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Holzmafia das Handwerk legen

Das Amazonasgebiet stellt ein Drittel aller Urwaldflächen weltweit. Dennoch: Eine Fläche doppelt so groß wie Frankreich ist bereits den Motorsägen zum Opfer gefallen. Nun verspricht die brasilianische Regierung, dass bis 2018 die Entwaldung um 80 Prozent sinken wird.

Von Gudrun Fischer | 28.11.2009
    Wir sind mitten im Urwald von Brasilien im Amazonas-Bundesstaat Amapá. Manoel Atair de Souza, ein sehniger, hagerer Mann, wohnt mit seiner Familie in einer Pfahlhütte am Rio Curiaú, einem Nebenarm des Amazonas. Seine Kinder spielen vor der Hütte. Das Grundstück liegt in einem Gebiet, das heute unter Naturschutz steht. Manoel Atair de Souza gibt zu, dass er früher Urwaldbäume gefällt hat.

    "Das Holz haben wir dann ans das Sägewerk verkauft. Aber Abholzung ist jetzt verboten, das ist vorbei. Mein Häuschen ist aus Acapú-Holz. Doch sogar wir Waldbewohner müssen das zugeschnittene Holz für unsere Hütten jetzt im Geschäft in der Stadt kaufen."

    Seitdem Manoel Atair de Souza keine Bäume mehr fällen darf, lebt er vom Fischen und vom Sammeln wertvoller Nüsse im Wald. Doch während sich der Familienvater den neuen Gesetzen gebeugt hat, betreiben viele illegalen Holzfirmen weiter ihr Geschäft. Roberto Medeiros von der Umweltbehörde kontrolliert regelmäßig Waldgebiete in dieser nördlichen Gegend von Brasilien im Bundesstaat Amapá:

    "Wenn wir von illegaler Abholzung hören, fahren wir direkt zu der Stelle, um den Schaden zu begutachten. Und da werden wir manchmal bedroht. Selbst hier in diesem Naturschutzgebiet drohte mir kürzlich ein Mann. Er sagte, er werde mich mit der Machete erschlagen."

    Dass für wertvolles Holz gemordet wird, ist im Amazonasgebiet keine Seltenheit. Seit Jahrzehnten sind illegale Holzfirmen hier aktiv, nach getaner Arbeit brennen sie den restlichen Wald einfach nieder. Das brasilianische Forschungsinstitut INPA überwacht das riesige Amazonasgebiet inzwischen sogar per Satellit. Einer der Mitarbeiter ist Arnaldo Carneiro aus Manaus. Im Garten seines Forschungsinstituts sitzt er vor seinem Laptop und beschreibt die Motive der Holzmafia.

    "Einmal geht es um den illegalen Holzhandel, aber auch um die sklavenartige, brutale Ausnutzung der Bevölkerung als fast kostenlose Lohnarbeiter auf Plantagen. Und es geht natürlich auch um illegale Landnahme – Land, das wohlgemerkt dem Staat gehört. Durch die massive Abholzung ist in den letzten 30 Jahren ein regelrechter Abholzungsgürtel entstanden."

    Dieser Abholzungsgürtel im Süden des Amazonasgebiets frisst sich immer weiter in den Wald hinein. Der Urwald ist zu groß und zu unzugänglich, um ihn gut zu überwachen, sagt Arnaldo Carneiro. Der Agraringenieur deutet auf die Satellitenfotos auf seinem Laptop. Zwischen den geschlossenen grünen Flächen verlaufen illegale Straßen als helle, feine Verästelungen.

    "Die Straßen werden von den Holzfirmen hineingeschlagen, für die illegale Abholzung. Die Regierung kann das nicht kontrollieren. Nur einige Naturschutzorganisationen beobachten diese Machenschaften. Greenpeace zum Beispiel fliegt regelmäßig über die Gebiete und macht Aufzeichnungen. Die zunehmende Abholzung hat mit dem verstärkten Sojaanbau zu tun. Dadurch sind wiederum viele Viehweiden verloren gegangen, jetzt brauchen die Bauern frische Weiden und holzen den Wald ab."

    Das neue Rezept der brasilianischen Regierung gegen die Waldvernichtung ist die Einbeziehung der lokalen Bevölkerung. Sie wird die Holzmafia kontrollieren, ist die These. Zum Beispiel muss eine Umweltpolizei ausgebildet werden und die Satellitenüberwachung soll detaillierter werden. Außerdem soll die arme Bevölkerung in neu ausgewiesenen Sammelgebieten ein besseres Einkommen finden, unabhängig von der Holzmafia. Zu diesem Zweck hat die brasilianische Regierung den Amazonasfonds gegründet. Verwaltet wird der Milliarden schwere Fonds von der brasilianischen Entwicklungsbank BNDES in Rio de Janeiro im Süden Brasiliens. Claudia Costa ist Sprecherin der Bank:

    "Alle internationalen Verhandlungen drehen sich um den Ausstoß von Kohlendioxid aus der industriellen Produktion. Wir vom Amazonasfonds aber wollen den CO²-Ausstoß reduzieren, indem wir unseren Urwald schützen, also stehen lassen."

    Die Entwicklungsbank BNDES überprüft seit Monaten alle potenziellen Geldempfänger, also Organisationen und Projekte, anhand einer umfangreichen Checkliste. Sie geht dabei ganz besonders genau vor, denn niemand muss am Ende das Geld zurück zahlen. Noch hat keins der 40 geplanten Projekte im Amazonas seine Arbeit begonnen, obwohl schon einige Millionen Dollar aus Norwegen für den Fonds eingetroffen sind. Startschuss ist nach den Verhandlungen in Kopenhagen. Viele Staaten hätten Interesse in den Fonds einzuzahlen, sagt Claudia Costa. Damit stehen sie in der Öffentlichkeit gut da. Wenn sie in wenigen Tagen zum Klimagipfel nach Kopenhagen reist, wird Claudia Costa offensiv für den Amazonasfonds werben:

    "Wir glauben, dass der Amazonasfonds ein Vorbild für andere Staaten werden könnte, und deshalb arbeiten wir mit großem Nachdruck und Ernst daran, dass dieses Projekt ein Erfolg wird. Wir wissen, dass die Deutschen sich um Nachhaltigkeit sorgen und hoffen, dass auch hier die Zusammenarbeit mit der Zeit immer enger wird."

    Der Amazonasfonds könnte Vorläufer für einen Internationalen Waldfonds für alle Urwaldländer der Erde sein, hofft Claudia Costa. Mit dem Ziel, dass eines Tages kein Urwaldbaum mehr fällt. Leider ist von dem von Deutschland zugesagten Geld bisher in Brasilien nichts eingetroffen.