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Homosexualität in der Bundeswehr
Aufarbeitung jahrzehntelanger systematischer Diskriminierung

Benachteiligt, degradiert, entlassen: Homosexuelle Soldaten wurden in der Bundeswehr bis zur Jahrtausendwende systematisch diskriminiert - so das Ergebnis einer vom Bundesverteidigungsministerium beauftragten Studie. Nun wird ein Gesetz zur Rehabilitierung und Entschädigung erarbeitet.

Von Klaus Remme |
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Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) will die Rehabilitierung homosexueller Soldaten auf den Weg bringen (dpa)
Tabu und Toleranz: So lautet der Titel einer Studie zu Homosexualität in der Bundeswehr. Die Forscher gingen zurück bis 1955, interne Papiere wurden genutzt, mehr als sechzig Personen befragt.
Man muss nicht in die Zeit vor der Entkriminalisierung der Homosexualität 1969 zurückgehen, um auf massive Diskriminierung in der Bundeswehr zu stoßen. Bis 1979 wurden homosexuelle Männer konsequent ausgemustert. In einem Ministeriumsschreiben aus dem Jahr 1984 heißt es: "Ein Offizier oder Unteroffizier, der angibt, homosexuelle Neigungen zu haben, muss damit rechnen, nicht mehr befördert oder mit höherwertigen Aufgaben betraut zu werden."
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer: "Die Haltung der Bundeswehr zur Homosexualität war falsch. Sie war damals schon falsch und hinkte der Gesellschaft hinterher. Und sie war es aus heutiger Sicht umso mehr. Ich bedauere diese Praxis sehr und bei all denen, die darunter zu leiden hatten, bitte ich um Entschuldigung."
Degradiert und unehrenhaft entlassen
Dierk Koch war so einer, der darunter gelitten hat. Ein Marinesoldat in den 60er-Jahren, der die Worte seines Vorgesetzten, nach Bekanntwerden seiner sexuellen Neigung, genau in Erinnerung hat:
"Soldaten der Marine, die in so etwas verwickelt sind, können wir nicht in die Welt hinausschicken. In so etwas verwickelt! Das Wort Sexualität kam ihm nicht über die Lippen. Und übrigens werden Sie degradiert und unehrenhaft aus der Bundeswehr entlassen. Sie haben am Freitag um 12 Uhr als Zivilist die Kaserne zu verlassen. Ich habe es einfach nicht geglaubt, an diesem Freitag um 12 Uhr mittags war ich obdachlos, mittellos und degradiert von der Bundeswehr."
Tabuisiert und nicht wahrgenommen
Die Studie schildert viele dieser Schicksale. Deutschlands ranghöchster Soldat, Generalinspekteur Eberhard Zorn, spricht von seinen ersten Jahren in der Truppe, Anfang der 80er:
"All diese Dinge, die Sie schreiben, sind im Truppenalltag in der damaligen Zeit überhaupt nicht wahrgenommen worden. Ich kann mich an keinen einzigen Fall erinnern, der in der Weise, wie Sie sie beschrieben haben, sichtbar in der Truppe diskutiert wurde. Insofern teile ich völlig ihre Bewertung aus eigenem Anschauen, dass das tatsächlich tabuisiert wurde."
Entschuldigung und Entschädigung als wichtiges Zeichen
Kramp-Karrenbauer will ein Zeichen setzen. Ein Gesetzentwurf zur Rehabilitierung ist in Arbeit. Eckpunkte lauten:
"Erstens die Aufhebung von truppendienstlichen Urteilen, die ausschließlich auf einvernehmlichen sexuellen Handlungen beruhen. Die Rehabilitierung wegen sonstiger aufgrund der sexuellen Identität bis zum 3. Juli 2000 erlittener disziplinar- und personalrechtlicher Maßnahmen, drittens die Ausgabe von Rehabilitierungsbescheinigungen aufgrund glaubhaft gemachter Angaben und viertens eine pauschale Zahlung von Entschädigung."
Transsexuelle Soldatin der Bundeswehr: "Ich war sehr gut im Verdrängen"
40 Jahre lebte Anastasia Biefang als Mann. Heute ist sie die erste Transgender-Kommandeurin der Bundeswehr.
Für Dierk Koch wiegt die Entschuldigung der Ministerin schwer:
"Das ist sehr viel mehr wert als eine finanzielle Entschädigung. Natürlich lehne ich die nicht ab, aber dieses Symbolische, dass es etwas Falsches war, was geschehen ist und dass mein Leben nicht falsch war, das ist so viel wichtiger."
Der von Kramp-Karrenbauer genannte 3. Juli 2000 ist der Tag, an dem der damalige Verteidigungsminister unter dem Eindruck eines zu erwartenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts festlegte: "Homosexualität stellt keinen Grund für Einschränkungen hinsichtlich Verwendung oder Status dar."
Von Normalität immer noch weit entfernt
In der Presseerklärung zur Studie heißt es vonseiten des Ministeriums: "Heute sind offen homosexuelle Soldatinnen und Soldaten Normalität in den deutschen Streitkräften." Der Vorsitzende des Vereins QueerBw, Leutnant Sven Bäring, setzte im Beisein von Ministerin und Generalinspekteur einen Kontrapunkt:
"Wir haben um die 200 Generale und Admirale in der Bundeswehr. Das ist die Spitzengliederung. Mir ist kein einziger bekannt, der zu seiner Homosexualität steht."