"Komm, Konrad alléz", schallt es durch den Wald. Eigentlich soll es mit der Arbeit losgehen. Aber Kay Stolzenbergs zwei Angestellte streiken.
"Die sind immer ganz anders, wenn jemand da neben steht. Komm, Conrad, alléz."
Sechs Mitarbeiter hat Kay Stolzenberg insgesamt, alles Kaltblutpferde.
"Mein Sohn sagt Pferdebauer", lacht Stolzenberg, "ich bin eigentlich Holzrücker. Die Waldarbeit ist der Schwerpunkt. Der erste Start ist immer mühsam."
Schließlich setzen sich Mairun und Konrad doch in Bewegung, ziehen den schweren Pflug mit über den Waldboden: zwei Kaltblüter mit gewaltiger Kraft. Kleine Bäume knicken ein, Gestrüpp wird hinweggerissen.
"Das sind hier die Streifen, die sind dann so, dass die Bucheckern dann drauf fallen. Dann haben sie die bessere Möglichkeit, hier zu wachsen", erklärt der Holzrücker.
Nur mit der Stimme lenkt Stolzenberg Mairun und Konrad in einer engen Kurve an einigen jungen Bäumen vorbei. Zentimetergenau, trotz der gewaltigen Masse der beiden Tiere.
"Da sind zwei Ahorne, die dürfen stehen bleiben. Das ist ja die nächste Generation. Komm, hot, hot."
Ein eingespieltes Team
Die drei sind ein eingespieltes Team. Stolzenberg kennt Mairun seit ihrer Geburt. Er hat die Schimmelstute, eine Mischung aus Schleswiger Kaltblut und einer alten französischen Kaltblutrasse – Boulonnais genannt –, selbst ausgebildet.
Pferde als Forstarbeiter, das sei kein Öko-Spleen oder Folklore, sondern einfach nur praktisch, sagt Stolzenberg. Gerade wenn aufgrund von Ökostandards, wie dem Gütesiegel des "Forest Stewardship Council", kurz FSC, nur alle 40 Meter ein Arbeitsweg zum Holzabtransport in den Wald geschlagen werden darf. Denn:
"Das Pferd braucht keine Wege, keine Gassen, ist total flexibel. Beim Holzrücken ist das ein großer Vorteil. Es sind aber auch verschiedene Wirtschaftsweisen. Ich bin jetzt kein Gegner von irgendwelchen Maschinen, aber obendrein zerstören sie auch in dem Moment, wo sie da darüber fahren, den Waldboden nachhaltig."
Stolzenbergs Auftragsbücher sind jedenfalls voll. Und das wird wohl auch weiter so bleiben, denn der Holzpreis steigt.
Privatwaldbesitzer und Staatsforste überall in Deutschland beauftragen ihn. Denn Holzrücker gibt es in Deutschland kaum noch. Etwa 50, schätzt Stolzenberg. Dieser Wald, hier im Timmendorf an der Ostsee, gehört den Staatsforsten Schleswig-Holstein.
"Ich kriege immer mehr Arbeit, weil es immer weniger machen", berichtet Stolzenberg:
"Es ist ja was anderes, wenn ich mir einen Traktor kaufe und nach getaner Arbeit in den Schuppen stelle. Klar, der muss auch gewartet werden, aber das Pferd muss schon aufwendiger versorgt werden, gepflegt werden, trainiert werden."
"Jetzt hängt da was vor", beschwert sich der Holzrücker. Unter dem Pflug hat sich eine dicke Astgabel verfangen. Für Konrad und Mairun wird das Ziehen immer anstrengender. Stolzenberg lenkt die Pferde auf einen Baumstumpf zu. Eine Rumpelfahrt über den Stumpf könnte Ast und Erde entfernen.
"Das wollen sie jetzt nicht", räumt der Holzrücker ein.
Sensible Mitarbeiterführung
Die beiden Pferde zögern; vor allem Konrad, das Schleswiger Kaltblut, das auf der Roten Liste der gefährdeten Nutztierrassen steht. Dem Fuchswallach mit hellbrauner Mähne und hellbraunem Schweif ist Stolzenbergs Anweisung nicht geheuer:
"Konrad ist einer, der meine laute Art und Weise nicht gut ertragen kann. Der kneift die Arschbacken zusammen und denkt: Oh Gott, jetzt geht die Welt unter. Und da muss ich mich, wenn ich was von ihm will, ganz anders verhalten. Und das ist das Schöne. Man lernt sehr viel über sich. Und das ist ja nicht verkehrt."
Schließlich stapft Schimmelstute Mairun doch über den Baumstumpf. Konrad folgt.
"Er ist ein bisschen ängstlich und ein bisschen sensibel. Und Mairun, die alles andere als ängstlich ist, die ist die richtige Partnerin, um ihn auch ein bisschen entspannen lassen zu können", beschreibt der Holzrücker sein Gespann.
Der Ast hat sich gelöst.
Mittags holt sich Stolzenberg einen Klappstuhl aus seinem alten Transporter, den er am Rande eines Waldwegs geparkt hat. Am großen Pferdehänger einige Meter weiter stehen die beiden Pferde: ein Hingucker für Waldspaziergänger.
Seit etwa 20 Jahren ist der 42-Jährige als selbstständiger Holzrücker unterwegs.
"Ich habe ja Tischler gelernt, in Hamburg. Dann habe ich noch als Geselle gearbeitet. Und dann war es sehr langweilig", berichtet er.
Nach einigen Reisen heuerte er bei einem Ökohof in der Nähe von Hamburg an, der seinen Wald auch mit Pferden bewirtschaftete. "Das war der Zufall meines Lebens", bilanziert er.
"Ich habe mir das ausgesucht, weil ich denke, ich mache eine gute Sache"
Mittlerweile kann er von seinen Pferden gut leben: Etwa 10.000 Festmeter Holz zieht er pro Jahr aus dem Wald. Für sechs bis zehn Euro brutto pro Festmeter. Bezahlt wird per Festmeter, Waldfläche oder per Festpreis. Wenn kein Holz geschlagen wird, arbeiten seine Pferde auf Ökohöfen oder in Gärtnereien.
"Ich habe mir das ausgesucht, weil ich denke, ich mache eine gute Sache. Und wenn ich aus dem Wald gehe, ist es nicht schlechter geworden."
Stolzenberg ruft seinen Hund, stellt den Klappstuhl zurück in den Wagen. Die Mittagspause für seine beiden Pferde ist vorbei. Ein leichter Nieselregen hat eingesetzt.
"Ich könnte jetzt nicht einen Job machen, womit irgendwie ein Unheil entstehen könnte."