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Homosexualität
Segen für alle?

Seit einem Vierteljahr dürfen Homosexuelle staatlich heiraten. Was daraus für die Kirchen folgt, wird gerade diskutiert. Einige evangelische Landeskirchen trauen gleichgeschlechtliche Paare, einige nicht. Die katholische Kirche sagt nein, aber auch ein bisschen ja.

Von Michael Hollenbach |
    Zwei gleichgeschlechtliche Brautpaare als Tortenfiguren, aufgenommen am 28.08.2015 in Dresden (Sachsen).
    Darüber, ob gleichgeschlechtliche Paare eine kirchliche Segnung erhalten dürfen, läuft derzeit eine Debatte (dpa/picture-alliance/Sebastian Kahnert)
    Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode hat sich vorgewagt. Gegenüber dem NDR erklärte der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, auch die katholische Kirche müsse sich dem Thema einer Segnung homosexueller Paare stellen:
    "Mir geht es darum, wie wir damit umgehen. Denn es gibt Menschen, die danach fragen die Priester, und die Priester wollen wissen: Wie gehen wir damit um? Es kann nicht einfach nur tabuisiert werden. Da muss man schon Kriterien für finden und gewisse Überlegungen, wie man das machen kann."
    Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode sitzt am 19.08.2016 in Osnabrück (Niedersachsen) während eines Interviews unter einem Kreuz.
    Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode hat die Debatte angestoßen (picture alliance / dpa / Hermann Pentermann)
    Ähnlich wie in der katholischen Ehevorbereitung für heterosexuelle Paare wünscht sich Bischof Bode auch eine Begleitung homosexueller Paare, die sich von einem Priester segnen lassen wollen.
    "Wenn man dann in ein Gespräch kommt und man spürt, was in der Beziehung gelebt wird und warum sie das auch wollen, diese Segnung oder liturgische Begleitung, dann kann man zu diesem Punkt kommen. Wir haben noch keine Formen dafür. Sicherlich ist das zurzeit noch schwierig, das in einem großen öffentlichen Gottesdienst zu tun, weil es leicht mit einer Trauung verwechselt wird."
    Auch Thomas Schüller, Professor für katholisches Kirchenrecht an der Universität Münster, sieht einen akuten Handlungsbedarf, denn schon heute würden Priester gleichgeschlechtliche Paare segnen:
    "Es ist ein mutiger Schritt von Bischof Bode. Er ist überfällig, weil es schon eine entsprechende Praxis gibt und es ist nie gut, wenn es eine Praxis gibt, die undercover läuft, Mund zu Mund Propaganda: 'Da kannst du hingehen, der und der Pater ist mutig genug, auch gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften zu segnen'. Ich finde es gut, wenn diese Gläubigen unserer Kirche, die sich lieben und verbindlich zueinander stehen, ein sicheres Signal bekommen, und dass es nicht nur so ein Gnadenbrot ist, sondern dass man eine klare Ordnung schafft, in der ihre Liebe gesegnet werden kann."
    Einzelne Bischöfe könnten den Segen in ihren Diözesen ermöglichen
    Allerdings steht dem bislang die katholische Lehrmeinung entgegen. Im Vatikan hat sich erst langsam durchgesetzt, dass auch die katholische Kirche Homosexualität an sich akzeptieren kann. Allerdings gilt nach wie vor die praktizierte Homosexualität als schwere Sünde. Thomas Schüller:
    "Das ist die theologische Schwierigkeit, dass man ja nicht sagen kann: Man segnet nur die Liebe, sondern man weiß doch in dem Moment, dass man damit auch eine gleichgeschlechtliche Sexualität segnet. Das macht genau das Problem aus - eigentlich müsste man, bevor man über liturgische Formen nachdenkt, mit der römischen Glaubenskongregation reden: Könnt Ihr zu einer positiveren Bewertung von Homosexualität kommen? Da sehe ich noch lange nicht Bewegung."
    Dennoch sieht der Münsteraner Kirchenrechtler durchaus Spielräume. Zwar sei im so genannten Benediktionale, der vatikanischen Liste für erlaubte Segenshandlungen, eine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare nicht vorgesehen, allerdings seien Ausnahmen möglich:
    Prof. Dr. Thomas Schüller (Theologe und ehemaliger Berater im Bistum Limburg) in der ARD-Talkshow Anne Will
    Der Kirchenrechtler Thomas Schüller (imago stock&people/Müller-Stauffenberg )
    "Die Bischofskonferenz hat schon eine Möglichkeit oder der einzelne Bischof. Da heißt es im Canon 838, Paragraph 3, dass der einzelne Diözesanbischof vor Ort auch für entsprechende Anlässe eigene liturgische Normen erlassen kann; und da sehe ich ein Eingangstor für die Möglichkeit, dass die Bischöfe, als Herr ihrer Diözese, entsprechende Segensformulare erstellen lassen können."
