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Homeschooling in der Coronakrise
El-Mafaalani: "Kinder können sehr gefährdet sein, und wir sehen es nicht"

Für Kinder aus benachteiligten Milieus sei Schule der Ort gewesen, an dem sie gelernt hätten, sagte der Soziologe Aladin El-Mafaalani im Dlf. Das sei für viele derzeit nicht möglich und führe zu einer stärkeren Benachteiligung. Auch Kindeswohlgefährdungen würden kaum gemeldet, da das meist Lehrkräfte getan hätten.

Aladin El-Maafalani im Gespräch mit Anja Reinhardt |
Der Soziologe Aladin El-Mafaalani auf der Frankfurter Buchmesse 2018
Der Soziologe Aladin El-Mafaalani ist auch Berater des Schulministeriums NRW (imago / Manfred Segerer)
Seit Wochen sitzen Schüler in vielen Ländern Europas zu Hause und sollen dort den regulären Schulstoff lernen. Die Abschlussklassen in Deutschland gehen wieder zur Schule, die letzten Klassen der Grundschule folgen. Aber viele Kinder müssen noch warten und damit auch die Eltern. Doch welche Folgen kann das wochenlange sogenannte Homeschooling haben?
Der Soziologe, Autor und Berater des Schulministeriums in Nordrhein-Westfalen Aladin El-Maafalani sagte, die Schulen seien auf diesen Umstand nicht gut vorbereitet gewesen. "Das Schulsystem ist auf Kante genäht", sagte er im Dlf. Schon im Normalzustand sei die Ausstattung knapp. Zudem sei das gesamte Bildungswesen nicht so digitalisiert, wie die Situation es jetzt erfordert hätte.
Ein Mädchen allein im Treppenhaus 
Save the Children - "Für manche Kinder ist Schule der einzige sichere Ort"
Für viele Jugendliche und Kinder sei ihr Zuhause auch vor der Coronakrise kein sicherer Ort gewesen, sagte Susanna Krüger, Geschäftsführerin der Organisation "Save the Children", im Dlf.
Ausstattung der Schule spielt eine Rolle
Ungerechtigkeit und Ungleichheit im Bildungswesen würden durch die Coronakrise deutlich verstärkt. "Wenn keine Schule stattfindet, wird es so schlimmer. Und je länger das dauert, desto deutlicher verstärkt sich die Ungleichheit", sagte er. Das könne man schon nach einigen Wochen messen, aber bei einigen Monaten werde das sehr problematisch. Faktoren wie die Größe der Wohnung oder die Ausstattung des Elternhauses spielten dabei eine Rolle. Aber auch: Können die Eltern den Kindern helfen, und wie ist die Stimmung zu Hause. "Wenn Eltern Zukunftsängste haben, und die Kinder das permanent erleben, ist das ganz sicher nicht förderlich", sagte er.
Dabei spiele aber auch die Ausstattung der Schule eine Rolle und wie sie Lernprozesse bei physischer Distanz strukturieren und anregen kann. Beim Thema mangelnde Digitalisierung der Haushalte, Universitäten oder Schulen gehe es nicht nur um die Endgeräte oder die Tools, die fehlten, sondern auch darum, dass die Internetverbindung oft nicht ausreiche.
Mädchen mit Mundschutz und Schulrucksack
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"Wenn wir über Grundschulkinder sprechen, also in einem Alter, in dem man die Kulturtechniken, Lesen, Schreiben, Rechnen, erstmal erlernt, dann ist das überhaupt nicht mehr trivial. Dann geht es nicht mehr darum, die Geräte zu haben oder die Internetverbindung, sondern da muss man auch wirklich sinnvolle Lerntools haben." Lehrkräfte müssten damit Erfahrung haben, denn es gebe unterschiedliche Lerntypen.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Kindeswohlgefährdung wird kaum mehr gemeldet
Auch der soziale Faktor der Begegnung dürfe nicht unterschätzt werden, so der Soziologe. "Kinder sind jetzt ziemlich viel mit ihren Eltern zu Hause und haben kaum mehr Kontakt zu anderen Kindern." Das gelte für alle Kinder, aber für Kinder aus "benachteiligten Milieus umso stärker". "Da war ja Schule bisher der zentrale Ort, an dem gelernt wird, an dem Erfahrungen gesammelt werden, die man eben zu Hause nicht sammeln kann", so El-Mafaalani. Dementsprechend spiele jetzt das Elternhaus eine enorm große Rolle, und "das führt zu einer Verstärkung von Benachteiligung".
Auch das Thema Gesundheit von Kindern und Kindswohlgefährdung sei in diesem Zusammenhang wichtig. "Kindeswohlgefährdungen werden im Augenblick nicht gemeldet. Bisher haben das immer die Kita-Erzieherinnen, Lehrkräfte oder Kinderärzte erkannt, wenn irgendetwas nicht stimmte." Das sei derzeit nicht mehr festzustellen. Es gehe dabei um 50.000 Fälle im Jahr. "Das muss in dem Diskurs unbedingt berücksichtigt werden", sagte er. "Kinder können im Augenblick sehr gefährdet sein, und wir sehen es nicht."