Flexibles Arbeiten, mehr Zeit am Morgen und kein Pendeln: Spätestens seit der Coronapandemie ist das Arbeiten von zu Hause für viele Menschen zur Normalität geworden. Doch seit einiger Zeit wird die Rückkehr ins Büro, auch "Return to Office" genannt, diskutiert. Die Bewegung begann in den USA bereits Mitte 2022. Auch deutsche Großkonzerne wie SAP, die Deutsche Telekom, Volkswagen und die Deutsche Bank fordern mehr Präsenztage.
Wie verbreitet ist Homeoffice in Deutschland?
Vor Ausbruch der Pandemie war Homeoffice für die meisten Menschen ein Fremdwort. Nur zwölf Prozent der Beschäftigten arbeiteten vor 2020 von zu Hause aus, davon nur fünf Prozent regelmäßig. Das hat sich mittlerweile geändert. 2023 haben fast ein Viertel aller Erwerbstätigen im Homeoffice gearbeitet, davon 13,2 Prozent täglich oder mindestens die Hälfte der Arbeitszeit.
Homeoffice kommt nicht für alle Berufe und Branchen infrage. Vor allem Menschen, die viel am Schreibtisch arbeiten, sind oft im Homeoffice. Andere Berufe wie Handwerker, Altenpflegerinnen, Verkäufer oder Gastronomen haben dazu nicht die Möglichkeit.
Viele Menschen, die im Homeoffice arbeiten können, wollen es nicht mehr missen. Das erkennen auch Unternehmen. Eine Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung zeigt, dass 2019 in nur 3,7 Prozent aller Online-Stellenangebote die Möglichkeit zum Homeoffice angeboten wurde. Dieser Anteil hat sich bis 2023 fast verfünffacht. Besonders häufig wird Homeoffice in der IT-Branche und für Fremdsprachenlehrer angeboten.
Woher kommt der Wunsch nach Präsenzpflicht?
Viele Führungskräfte, Vorstände und Geschäftsführungen sehen das mobile Arbeiten kritisch, sie wünschen sich wieder mehr Präsenz, zeigt eine Studie der Universität Konstanz. Ein entscheidender Grund: In der deutschen Arbeitskultur sei die Gleichsetzung von Präsenz mit Produktivität stark verankert, erklärt Florian Kunze, Professor für Organizational Behavior. Er hat an der Studie mitgearbeitet. „Wer Karriere machen wollte, der musste eigentlich ganz viel Präsenz zeigen, auch über die Präsenzpflicht hinaus und viele Überstunden machen“, sagt Kunze.
Der Wunsch nach einer Präsenzpflicht sei oft auch ein Ausdruck eines gefühlten Kontrollverlusts auf Führungsebene, vor allem, wenn man als Führungskraft keine Vertrauenskultur zu seinen Mitarbeitenden habe, sagt Kunze. Dadurch entstehe das Bedürfnis, stärker kontrollieren zu wollen, dass die Mitarbeitenden auch wirklich zu Hause ihren Aufgaben nachgehen. Kurzum: Viele Führungskräfte wollen mit einer Präsenzpflicht ihre Kontrolle zurückgewinnen.
Der „Return to Office“-Trend ist in Deutschland recht klein. Nur ein Fünftel der Unternehmen haben hierzulande bislang überhaupt eine Präsenzpflicht eingeführt. Vier Fünftel der Unternehmen sind hingegen mit der Homeoffice-Möglichkeit einverstanden.
Studie zeigt: Die Mehrheit will Homeoffice beibehalten
Auf der Mitarbeiterseite sieht es hingegen ganz anders aus. Nur neun Prozent der Befragten wollen ausschließlich im Büro arbeiten (Stand 2024). Rund 73 Prozent wünschen sich eine Hybridform – also teils Homeoffice, teils Büro. Rund ein Fünftel möchte komplett von zu Hause aus arbeiten. „Wenn wir uns die Befragungen anschauen, sehen wir, dass die Euphorie und der Wunsch, Homeoffice fortzusetzen, ungebrochen sind“, sagt Kunze.
