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Hongkong-Proteste
Erinnerungen "an die brutale Niederschlagung auf dem Tian’anmen"

Die Reaktion der internationalen Gemeinschaft auf die Proteste in Hongkong entspreche nicht der Gefährlichkeit der Situation, sagte die Grünen-Abgeordnete Margarete Bause im Dlf. Deutschland und auch die EU müssten sich deutlich auf die Seite der friedlichen Demokratiebewegung stellen.

Margarete Bause im Gespräch mit Sandra Schulze | 14.08.2019
Margarete Bause ist Grünen-Bundestagsabgeordnete
Die Lage in Hongkong müsse auf die oberste Ebene innerhalb der Weltgemeinschaft, sagt Margarete Bause, Grünen-Bundestagsabgeordnete (dpa / ZUMA Wire)
Sandra Schulz: Mitgehört hat die Grünen-Bundestagsabgeordnete Margarete Bause. Sie ist stellvertretende Vorsitzende der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe und Sprecherin für Menschenrechtspolitik ihrer Fraktion. Schönen guten Morgen!
Margarete Bause: Schönen guten Morgen.
Schulz: Bei dem Punkt möchte ich direkt bleiben. Wie groß ist Ihre Sorge vor einer gewaltsamen Eskalation, vor einem gewaltsamen Eingreifen des chinesischen Militärs?
Bause: Die Zuspitzung in Hongkong ist dramatisch. Das muss man wirklich so sagen. Es ist eine gefährliche Eskalation. Das wurde ja gerade auch von Herrn Orthmann geschildert. Ich fühle mich erinnert an die Situation vor 30 Jahren, die Demokratiebewegung in China und die brutale Niederschlagung auf dem Tian’anmen, und ich bin der festen Überzeugung, die Weltgemeinschaft muss mehr tun, als sie im Moment tut. Die Reaktionen sind eher etwas lauwarm und das entspricht nicht der Gefährlichkeit der Situation in Hongkong.
Schulz: Wir hören im Moment aus Washington, aus vielen europäischen Hauptstädten vor allem die Bekundung von Sorge. Wir hören die Mahnung zur Ruhe. Wer oder was könnte denn für eine Deeskalation sorgen?
Bause: Ich glaube, zunächst mal braucht es da auch eine gemeinsame europäische Vorgehensweise. Gestern hat sich Außenminister Heiko Maas mehr oder weniger pflichtschuldigst gemeldet aus dem UN-Sicherheitsrat. Aber ich glaube, es muss auch versucht werden, es im UN-Sicherheitsrat zu diskutieren, bei allen Schwierigkeiten mit der Vetomacht China, das ist völlig klar. Die Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, hat sich geäußert, aber auch nicht Guterres. Ich glaube, es muss wirklich in der Weltgemeinschaft auf die oberste Ebene. Aber das heißt auch vorher, Deutschland, die Kanzlerin, die Europäische Union muss mit einer gemeinsamen Haltung hier deutlich machen und sich auf die Seite der friedlichen Demokratiebewegung stellen, weil in Hongkong wird im Moment die Demokratie verteidigt. Die Menschen gehen auf die Straße, weil sie wissen, es ist möglicherweise die letzte Möglichkeit, ihre noch bestehenden Freiheiten, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, zu verteidigen. Da müssen die demokratischen Länder sehr viel deutlicher nach außen hin zeigen, dass die Demokratie in Hongkong nicht zur Disposition stehen darf.
Polizisten mit Schlagstöcken schreien Demonstranten im Hongkonger Flughafen an. 
Politologe zu Hongkong: "Es wird wahrscheinlich schlimmer werden"
Der Politologe Stephan Orthmann zeigt sich besorgt über die Eskalation der Gewalt in Hongkong. Zum einen würden die radikalen Kräfte innerhalb der Demonstranten immer lauter, zum anderen sei eine militärische Intervention nicht ausgeschlossen, sagte er im Dlf. China wolle die Proteste anscheinend gewaltsam beenden.



