Zum ersten Mal haben Facebook oder Twitter in China Nutzerkonten gesperrt - in anderen Ländern passiere das allerdings schon seit Jahren, meint Social Media-Experte Martin Fehrensen. In der öffentlichen Debatte würden die beiden Unternehmen zwar versuchen, den Eindruck neutraler Plattformen zu erwecken, allerdings würde intern sehr genau hingeschaut, welche Gedanken artikuliert werden.
"Blind auf einem Auge"
Das Ziel, zu wachsen stehe für die Social Media-Plattformen an erster Stelle. Daher wären Facebook und Twitter nach Einschätzung von Fehrensen eigentlich auch gerne im chinesischen Markt aktiv. Aus Erfahrungen in anderen Ländern wisse man, dass die Plattformen auch Kollateralschäden in Kauf nehmen würden. Beispielsweise habe Facebook in Myanmar massiv dazu beigetragen, dass sich Propaganda gegen die Rohingya verbreitet habe.
Facebook habe seit den vergangenen Präsidentschaftswahlen in den USA Teams aufgebaut, die genauer hinschauen. Damals hatte es Missbrauch durch russische Propaganda gegeben. Allerdings habe man danach zu oft Wahlen in den Fokus genommen - und weniger den tagtäglichen Austausch für politische Informationen. Bei den Protesten In Hongkong etwa hätten Nutzer die Plattformen auf die chinesische Stimmungsmache hinweisen - die Plattformen seien hier "blind auf einem Auge", so Fehrensen.
Facebook als Medienunternehmen?
Die Plattformen würden möglichst vermeiden, den Eindruck von redaktionellen Strukturen zu erwecken. Facebook wolle vermeiden als Medienunternehmen wahrgenommen zu werden, weil Facebook und Twitter dann stärker für die Inhalte auf ihren Plattformen haften müssten und proaktiv Inhalte löschen, so Fehrensen. Daher erlaube Facebook auch Desinformation - nicht aber das Anlegen falscher Identitäten.
"Ich möchte mir gleichwohl auch kein Netzwerk vorstellen, dass dann darüber entscheidet: Was ist richtig? Was ist falsch? Weil dafür sind die Plattformen überhaupt nicht legitimiert. Sie sind nicht demokratisch gewählt."