Eine Straßenumfrage auf Englisch in Hongkong endet oft mit verlegenem Gekicher. "Sorry, mein Englisch ist nicht gut genug." Vor allem junge Hongkonger bekommen oft keinen weiteren Satz über die Lippen. Der britische Einschlag in der Stadt ist noch immer sichtbar, in den Straßennamen, im Rechtssystem bis hin zum Linksverkehr. Doch das sprachliche Erbe der Engländer schwindet.
"Als ich hier ankam, war Englisch ganz klar die zweite Sprache der Stadt", sagt der Brite Paul Christensen. Er lebt seit 15 Jahren in Hongkong. Offiziell ist das auch noch so. Aber im Alltag, beim Einkaufen, sogar in der Geschäftswelt wird es immer schwieriger, Englisch zu sprechen. Denn die zweite Sprache der Stadt heute ist Mandarin-Chinesisch. Wer noch gut Englisch kann, das sind meist ältere Leute über 60 oder 70. Die Kenntnisse der Jüngeren sind begrenzt.
Das Englisch-Niveau sinkt seit dem Handover, der Rückgabe der Kolonie an China. In einem internationalen Ranking des Bildungsanbieters Education First landete Hongkong letztens bei der Englisch-Kompetenz nur noch im Mittelfeld, hinter Indien, Tschechien und Argentinien. Auch Studien der Hongkonger Regierung unter Schülern zeigen, dass die Englischkenntnisse zurückgehen.
Offiziell hat das halbautonome Hongkong zwei Amtssprachen: Chinesisch und Englisch, wobei das gesprochene Chinesisch in Hongkong Kantonesisch ist, eine dem Pekinger Mandarin verwandte, doch durchaus verschiedene Sprache. Vor dem Handover fand der Unterricht in den allermeisten Schulen auf Englisch statt. Nach 1997 schaltete die Regierung um. Die meisten Schulen unterrichteten danach auf Kantonesisch. Das war der Sündenfall, sagt die Bildungsexpertin Anita Poon von der Hongkonger Baptisten-Universität.
"Das waren Nationalisten. Die sagten: Nach dem Handover sollten wir in den Schulen nicht mehr die Sprache der Kolonialherren benutzen. Das war eine Fehleinschätzung. Englisch hatte schon in den 80er-Jahren in Hongkong seinen Status verändert, war nicht mehr die Kolonialsprache, sondern eine internationale Sprache geworden. Das hatten die nicht kapiert."
Mittlerweile ist die Politik wieder etwas gelockert worden. Doch der Schaden sei längst angerichtet, sagt Anita Poon. Gleichzeitig gewinnt die Hochsprache des chinesischen Festlands – Mandarin – immer mehr an Boden. Die Zuwanderung von jenseits der Stadtgrenze ist groß. Im vergangenen Jahr kamen zudem 40 Millionen chinesische Touristen in die Stadt. Verkäufer sprechen besser Mandarin als Englisch. Hongkong verspielt seinen Vorsprung, das historische Geschenk der Englischsprachigkeit, sagt Poon.
"Hongkong ist seit den 80er-Jahren eine internationale Stadt. Wir brauchen ein gutes Englisch-Niveau. Wir stehen im globalen Wettbewerb. Früher wurden immer Hongkong und Singapur miteinander verglichen. Beide lagen in den meisten Dingen etwa gleichauf. Doch jetzt verliert Hongkong den Anschluss. Auch in Sachen Englisch. In Singapur wird Englisch seit mehr als 20 Jahren gefördert."
Ironischerweise holt auch das chinesische Festland in Sachen Englisch auf. Extra-Sprachunterricht für Kinder am Wochenende in Schanghai. Englisch-Schulen wie diese sind überall in China aus dem Boden geschossen. Hongkongs Konkurrenz schläft nicht.