Eine Studie der Technischen Universität Darmstadt aus dem Jahr 2023 zeigt die Hauptgründe für die Homeoffice-Liebe. Für die Umfrage wurden mehr als 1100 Beschäftigte im Bereich der „Wissensarbeit“ befragt, zu denen hoch qualifizierte Fachkräfte wie Ingenieure, Forschende, Ärzte und Juristen zählen.
72 Prozent der Befragten betonen demnach die bessere Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf. 46 Prozent wollen sich laut Umfrage einen anstrengenden Arbeitsweg ersparen. Auch Klimaschutzaspekte spielten für 41 Prozent der Befragten eine Rolle, da mit mehr Homeoffice weniger Büroflächen in Anspruch genommen und CO2-Emissionen durch die wegfallenden Fahrtwege eingespart werden.
Wie reagieren Mitarbeitende auf die Präsenzpflicht?
Der Widerstand ist groß in den Belegschaften der Großkonzerne, in denen Präsenzpflicht gefordert wird. Kein Wunder: Viele Mitarbeitende haben sich mittlerweile gut zu Hause eingerichtet und wollen die Investition in Büroausstattung nicht umsonst getätigt haben.
Auch das Privatleben der Beschäftigten hat sich an das Homeoffice angepasst. Länger ausschlafen, weniger Stress am Morgen, keine langen Pendelzeiten, mehr Konzentration ohne das Großraumbüro – es gibt zahlreiche Vorteile. Viele empfinden die Präsenzpflicht daher als klaren Rückschritt.
Die Studie der TU Darmstadt aus dem vergangenen Jahr zeigt auch, dass 24 Prozent der Beschäftigten die fehlende Möglichkeit, orts- und zeitflexibel zu arbeiten, als potenziellen Kündigungsgrund betrachten.
Viele Personaler berichten, dass Bewerber als erstes oder spätestens als zweites fragen, wie oft sie ins Büro kommen müssen. Eine Studie der Universität Stanford in den USA kam zu dem Schluss, dass Angestellte in den USA die Möglichkeit, von zu Hause zu arbeiten, als so wertvoll wie eine Lohnerhöhung um acht Prozent empfinden.
Homeoffice oder Büro – wo ist man produktiver?
Der ewige Verdacht lautet, dass Menschen im Homeoffice weniger arbeiten als im Büro. Nach neuesten Erhebungen ist an dieser Behauptung nicht viel dran. Wer sich wegducken will, der schafft das teilweise auch in Präsenz, also direkt unter den Augen der Chefin oder des Chefs.
Man sehe keinerlei Produktivitätsverluste beim mobilen Arbeiten, betont auch Florian Kunze von der Universität Konstanz. Tatsächlich könnten Unternehmen mit einer Präsenzpflicht sogar ein Eigentor schießen, sagt er.
„Mitarbeitende mit Präsenzpflicht beklagen fast doppelt so häufig Belastungs- und Erschöpfungssymptome. Gleichzeitig stellen sie bei sich selbst kaum einen leistungssteigernden Einfluss der Präsenzarbeit fest", erläutert Kunze. "Das sollten Unternehmen bei der Entscheidung, ob eine Rückkehr zur Präsenzpflicht umgesetzt wird, unbedingt mit in den Blick nehmen.“
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Studie der Universität Pittsburgh. US-Unternehmen mit einer verpflichtenden Rückkehr ins Büro würden keine messbare Produktivitätssteigerung haben. Stattdessen stieg sogar die Frustration der Mitarbeiter.
In einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO berichteten knapp 90 Prozent der Befragten, dass sie beim mobilen Arbeiten störungsfreier und konzentrierter arbeiten. Rund zwei Drittel gaben an, weniger unproduktive Zeiten zu haben. Knapp drei Viertel der Befragten berichteten von weniger Stress durch mobiles Arbeiten.
