Das Jahr 2008: Der Bundestag diskutiert erstmals über ein Verbot sogenannter Konversionstherapien. 2013 bringt Volker Beck als menschenrechtspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion einen Gesetzentwurf ein, der Konversionstherapien verbieten und unter Strafe stellen soll. Vergangenes Jahr kündigt die hessische Landesregierung eine Verbotsinitiative im Bundesrat an, vier weitere Länder schließen sich an.
Zur Bundesregierung dringt das nicht durch. Erst im Februar dieses Jahres zieht Gesundheitsminister Jens Spahn nach, setzt sich öffentlich für ein Verbot der Konversionstherapien ein und beruft im April eine Fachkommission ein. Das Resultat liegt nun vor: Zwei Gutachten, die im Auftrag der Magnus-Hirschfeld-Stiftung erstellt wurden, und von Spahn heute vorgestellt wurden. Dabei machte er seinen Standpunkt noch einmal klar:
"Wir sollten Konversionstherapien in Deutschland verbieten. Homosexualität ist keine Krankheit. Und damit auch nicht behandlungsbedürftig. Die fälschlicherweise Therapien benannten Interventionen hingegen können tatsächlich sowohl individuell für den Einzelnen aber auch gesellschaftlich Schaden anrichten. Sie können gravierende psychische und auch gesundheitliche Folgen für den Einzelnen haben. Und in einer Gesellschaft eher auch ein Klima von Diskriminierung mit befördern."
"Wir sollten Konversionstherapien in Deutschland verbieten. Homosexualität ist keine Krankheit. Und damit auch nicht behandlungsbedürftig. Die fälschlicherweise Therapien benannten Interventionen hingegen können tatsächlich sowohl individuell für den Einzelnen aber auch gesellschaftlich Schaden anrichten. Sie können gravierende psychische und auch gesundheitliche Folgen für den Einzelnen haben. Und in einer Gesellschaft eher auch ein Klima von Diskriminierung mit befördern."
Größere Hürden für strafrechtliches Verbot
Die beiden Gutachten von Sexualwissenschaftler Peer Briken sowie Rechtswissenschaftler Martin Burgi stützen Spahns Pläne für ein Verbot. Die Kernaussage: Verfassungsrechtlich ist ein Verbot von Konversionstherapien möglich, medizinisch ist es dringend geboten. So weist das medizinische Gutachten unter anderem darauf hin, dass Konversionstherapien zu Depressionen, Angstzuständen und Suizidalität führen können und die gesellschaftliche Diskriminierung nicht heterosexuell orientierter Menschen verstärken würden. Noch einmal Gesundheitsminister Jens Spahn:
"Deshalb braucht es aus meiner Sicht ein starkes Signal des Staates und damit eben auch in der Gesetzgebung, um Homosexuelle vor Pathologisierung, Stigmatisierung und Diskriminierung und damit vor Leid zu schützen."
Auch verfassungsrechtlich sind Verbotsregelungen möglich - teilweise auch mit Strafandrohung. Argumentiert wird dabei mit dem Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit, der sexuellen Selbstbestimmung und dem Diskriminierungsverbot. Ein Verstoß gegen ein Verbot könnte als Tatbestand der Ordnungswidrigkeit einstufen. Für ein strafrechtliches Verbot bestünden laut Gutachten jedoch größere Hürden – besonders bei Erwachsenen. Noch vor der Sommerpause will sich Spahn mit SPD-Politikerin und Noch-Justizministerin Katarina Barley zu den rechtlichen Details beraten und bis Jahresende einen Gesetzentwurf einbringen.
Auch Grüne und FDP begrüßen Verbots-Vorstoß
Bei Grünen und FDP kommt der Verbots-Vorstoß gut an. Zum Beispiel bei Jens Brandenburg, dem Sprecher für LSBTI-Themen der FDP-Bundestagsfraktion:
"Es ist gut, dass die Arbeit der Bundesregierung am Verbot von Konversionstherapien jetzt endlich Fahrt aufgenommen hat. Wir begrüßen sehr, dass auch die Studien, die heute vorgestellt wurden, noch einmal klargemacht haben, dass das Verbot verfassungsrechtlich und auch medizinisch geboten ist. Da muss jetzt endlich etwas passieren. Also es muss klipp und klar sein, dass Konversionstherapien in Deutschland nicht geduldet werden", so Brandenburg gegenüber unserem Hauptstadtstudio.
Insbesondere Minderjährige seien laut dem Liberalen dabei besonders stark zu schützen. Die Grünen, die bereits im März den Entwurf für ein Verbot der Therapien vorgelegt hatten, begrüßten Spahns Initiative ebenfalls, forderten aber weitergehende Maßnahmen. Der Lesben- und Schwulenverband hat den Vorstoß als überfälligen Schritt gelobt. Besonders radikale Christen fielen in der Vergangenheit immer wieder damit auf, dass sie Pseudotherapien anbieten oder empfehlen. So hatte noch im Dezember der Bund Freier evangelischer Gemeinden in einer Orientierungshilfe Homosexuellen Konversionstherapien empfohlen.*
*Anmerkung der Redaktion:
In der hier in Bezug genommenen Orientierungshilfe heißt es: "Homosexuell geprägte Menschen, die den Versuch einer Veränderung ihrer sexuellen Orientierung anstreben, sollten sich einem professionell begleiteten therapeutischen Prozess stellen."
Zwischenzeitlich wurde der Text der Orientierungshilfe offenbar geändert. Nun heißt es an besagter Stelle: "Homosexuell empfindende Menschen, die ihre sexuelle Identität jedoch als unsicher oder konflikthaft erleben, können sich einem professionell begleiteten Klärungsprozess stellen."
Der Bund der Freien evangelischen Gemeinden teilt dem Deutschlandfunk in einem aktuellen Schreiben mit, er empfehle keine Konversionstherapien und führe sie erst recht nicht durch.