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Hongkong-Zeitung "Apple Daily"
Die Stimme des Protests

Die "Apple Daily" gehört zu den meistgelesenen Zeitungen in Hongkong. Sie hat sich als Stimme der Demokratiebewegung etabliert. Doch der wirtschaftliche und politische Druck würden zum großen Problem, so SZ-Korrespondentin Lea Deuber im Dlf.

Lea Deuber im Gespräch mit Annika Schneider |
Ein Mann mit einem Mund-Nase-Schutz liest eine Ausgabe der "Apple Daily".
Die Ausgabe der Hongkonger "Apple Daily" nach der Festnahme von Jimmy Lai (imago/ May James)
Annika Schneider: "Wenn Eva den Apfel nicht gegessen hätte, gäbe es weder Böses noch Nachrichten in der Welt." – So hat der Hongkonger Verleger Jimmy Lai begründet, warum seine Zeitung "Apple Daily" heißt – frei übersetzt also: täglicher Apfel. Jimmy Lai gilt als einer der schärfsten Kritiker der chinesischen Regierung. Seit 25 Jahren erscheint sein Blatt in Hongkong. Die Frage ist: Wie lange noch?
Vor zwei Wochen sind in der Redaktion 200 Polizisten aufgetaucht. Sie haben die Räume durchsucht, kistenweise Unterlagen herausgeschleppt und Jimmy Lai festgenommen. Ihm werden Betrug und geheime Absprachen mit Kräften im Ausland vorgeworfen – unter anderem.
Lea Deuber ist China-Korrespondentin der "Süddeutschen Zeitung" und beobachtet die aktuellen Entwicklungen von Peking aus. Sie habe ich kurz vor der Sendung gefragt: Auch wenn Jimmy Lai inzwischen freigelassen wurde – erscheint die "Apple Daily" jetzt überhaupt noch so wie bisher?
Lea Deuber: Ja. Die "Apple Daily" erscheint immer noch wie bisher. Am Tag danach hat man ja die auf Auflage deutlich erhöht, also von normalerweise 70.000 am Tag auf 550.000. Weil man schon damit gerechnet hat, dass das natürlich eine historische Ausgabe wird – und die ist dann auch relativ schnell weggekauft worden, in einigen Häusern und Straßenzügen wurde sie in alle Briefkästen geworfen. Und auch der Aktienkurs des Unternehmens von Jimmy Lai, "Next Digital", ist erst gefallen und dann durch die Decke gegangen. Viele Leute haben so dann auch ihre Unterstützung für die Zeitung ausgedrückt.
Boulevardgeschichten und investigative Recherche
Schneider: Die Zeitung ist in Hongkong ja die zweitauflagenstärkste, auch wegen ihrer Klatsch-Seiten: da finden sich Promis, Drogen- und Sexgeschichten. Wie passt das mit den investigativen Recherchen zusammen, die die Redaktion auch betreibt?
Deuber: Ja, also die Zeitung ist tatsächlich als so ein Boulevardblatt gestartet und hat auch viele Zeitungen in Hongkong unter Druck gesetzt, das auch zu machen – also buntere Geschichten zu bringen. Aber die politische Berichterstattung war immer ein Teil davon: also investigative Recherchen, Skandale, die aufgedeckt wurden in der Hongkonger Regierung, also immer eine sehr politische Berichterstattung.
Ich glaube, das hat schon was mit dem Menschen Lai zu tun, der eben sehr politisch ist. Er ist selbst als Kind aus Festlandchina geflohen, hat ‘89 in Hongkong die Massenproteste und dann auch das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking miterlebt. Und gleichzeitig muss man sich auch klarmachen: in Hongkong sind die Medien nicht erst seit dem Staatssicherheitsgesetz Ende Juni unter Druck, sondern schon sehr lange und die "Apple Daily" hat sich da immer gegen gestemmt und hat damit auch viel Vertrauen geschaffen in ihre Berichterstattung, vor allem in ihre politische Berichterstattung, weil andere Zeitungen sich eben nicht mehr trauen manche Sachen zu berichten und die "Apple Daily" hat sich da immer frei von gemacht. Sie ist zum Beispiel letztes Jahr ausgezeichnet worden für ihre Berichterstattung über Liu Xia, die Frau von Liu Xiaobo, der selbst im Gefängnis gestorben ist. Das hat einfach viel Vertrauen geschafft und deswegen ist diese politische Berichterstattung auch so wichtig wie die Zeitung.
ausgaben der Hongkonger Zeitung "Apple Daily" liegen auf einem Tisch.