Nachteile von Homeoffice
Doch nicht jeder kann konzentriert zu Hause arbeiten oder hat Platz für einen gut eingerichteten Arbeitsplatz. Die Studie des Fraunhofer-Instituts IAO zeigt zum Beispiel, dass es das Risiko der Entgrenzung gibt. Mehr als ein Viertel der Befragten gab demnach an, die Trennung von Beruflichem und Privatem als Herausforderung zu sehen.
Außerdem berichtete mehr als die Hälfte der Befragten, weniger sozialen Austausch zu haben, und knapp ein Viertel stellte weniger kreatives Zusammenarbeiten fest. Das könne wiederum längerfristig negative Folgen für Produktivität, Zusammenarbeit, betriebliche Bindung und Innovationskraft haben, heißt vom Fraunhofer-Institut IAO.
Wer zu Hause arbeite, bringe zudem mehr Zeit für Sorgearbeit auf, heißt es in einer Analyse des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung, die während der Coronapandemie erstellt worden war. Dieser Effekt trete bei Frauen stärker auf als bei Männern.
Frauen würden demnach die Freiräume im Homeoffice stärker dafür nutzen, um sich für Haushalt und Familie einzubringen. Männer würden hingegen dazu neigen, mehr Überstunden zu leisten.
Lösung: Ein bisschen Büro, ein bisschen Homeoffice
Die meisten Studien zum Thema Homeoffice ziehen ein ähnliches Fazit: Der Schlüssel liegt in der Hybridform, also teilweise zu Hause, teilweise im Büro arbeiten – und das freiwillig. Das spart Zeit, Geld und CO2-Emissionen. Es kann bedeuten, weniger Stress zu haben, sich die Arbeitszeit freier einteilen sowie Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren zu können.
„Anstatt alle zur Arbeit im Büro zu zwingen, sollten leistungsstarke Mitarbeiter, die zu Hause gute Leistungen erbringen, die Möglichkeit haben, zu Hause zu arbeiten“, heißt es etwa in der Studie der Universität Pittsburgh zum Thema Präsenzpflicht. Monatliche persönliche Teambuilding-Aktivitäten könnten dazu beitragen, die Unternehmenskultur aufrechtzuerhalten.
Auch Florian Kunze von der Universität Konstanz betont, dass die Möglichkeit, flexibel mobil arbeiten zu können, ein hoher Motivationstreiber für viele Mitarbeitende ist: „Das jetzt quasi pauschal wieder zurückzuschrauben, ist aus meiner Sicht der komplett falsche Weg. Das wird kurzfristig dazu führen, dass die Motivation sinkt und Unzufriedenheit entsteht“, sagt Kunze. Am Ende könnten die Unternehmen gute Leute verlieren.
Wenn Arbeitgeber wollen, dass ihre Mitarbeiter öfter ins Büro kommen, sollte das attraktiv gemacht werden, sagt Stefan Rief vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation. Der Mensch sollte in den Fokus rücken und sich am Arbeitsplatz wohlfühlen. Es sollte zum Beispiel variable Räume geben, die konzentrierte Stillarbeit, aber auch Teambesprechungen ermöglichen.
Wann kommt das Recht auf Homeoffice?
Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung ist festgelegt, dass Beschäftigte künftig ein Recht auf Homeoffice erhalten sollen. Das ist aber abhängig vom Beruf.
Es soll ein Rechtsanspruch von 24 Tagen Homeoffice im Jahr geplant sein. Noch ist dieses Ziel nicht umgesetzt worden. Arbeitsminister Heil präsentierte bislang lediglich erste unverbindliche Empfehlungen zum Arbeitsschutz bei hybrider Bildschirmarbeit.
Vor allem die Grünen fordern die weitere Absicherung des Rechts auf Homeoffice. Gerade für Frauen sei das Homeoffice wichtig, "um Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen", betonte Beate Müller-Gemmeke, Arbeitsmarktpolitikerin der Grünen.
Das Recht auf Homeoffice lässt weiter auf sich warten. Was aber bereits heute möglich ist: Arbeitnehmer und Arbeitgeber können eine Betriebsvereinbarung zum Homeoffice treffen.
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