    Sylvia Löhrmann von den Grünen, die Schulministerin Nordrhein-Westfalens und diesjährige Präsidentin der Kultusministerkonferenz - sie bekommt ganz leuchtende Augen, wenn sie junge Leute so reden hört: Jungen Menschen ein historisches Bewusstsein zu vermitteln werde heute, da es immer weniger Zeitzeugen gebe, nur um so wichtiger. Die Sorge sei doch nicht unbegründet, dass auch unsere pluralistische Gesellschaft sich in eine "radikale Ausgrenzungsgesellschaft" verwandeln könne. Aber: "Kultursensibel" müsse die Erinnerungsarbeit sein. Sylvia Löhrmann:
    "Weil natürlich bei Jugendlichen, deren Wurzeln nicht deutsch sind, ein anderer Zugang besteht. Andererseits hab ich im letzten Jahr erlebt, dass ein türkischstämmiger Junge, darauf angesprochen, ob das mit ihm was anders macht, der ganz spontan gesagt hat: 'Wieso, ich bin Deutscher, das ist auch mein Land und das ist auch meine Verantwortung.' Was ja ne grandiose Aussage ist, weil sie zeigt, der ist offenbar sehr gut hier zuhause in Deutschland, und macht keinen Unterschied mehr und sieht sich genauso in der Verantwortung für die Gegenwart und die Zukunft."
    2014 soll auch für die Schulen zu einem besonderen Jahr der Erinnerungskultur werden. Mit einem neuen Internetportal ihres Hauses will Sylvia Löhrmann möglichst viele Schulen zu "Bildungspartnerschaften" anregen, die entstehen sollen in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden, dem Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten, der Landeszentrale für politische Bildung, dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der Stiftung "Erinnern ermöglichen". Gerne darf das Beispiel auch über die Landesgrenzen Nordrhein-Westfalens hinweg Schule machen.
    Jungen Leuten Geschichte vermitteln
    Zumindest bei den Jugendlichen vom Leistungskurs Geschichte des Erasmus von Rotterdam-Gymnasiums in Viersen geht das Konzept Erinnerungsarbeit auf. Cassandra Feil und Henrik Peters:
    "Bisschen beunruhigend, ich weiß nicht, vielleicht. So viele Eindrücke, ich habe Angst dass ich anfange zu heulen. Das ist schon irgendwie beklemmend, wenn man dann an einem Ort ist, wo vor 80 Jahren viele hunderttausend oder auch Millionen von Menschen umgebracht worden sind - dass man dann an diesem Ort der Geschichte steht, das ist schon etwas sehr Außergewöhnliches."
    Mit angespannter Konzentration hören die 16-, 17-Jährigen Zofia Posmysz zu: Sie war 18, als sie für den polnischen Widerstand Flugblätter verteilte, verhaftet und nach Auschwitz gebracht wurde. Heute ist sie 91 und berichtet langsam, aber mit fester Stimme vom täglichen Grauen: Immer wieder ist es sehr still im Saal - zuletzt betroffene Gesichter reihum. Zofia Posmysz ist ein wenig erschöpft. Sehr oft schon hat sie jungen Leuten ihre Geschichte erzählt, es gebe ihr Kraft sagt sie:
    "Es ist sehr wichtig für mich, dass diese jungen Menschen kommen. Um etwas zu wissen, zu erfahren, wie es war. Das ist sehr wichtig für mich."
    Die Botschaft solcher Nachmittage ist für Maximilian Raths eine eindeutige:
    "Dass es unsere Aufgabe ist, einfach dafür zu sorgen, dass es nicht noch einmal passiert - dadurch, dass wir es unseren nachfolgenden Generationen vermitteln, immer weiter erzählen. Vor allem auch unter dem Aspekt, dass es keine Zeitzeugen mehr gibt, dass sie es nicht mehr so vermittelt bekommen können wie wir das heute bekommen haben. Dafür müssen wir sorgen, dass auf jeden Fall wirklich diese Schwere dieses Verbrechens gegen die Menschlichkeit vermittelt wird."