Hongkonger Verleger Jimmy Lai - Kämpfen bis zum letzten Tag
"Ich habe schon lange aufgehört, mich von Angst leiten zu lassen": Jimmy Lai, milliardenschwerer Selfmademan und Verleger, bietet der chinesischen Führung die Stirn. Anstatt zu kuschen, geht er mit seiner Zeitung "Apple Daily" in die Offensive.
Schneider: Gegen dieses Staatssicherheitsgesetz, das Sie erwähnt haben, das ja auch inzwischen beschlossen wurde, da sind in Hongkong Hunderttausende auf die Straße gegangen für die Demokratie. Welche Rolle hat die "Apple Daily" bei diesen Protesten gespielt?
Deuber: Ja. gibt er seit 2019, also seit vergangenem Jahr wieder Massenproteste. Auslöser war ja ein Auslieferungsabkommen mit Festlandchina, da gab es das Staatssicherheitsgesetz noch gar nicht. Und die Menschen haben sie eben gewehrt gegen den wachsenden Einfluss Pekings in der Stadt, der eigentlich viele freiheitliche Grundrechte zugesichert sind noch bis 2047 – also auch ganz anders als Festlandchina. Und Jimmy Lai und seine Zeitung haben da immer eine sehr aktive Rolle gespielt, haben diese Proteste auch unterstützt, haben zum Beispiel Beilagen gedruckt, Plakate, die man dann eben aus der Zeitung reißen konnte, um sie mit zu diesen Protesten zu nehmen. Jetzt gerade haben sie gelbe Notizzettel abgedruckt. Das ist in Hongkong ein fester Teil der Protestkultur, solche Notizzettel eben überall in der Stadt aufzuhängen: an Wänden, in U-Bahn-Schächten usw. mit Hoffnungen und Wünsche und auch Protestnotizen. Das trauen sich viele Hongkonger nicht mehr, weil sie eben nicht wissen, ob das sogar schon ein Verstoß gegen das Sicherheitsgesetz sein könnte. Und das hat die "Apple Daily" dann übernommen und hat eben diese gelben Notizzettel abgedruckt mit politischen Forderungen. Sonst hängen diese Zettel halt nur noch leer in der Stadt, weil die Angst zu groß ist in der Bevölkerung.
Wirtschaftlicher und politischer Druck
Schneider: Die chinesische Regierung geht nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich gegen die Zeitung vor, indem sie Unternehmen beeinflusst, keine Anzeigen mehr in "Apple Daily" zu schalten. Wird die Zeitung diesen Druck überleben können?
Deuber: Das geht schon eine ganze Weile tatsächlich so, also die "Apple Daily" erscheint schon sehr lange häufig ohne eine einzige Anzeige mit Unternehmen aus Hongkong. Also es sind eben nur Unternehmen aus dem Ausland, die sich trauen, dort noch Anzeigen zu schalten. Die chinesische Regierung hat das immer abgestritten. Aber es ist ja doch eigentlich schon recht klar, dass das auf Druck von chinesischer Seite passiert, dass sich Unternehmen nicht mehr trauen, dort Anzeigen zu schalten. Das ist schon sehr lange ein großer wirtschaftlicher Schaden. Jimmy Lai nennt sehr hohe Zahlen, der Schaden geht sicher in die Millionenhöhe. Ich glaube allerdings nicht, dass das wirtschaftliche Problem im Moment das größte ist für diese Zeitung, für Jimmy Lai. Die Behörden haben die Räume durchsucht. Sie haben gesucht, weil sie etwas finden wollen und ich glaube, kurzfristig wird der wirtschaftliche Schaden zu verkraften sein. Langfristig ist aber die Frage, wie hoch der politische Druck noch sein wird und was vor allem mit der Person Jimmy Lai passiert, denn er ist natürlich Peking schon ein Dorn im Auge und man hat ja auch gesehen: Jimmy Lai ist wie kaum eine Figur mittlerweile auch ein Gesicht des Widerstands in dieser Protestbewegung. Und deswegen sind wahrscheinlich die politischen Konsequenzen deutlich größer als die wirtschaftlichen.