    Keine klare Linie bei den Landeskirchen
    Bei den Katholiken bewegt man sich womöglich zaghaft auf den bischöflichen Segen für homosexuelle Paare zu; bei den Protestanten ist die Segnung der Normalfall - allerdings mit Unterschieden, je nach Landeskirche. So können sich beispielsweise im Rheinland, in Hessen-Nassau, in Berlin-Brandenburg sowie in der Nordkirche gleichgeschlechtliche Paare nicht nur segnen, sondern auch trauen lassen. Andere Landeskirchen wie Kurhessen-Waldeck, die westfälische oder die hannoversche legen Wert auf eine Unterscheidung von der Trauung, die heterosexuellen Paaren vorbehalten ist. Und die braunschweigische und die württembergische Landeskirche sehen nur eine seelsorgerliche Begleitung vor, als nicht-öffentlichen Event. Für die lesbische Pfarrerin Gisela Dehlinger aus Stuttgart, die vor zwei Jahren die "Initiative Regenbogen" mitgründete, ist das eine Diskriminierung:
    "Ich bin Pfarrerin, ich bin Christin, natürlich ist es für mich wichtig, für meine Partnerschaft einen Segen zu bekommen - und nicht nur nicht-öffentlich in der Sakristei, sondern in einem Gottesdienst, zu dem Freundinnen und Freunde und Familie kommen können. Ich finde, das ist was völlig Selbstverständliches."
    Doch eine pietistische Sperrminorität verhinderte im Herbst auf der Synode der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, dass ein Kompromissvorschlag zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare umgesetzt werden konnte.
    "Das ist eine Frage des Bibelverständnisses. Da stehen zwei Seiten einander gegenüber: diejenigen, die der Meinung sind, man darf die Bibel nur wörtlich nehmen und dann die wenigen Stellen, bei denen es vermeintlich um Homosexualität geht, da heranziehen und die anderen, die sagen, man muss die Bibel im historischen Kontext lesen."
    "De facto werden wir diskriminiert"
    Zu den evangelikalen Christen, die die Bibel beim Wort nehmen, gehört Hartmut Steeb:
    "Meines Erachtens ist die Sexualethik die klare Positionsbestimmung, die wir von der Bibel her haben: Die Sexualität zwischen Mann und Frau ist in der Bibel vorgegeben."
    Für den Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz ist die gleichgeschlechtliche Partnerschaft, die "Ehe für alle", ein Irrweg:
    "Ich bin der Überzeugung, dass die Gemeinschaft zwischen Mann und Frau die schöpfungsgemäß Richtige ist und dass darauf der Segen Gottes ruht."
    Hartmut Steeb, Generalsekretär "Deutsche Evangelische Allianz", posiert am 11.02.2014 in Berlin nach der Aufzeichnung der Sendung "Menschen bei Maischberger".
    Der Generalsekretär der "Deutschen Evangelischen Allianz" hält gelebte Homosexualität für Sünde (dpa / Paul Zinken)
    Ähnlich wie die Lehrmeinung der römisch-katholischen Kirche ist gelebte Homosexualität für Steeb Sünde:
    "Sünde bedeutet eine Zielverfehlung dessen, was Gott sich eigentlich gedacht hat. Wenn Sie das so formulieren, würde ich sagen: Ja."
    Trotz des Synodenbeschlusses in Württemberg - 80 Prozent der Dekane der Landeskirche haben nun an Landesbischof Frank Otfried July appelliert, die Ausgrenzung Homosexueller zu beenden. Hoffnung für Pfarrerin Gisela Dehlinger, die in ihrer Kirche lange verbergen musste, dass sie lesbisch ist:
    "Ich finde es ein Unding, dass die Landessynode in den letzten 20 Jahren drei Studientage gemacht hat, bei denen sie unter sich diskutiert hat, aber nicht mit uns. Es wird nur über uns geredet, und da habe ich den Eindruck, da gibt es Berührungsängste. De facto werden wir diskriminiert - immer noch."
    Die hannoversche Landeskirche ist da einen Schritt weiter. Auf der Herbstsynode hat Bischof Ralf Meister die Homosexuellen seiner Landeskirche um Verzeihung gebeten:
    "Ich habe mit vielen homosexuellen Pastoren gesprochen, und wenn man diese Geschichten anhört, dann bekommt man schnell den Eindruck, wie kränkend, verletzend, diskriminierend die Kirche gegenüber diesen Menschen gewesen ist. Das hat mich dazu geführt, zu sagen, dass es uns außerordentlich leid tut, und ich sie bitte, der Kirche zu verzeihen, wie sie agiert hat."