"Peking versucht Länder gegeneinander auszuspielen"
Schulz: Jetzt haben Sie, Frau Bause, kürzlich gerade selbst erfahren, wie schwierig der Dialog mit China ist oder sein kann. Peking hat Ihnen die Einreise verweigert, wahrscheinlich wegen Ihres Engagements für die Uiguren in China. In welcher Form kann wer denn da jetzt Druck machen? Ist es die Erfahrung im Umgang mit China, dass deutliche Kritik dazu führt, dass Peking einlenkt?
Bause: Das einzige was hilft ist wirklich Geschlossenheit und gemeinsames Auftreten. Peking versucht ja, die Länder gegeneinander auszuspielen, die Länder der Europäischen Union, aber auch international, und dann erfolgen auch Reaktionen aus China, wenn sie merken, das funktioniert nicht, wenn es eine gemeinsame geschlossene Haltung zum Beispiel der Europäischen Union gibt. Dieses Auseinanderdividieren, dieses Teile und Herrsche, das ist die Methode Chinas, und dem muss Geschlossenheit und gemeinsames Auftreten entgegengestellt werden.
Schulz: Gemeinsames Auftreten, auch gemeinsames Handeln?
Bause: Natürlich! Natürlich muss gemeinsam gehandelt werden.
Schulz: In welcher Form denn?
Bause: Das erste ist natürlich die Diplomatie, gegenüber China deutlich zu machen, wir beobachten das sehr genau, wir schauen da sehr genau hin, und natürlich gibt es auch im Zusammenhang mit dem Handel viele Möglichkeiten, aktiv zu werden, auch gemeinsam mit den Vereinigten Staaten aktiv zu werden, im Sinne, die Demokratie in Hongkong, soweit sie überhaupt noch vorhanden ist, zu verteidigen.
"Wenn wir nachgeben, haben wir verloren"
Schulz: Welche Formen, aktiv zu werden? Wir sprechen ja bei China über einen der wichtigsten Handelspartner Deutschlands.
Bause: Absolut! Ich sehe aber nicht, dass überhaupt versucht wird, auf der diplomatischen Ebene aktiv zu werden, die Gespräche zu suchen, die diplomatischen Kanäle, alle diplomatischen Kanäle zu nutzen, auf UN-Ebene das Thema auf die höchste Ebene zu hieven, sondern man guckt zu, habe ich den Eindruck, und die Reaktionen sind lauwarm. Wir haben natürlich, was den Handel angeht, sehr viele Möglichkeiten. Wir haben die Möglichkeit zum Beispiel, dass es keine öffentliche Unterstützung mehr gibt für Unternehmen, die in China aktiv sind und möglicherweise auch sich beteiligen an Menschenrechtsverletzungen. Das ganze Instrumentarium auch der Wirtschaftssanktionen sollte man auf jeden Fall in Betracht ziehen.
Schulz: Und das ist auch rückgekoppelt mit der deutschen Wirtschaft, die, wenn sie das hört, sicherlich schon halb in Ohnmacht fällt?
Bause: Ich glaube, wenn wir auf der Stelle nachgeben, dann haben wir auch schon verloren. Wir merken ja, dass China da sehr skrupellos ist, wenn es darum geht, ihren Machtanspruch durchzusetzen. Deswegen braucht es hier auch eine klare Ansage, was am Ende natürlich auch der deutschen Wirtschaft nutzt, weil die natürlich auch auf ein regelbasiertes System angewiesen sind. Wir sehen ja auch bei der deutschen Wirtschaft, dass die sehr viel kritischer sind gegenüber China mittlerweile. Das berühmte Papier des BDI, was deutlich macht, wir müssen da eine gewisse Naivität, die wir in der Vergangenheit gezeigt haben, ablehnen und sehr klar auch unsere Werte und unsere Ansprüche deutlich machen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.