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Hommage an Dagmar Manzel

"Die sieben Todsünden" ist das letzte gemeinsame Werk von Kurt Weill und Bert Brecht von 1933, es entstand im Exil in Paris. Die Besonderheit in Berlin: Die Figuren Anna I, eine Sängerin, und Anna II, eine Tänzerin, werden mit nur einer Figur besetzt: mit Dagmar Manzel, der Schauspielerin mit der tiefen Stimme.

Von Georg Friedrich Kühn |
    Muss man für Kurt-Weill-Songs eine Lanze brechen? Der Regisseur und künftige Intendant der Komischen Oper, Barrie Kosky, glaubt das. Im Programmheft-Interview zu seiner neuen Produktion führt er auch einen Hauptschuldigen vor, Theodor W. Adorno und seine Phobie gegen Jazz.

    Wie viel Kosky von Adorno gelesen hat, wer weiß. Viel kann es nicht sein. Richtig sind gewiss andere Hinweise auf gewisse Vorbehalte gegen Weill: Der Bruch mit der Vergangenheit in der Nachkriegs-Avantgarde, Weills Exil und früher Tod und seine von anderer Ästhetik geprägten amerikanischen Musicals.

    Kosky wählt nun aber keines dieser in Amerika entstandenen unbekannteren Werke. Er wählt die bald nach der Flucht aus Deutschland noch in Europa - 1933 in Paris - und mit Weills langjährigem Textdichter Bert Brecht entstandenen "Sieben Todsünden", ein Abstrakt dessen, wie man sich Amerika in Europa vorstellte.

    Zugleich soll der Abend eine Hommage sein an Dagmar Manzel. In vielen Produktionen der Komischen Oper hat sie mittlerweile als Star reüssiert. Aber was sie als Mrs. Lovett in Stephen Sondheims Grusical "Sweeny Todd", als Kate in Cole Porters "Kiss me Kate" oder als Rössl-Wirtin in Ralph Benatzkys "Weißem Rössl" zeigte, hat mit der doppelten Anna aus den "Sieben Todsünden" wenig gemein.

    Gleichwohl repliziert Manzel nur, was sie dort schon zeigte. Sie zickt oder spielt das naive Mädchen, tanzt im Kreis, grimassiert, schlägt Haken oder mimt Pferdchen. Kosky verordnet ihr zudem, beide Annas zugleich zu geben, die singende und die tanzende. Denn die beiden Annas sind zwei Seiten der gleichen Person. In Koskys Inszenierung geht das allerdings nicht auf.

    Manzel muss Duett spielen mit einem Verfolgungs-Scheinwerfer als zweiter Anna. Und das wirkt meist albern oder unfreiwillig komisch. Von der schizoiden Struktur einer vom Gelddenken geprägten Gesellschaft, die Moral predigt aber von der Unmoral profitiert - wie Brecht und Weill sie geißeln wollten -, kommt hier nichts über die Rampe.

    Zudem ist Manzel nun wirklich keine Weill-Sängerin. Ihre Stimme ist zu weich, ohne Kern, mehr vom Kopf her geführt als aus dem Bauch. Dank Mikrofonverstärkung kommt sie zwar gut über das Orchester. Aber es fehlt der Pepp.

    Auch instrumental bekommt sie kaum Unterstützung. Die estnische Dirigentin Kristiin Poska, ab kommender Spielzeit Kapellmeisterin an der Komischen Oper, leitet die auf der Hinterbühne sitzenden Musiker eher symphonisch als mit der notwendigen Weillschen Schärfe. Viel zu sanft, zu schön klingt das - ohne die notwendige Schroffheit.

    Der die Familie sprich die Gesellschaft repräsentierende Männerchor ist versteckt in den Seitenlogen des Bühnenportals. Er agiert nicht, ist lediglich Beobachter und Kommentator. Eine grundsätzlich plausible Idee, sie trägt allerdings zu der theatralischen Dürre dieses Abends mit bei.

    Und da die "Todsünden" gerade mal eine Dreiviertelstunde dauern, wird der Abend aufgefüllt mit einigen Songs und Chansons. Sie dienen zugleich dazu, das Spiel mit dem Scheinwerfer einzuführen. Manzel muss dafür sich peu à peu durch den Vorhang hervor angeln im Kegel des auf sie sich heran tastenden Scheinwerfers.

    Indes fühlt sich das alles furchtbar angeschafft und abgeschmackt an. In seiner künstlerischen Unbedarftheit ist es ziemlich deprimierend. Zumal wenn diese Vorstellung ein Vorgeschmack sein soll auf das, was Kosky künftig als Intendant in dem Haus zu veranstalten gedenkt. Und der mauen Premierenbilanz dieser Saison bisher hilft es auch nicht aus dem Keller.

    Das Publikum beklatschte gleichwohl die Interpreten anhaltend, wenn auch kaum enthusiasmiert. Und nach einer Premiere sieht's in dem Haus dann ohnehin meist noch düsterer aus.