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Homöopathie
Keine Kügelchen mehr auf Rezept?

Medizinisch sinnvoll oder Hokuspokus - an der Homöopathie scheiden sich die Geister. In Frankreich werden Globuli bald nicht mehr von den Kassen bezahlt, weil ihre Wirkung wissenschaftlich nicht ausreichend nachgewiesen ist. Das hat auch in Deutschland eine Diskussion entfacht.

Von Panajotis Gavrilis |
Globuli, homöopathische Kügelchen auf einem Tisch, dahinter eine Fläschchen und Kräuterblätter
In Frankreich bald nicht mehr auf Rezept: auch in Deutschland wird über die Wirkung der Homöopathie gestritten (imago /Christian Ohde)
Frankreich macht vor, wie es gehen kann: Homöopathische Arzneimittel sollen ab 2021 nicht mehr von der Krankenkasse erstattet werden.
In Deutschland sind sie nicht Teil des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherungen. Allerdings erstatten viele Kassen ihren Versicherten auch aus Marketinggründen die Behandlungskosten – als sogenannte "Satzungsleistungen". Darunter fallen zum Beispiel homöopathische Mittel wie Globuli.
Nicht auf Kosten aller
Auf Homöopathie als Patientin oder Patient zurückzugreifen sei legitim, sagt Andreas Gassen. Aber nicht auf Kosten des Krankenkassensystems, so der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gegenüber unserem Hauptstadtstudio:

"Aus meiner Sicht darf das nicht erstattet werden. Und wenn das Gesetz diese Lücke freilässt, dann muss man diese Lücke schließen. Das haben die Franzosen aus meiner Sicht folgerichtig gemacht. Was nicht heißt, dass jemand sich nicht besser fühlt, wenn er in Lourdes Wasser getrunken hat oder Globuli genommen hat oder unter einem Mistelzweig geschlafen hat. Aber das ist weit davon entfernt, eine wissenschaftliche Grundlage zu haben und das ist nun einmal der Maßstab, den wir anlegen müssen."
Der Kassenarzt-Chef versteht nicht, warum überhaupt eine Diskussion darüber stattfinde. Für ihn ist die Sachlage klar, ob und was Homöopathie bringt:
"Es gibt keine einzige Studie, die den Nutzen belegt. Es gibt allerdings Studien, die genau das Gegenteil von dem nachweisen, nämlich dass kein Nutzen vorliegt. Das muss man einfach mal akzeptieren. Wir haben ein System, wo Beiträge von den Versicherten zwangsweise erhoben werden, wo es einen begrenzten Leistungskatalog für normale medizinische Leistungen gibt und da ist es doch völlig absurd, dass für zumindest problematische Konstellationen wie die Homöopathie die Kosten übernommen werden."
Der Kassenarzt-Chef Gassen ist mit dieser Meinung nicht allein.
An anderer Stelle muss gespart werden
Es sei schwer vermittelbar, dass Kosten für Homöopathie teilweise übernommen würden, während an anderer Stelle gespart werden müsse. Das sagte der CDU-Politiker und Vorsitzende des Bundestag-Gesundheitsausschusses Erwin Rüddel dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Rüddel könne sich demnach ein Ende der Erstattungsfähigkeit vorstellen. Ähnliche Signale auch vom Koalitionspartner SPD: Die gesundheitspolitische Sprecherin der Sozialdemokraten im Bundestag, Sabine Dittmar, sagt, Kassen sollten "innovative und hochwertige Versorgungprojekte anbieten, statt Geld und Energie in Leistungen wie die Homöopathie zu stecken."
Die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU im Bundestag hingegen, Karin Maag, verteidigte, anders als ihr Parteikollege Rüddel, die aktuelle Erstattungsregelung. Im Deutschlandfunk sagte sie:
"Derjenige, der für sich Homöopathie ablehnt, der kann ohne weiteres eine Kasse finden, die diese Medikamente nicht erstattet. Damit ist er auf der sicheren Seite, damit kann er davon ausgehen, dass mit seinen Beitragsmitteln so was nicht erstattet wird. Freie Kassenwahl heißt das Zauberwort und solange wir in dem Bereich uns tummeln, meine ich, dass es vertretbar ist, auch für solche Arzneimittel zu bezahlen."
Überschaubare Kosten
Maag hält darüber hinaus die Kosten für homöopathische Arzneimittel für überschaubar:
"Wir haben in 2017 über alle Kassen hinweg homöopathische Arzneimittel in einer Größenordnung von 10,5 Millionen Euro erstattet. Arzneimittel insgesamt 2017 schlagen mit 37,7 Milliarden Euro zu Buche. Wir reden von 0,03 Prozent der Ausgaben."
Der Kassenarzt-Chef Andreas Gassen hält Zahlen wie diese für wenig valide. Für ihn wäre auch "nur ein Euro", ein Euro zu viel, sagte er.