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Honduras
Wahlberichterstattung im gefährlichsten Land der Welt

Honduras ist durchdrungen von der Drogenmafia: Über 20.000 Menschen, unzählige Kleinbauern, Gewerkschafter und 30 Journalisten sind in den letzten drei Jahren ermordet worden. Dennoch halten einige Medien eine kritische Berichterstattung aufrecht.

Von Markus Plate | 23.11.2013
    Ende Juni 2009 erlebt Honduras den ersten Staatsstreich in Lateinamerika seit Jahrzehnten. Präsident Mel Zelaya hatte zuvor Kooperationsabkommen mit Venezuela geschlossen, Sozialprogramme eingeführt und wollte schließlich über eine Verfassungsreform diskutieren. Liberalen und Nationalisten, den beiden dominierenden politischen Kräften im Land, gefielen diese Pläne gar nicht. Kurz vor den für denselben Herbst geplanten Wahlen setzte der Kongress Zelaya ab. Ein Putsch, der Honduras nachhaltig veränderte, so der Schriftsteller Julio Escoto:
    "Der Putsch hat das politische Bewusstsein der Bevölkerung geweckt. Davor hatten sich die Leute fast nur für Fußball und die Lotterie interessiert, sie haben keine politischen Nachrichten verfolgt und auch nicht viel darüber nachgedacht, was im Land passiert. Dieses neue politische Bewusstsein kann zu einem wirklichen Wandel führen."
    Vier Jahre nach dem Putsch gegen Zelaya sind wieder Wahlen in Honduras und nun scheint ein historischer Machtwechsel möglich, weg vom traditionellen Zweiparteiensystem, hin zu LIBRE. Xiomara Castro, Zelayas Ehefrau, führt diese zur Partei gewordene Anti-Putsch-Bewegung an. Die Journalistin Patricia Murillo geht für LIBRE als Kongresskandidatin ins Rennen:
    "Als unabhängige Journalistin war ich nie Mitglied einer Partei. Mit dem Putsch hat sich das geändert. Als Journalisten haben wir einen der schlimmsten Angriffe auf die Meinungs- und Pressefreiheit im jungen 21. Jahrhundert erlebt. Auch wir Journalisten gingen dagegen auf die Straße. Aus den Protesten entstand der nationale Widerstand. Und aus diesem heraus gründete sich LIBRE, für die ich jetzt kandidiere."
    Medien machen Politik. Einige kritische Journalisten sind zu Oppositionspolitikern geworden, die großen Zeitungen und die Fernsehkanäle stehen kaum verhohlen aufseiten der traditionellen Parteien. Aber es gibt auch Medien, die sich um eine kritische Berichterstattung bemühen. Das jesuitische Radio Progreso hatte die Armee nach dem Putsch sogar für kurz dichtgemacht. Ein Dutzend junger Journalisten arbeitet hier, die ihr Leben riskieren, um die Menschen zu informieren. Joksan Flores ist einer von ihnen:
    "2009, fünf Tage nach dem Putsch, kam uns die Idee, ein humoristisches Nachrichtenformat zu schaffen mit dem Namen "Notinada", um all die Medien zu parodieren, die nach dem Putsch so berichtet haben, als sei "nix passiert". Auf dieselbe humoristische Weise gehen wir auch die drängendsten Probleme des Landes an: die Militarisierung, die Korruption, die Morde, die Menschenrechtsverletzungen."
    Humor, wo die nackte Wahrheit zu gefährlich ist. JoksansKollege Imner Gerardos Thema ist der Landkonflikt. Ein paar Großgrundbesitzer, wie der Politiker und Oberputschist Roberto Micheletti, besitzen fast alles Land in der Umgebung von Progreso. Eine halbe Million Bauern hat in Honduras dagegen gar kein Land. Über hundert Landlose, die gegen diese Situation protestiert haben, sind seit dem Putsch ermordet worden, berichtet Imner – und solche Berichterstattung ist nicht gern gesehen in Honduras:
    "Wenn du als Journalist die Kleinbauern begleitest, wirst auch du zur Zielscheibe. Im Jahr 2010 habe ich zum ersten Mal einen Drohanruf bekommen. Halt die Klappe, sagte eine Stimme, hier sind schon viele Journalisten abgeknallt worden. Ich kann natürlich um Polizeischutz bitten. Aber was soll das bringen, wenn die Mehrheit der Polizisten auf der Gehaltsliste des organisierten Verbrechens steht?"
    30 Journalisten sind in den letzten drei Jahren in Honduras ermordet worden. Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" zählt das Land zu den weltweit gefährlichsten. Rommel Gómez, ein junger Familienvater, hat längst gelernt, was journalistisch geht in Honduras - und was lebensgefährlich ist.
    "Über Regierungspolitik können wir einigermaßen frei berichten. Aber schon die Wahlberichterstattung ist delikat, wenn du über Wahlmanipulationen schreibst, oder dass die Armee die Bevölkerung einschüchtert. Vor allem sind Staat und Regierung derart vom organisierten Verbrechen durchdrungen, dass du dein Leben riskierst, wenn du darüber berichtest. Also bleibt uns nur Selbstzensur. Aber dann denke ich: Es gibt es so viele Menschen, denen es viel schlechter geht als mir. Und da kann ich doch nicht so einfach das Handtuch werfen."