
Der 17. Mai ist der Tag gegen Homophobie. Und in diesem Jahr könnte der 17. Mai in Deutschland eine historische Note bekommen. Denn zum ersten Mal soll es ein Gruppen-Coming-out von Profi-Fußballern geben. Organisiert wird die Aktion von der Kampagne "Sports Free" vom ehemaligen Fußballer Marcus Urban. Urban war Jugendnationalspieler, beendete seine Karriere jedoch, da er großen Druck als ungeouteter Fußballer empfand. Jetzt will er Anderen den Schritt im Schutz einer Gruppe erleichtern.
Doch warum ist es überhaupt so schwer, sich als homosexueller Fußball-Profi zu outen? "Fußball ist immer noch traditionell ein Männersport und mit sehr traditionellen Männlichkeitswerten wie Durchsetzungsvermögen, ein ganzer Kerl sein und Schmerz-Unempfindlichkeit verbunden wird. Und dazu gehört die immer noch in unseren Hirnen fest verankerte Vorstellung, dass solche Männer nur heterosexuell sein können", sagte Tatjana Eggeling im Deutschlandfunk.
Eggeling ist Kulturwissenschaftlerin und forscht seit vielen Jahren zum Thema Homosexualität im Fußball.
"Schwule und Ballspiele gehen in unserer Vorstellung nicht zusammen"
Dem traditionellen Bild des heterosexuellen Mannes stehe laut Eggeling "das Bild eines schwulen Mannes, der eher als verweiblicht, weich, nicht sehr robust gilt und keinen Ball treten kann. Also Schwule und Ballspiele gehen in unserer Vorstellung irgendwie nicht zusammen."
Diese Bilder würden im Fußball noch tradiert, sagte Eggeling. "Wenn du anfängst, Fußball zu spielen, wächst du in einem Klima auf, wo du schnell merkst: Oh, Schwulsein ist hier nicht die Norm und auch nicht besonders erwünscht."
Dieses Bild aufzubrechen sei mühselig, so Eggeling, "weil es nicht nur um Fußball verankert ist, sondern auch sonst in der Gesellschaft. Ich glaube, es geht darum, klarzumachen, dass auch Schwule gut mit dem Ball umgehen können. Dass es dem Ball völlig egal ist, welche sexuelle Orientierung, Hautfarbe, Körpergröße oder Religion der Spieler hat."
Nachwuchsleistungszentren als Ansatzpunkt
Ein möglicher Ansatzpunkt seien die Nachwuchsleistungszentren: "In der Arbeit mit Jugendlichen kann man schon ganz viele Steine aus dem Weg räumen", sagte Eggeling. So müssten Jugendliche mit Schwulen, Lesben oder Transmenschen in Kontakt kommen, "damit sie eine Anschauung haben und sehen: Ah, die sind einfach nur anders, aber die sind auch Mensch."
Vieles was Probleme bereite im Umgang mit dem, was nicht der Norm entspricht, "hat einfach damit zu tun, dass die Menschen die Abweichung zu wenig kennen. Also was du nicht kennst, macht gleich Angst."
Kabine war Hitzlspergers größte Sorge
Thomas Hitzlsperger sagte im Deutschlandfunk-Sportgespräch, seine größte Sorge vor einem Coming-out sei die Reaktion seiner Mitspieler gewesen und die Ungewissheit, wie die Kabine auf ein Coming-out reagieren würde. "Du hast in der Kabine eine ganze Mischung an Leuten verschiedener Herkunft und verschiedener kultureller Hintergründe. Und es ist wirklich schwer einzuschätzen, ob deine Mitspieler dann noch mit dir spielen und neben dir in der Dusche stehen wollen", sagte Eggeling.
Hier müssten sich die Vereine ganz klar positionieren und engagieren, zum Beispiel durch Coaching-Angebote, schlug Eggeling vor. "Wenn ein Verein merkt, da gibt es Spieler, die Schwierigkeiten mit schwulen oder muslimischen oder schwarzen Kollegen haben, setzt man sich mal zusammen und fragt: Woher kommt das eigentlich? Was ist das, was Euch ungute Gefühle macht? Dass man das in den Teams einfach begleitet und auflöst, damit alle erkennen können: Es ist völlig Wurst, was einer glaubt, wie er liebt oder welche Hautfarbe er hat."