Die Häftlinge des KZ Theresienstadt wirken zufrieden. Die Kamera zeigt Näherinnen, Orchestermusiker, Metallarbeiter mit freien Oberkörpern. Die längste Passage des Films zeigt ein Fußballspiel. In einem Kasernenhof laufen kräftige Männer auf ein Holztor zu. Tausende Zuschauer stehen in der dreistöckigen Baracke. "Der Führer schenkt den Juden eine Stadt" - unter diesem inoffiziellen Titel ist der Streifen zu einem Mythos geworden. Oded Breda hat den Film in Einzelbilder zerlegt. Der israelische Computerspezialist leitet "Beit Theresienstadt", das Haus Theresienstadt, eine Gedenkstätte in Givat Haim, einem Kibbuz nördlich von Tel Aviv. Oded Breda zieht ein Blatt hervor:
"Auf dieser gelben Seite finden Sie einen Tagebucheintrag eines 13 Jahre alten Jungen. Darin beschreibt er die Umstände des gefilmten Spiels vom 1. September 1944. Die Zuschauer wurden von der SS angewiesen, wie sie sich zu verhalten hatten. Die gesunden Häftlinge in sauberer Kleidung wurden in die ersten Reihen geschoben. Auf diese Inszenierung müssen wir junge Leute immer wieder hinweisen. Denn viele von ihnen fragen sich, was diese Fußballbilder mit dem Holocaust zu tun haben. Einige denken wegen des Propagandafilms noch heute, Theresienstadt sei ein Sommercamp gewesen."
Angenehmen Tagesablauf der Häftlinge vorgaukeln
Der Propagandastreifen sollte der Außenwelt einen angenehmen Tagesablauf der Häftlinge vorgaukeln. Die meisten Spieler und Zuschauer starben wenige Wochen später in Auschwitz. Heute lebt noch einer der damaligen Fußballer: Peter Erben, 94 Jahre alt und zu Hause in Aschkelon, an der israelischen Mittelmeerküste. Er sagt, für ihn und die anderen Gefangenen sei der Fußball oft mehr gewesen als das Täuschungsmanöver, für das ihn die Nazis brauchten:
"Wir haben nicht elf Spieler gehabt, sondern nur sieben, weil der Platz klein war. Wir haben Schiedsrichter gehabt, da wurde jedes Spiel protokolliert. Jedes Spiel wurde später von den Schiedsrichtern in einem Kollegium besprochen. Und dann hat man sich über die Fouls ausgetauscht. Und der Fußball war die Unterhaltung während der ganzen Woche. Und die Kinder in den Schulen haben Zeitungen herausgegeben, wo sie ganz einfach Artikel geschrieben haben: Wer war gut? Das war schlecht, das war gut. Sie sind mir auch nachgelaufen, weil sie mich vom Fußball gekannt haben. Und sie haben mir alle Zigaretten angeboten. Ich habe gesagt: Was wollt Ihr von mir? Ich rauche nicht, ihr wisst doch, ich bin ein Sportler. Nein, nein, das ist nicht zum Rauchen da, eine Zigarette ist Geld. Wir waren so bekannt, unglaublich."
Für die Gefangenen in Theresienstadt waren Zigaretten eine Währung, damit konnten sie Essen eintauschen. Das Kulturleben dort ist gut dokumentiert, die Konzerte, Vorträge, Kinderzeichnungen. Doch der Fußball wurde kaum beleuchtet. Oded Breda und Peter Erben haben Notizen, Zeichnungen und Erinnerungsberichte gesammelt: Auf dem Kasernenhof fanden zwischen 1942 und 1944 dutzende Spiele statt. Die Ghetto-Mannschaften wurden nach den Berufen der Häftlinge gebildet: Köche traten gegen Elektriker an, Gärtner gegen Schneider. Oded Breda glaubt, dass Fußball ein wenig Solidarität zwischen den Häftlingen stiften konnte. 2009 eröffnete er mit Freunden in Israel die Ausstellung "Liga Terezín".
Auf den Fotos zu sehen ist auch der Spieler Pavel Breda, der Monate nach dem Propagandaspiel in Auschwitz verhungerte. Sein Neffe Oded Breda möchte seine Geschichte lebendig halten: "Sie haben viele Namen in den Zeitungen notiert, von Peter Erben, von meinem Onkel, aber auch von sehr bekannten Spielern. Paul Mahrer zum Beispiel hat 1924 für die Tschechoslowakei an den Olympischen Spielen teilgenommen. Später hat er in den USA gespielt, doch während der großen Wirtschaftskrise kam er zurück nach Europa. Als er ins Ghetto deportiert wurde, war er über vierzig. Er war überall bekannt, und sofort fragten die Mannschaften aus der Liga bei ihm an. Paul Mahrer hat für das Team der Metzger gespielt. Sie haben ihm dafür gutes Essen versprochen."
Neue Wege der Geschichtsvermittlung
Laut Schätzungen soll es noch 350.000 Überlebende des Holocaust geben. Museen und Gedenkstätten suchen nach neuen Wegen der Geschichtsvermittlung. Jeweils im Herbst findet im Kibbuz Givat Haim ein Gedenkturnier statt. Jüdische und muslimische Jugendliche spielen in nachproduzierten Trikots der Lagermannschaften. Oded Breda hat auch eine mobile Ausstellung entworfen, die er in Schulen, Jugendzentren und Stadien zeigt. Er spricht über Rassismus und beschreibt Spieler von damals als Vorbilder für die Gegenwart:
"Jeden Tag ist das Bildungszentrum aktiv. Wir arbeiten meistens mit Kindern und Jugendlichen zusammen, im Alter zwischen zwölf und sechzehn. Der Fußball schafft einen anderen Rahmen als Yad Vashem in Jerusalem. Wenn Jugendliche dort in die nationale Gedenkstätte gehen, sehen sie schockierende Bilder eines Völkermordes; Bilder, die sie nicht vergessen. Vielleicht ist die Liga Terezín eine gute Vorbereitung. Hier geht es um das Leben im Ghetto, weniger um den Tod."
Oded Breda hat mit den Journalisten Mike Schwartz und Avi Kanner einen fünfzig Minuten langen Film produziert. Darin schildern sie die Geschichte der "Liga Terezín" und erläutern den Antisemitismus im Fußball von heute. Breda wird den Film nun in sieben deutschen Städten vorstellen, siebzig Jahre nach der Befreiung von Auschwitz. In Israel haben rund 200.000 Menschen seine Dokumentation im Fernsehen gesehen - das Spitzenspiel der ersten israelischen Liga hatte weniger Zuschauer.