Archiv

Honorar-Streit um Erfolgsfilm
"Das Boot" und der "Bestseller-Paragraph"

Weil sie den Film "Das Boot" so oft wiederholten, sollen öffentlich-rechtliche Sender den Chef-Kameramann nachhonorieren. Die Anstalten befürchten nun Einschnitte im Programm. Jüngere Filme seien aber nicht betroffen, stellte Medienrechtler Gerhard Pfennig im Dlf klar.

Gerhard Pfennig im Gespräch mit Sebastian Wellendorf / Text von Annika Schneider |
    Blick in den Mannschaftsraum des U-Boots in einer Szene des Films "Das Boot". Der Film von Wolfgang Petersen kam 1980 in die Kinos.
    Der Film "Das Boot" wurde Anfange der Achtziger zum Überraschungserfolg. (picture alliance )
    315.000 Euro müssen öffentlich-rechtliche Fernsehsender an den Chef-Kameramann des Erfolgsfilms "Das Boot" nachzahlen. Das hat das Oberlandesgericht Stuttgart entschieden. Jost Vacano bekommt damit Geld für 41 Wiederholungen, an deren Erlösen ihn die die Fernsehsender nicht beteiligt hatten.
    "Buyout"-Regelung inzwischen selten
    Über die Folgen des Urteils gehen die Meinungen auseinander. Der SWR-Justitiar Peter Wiechmann warnte auf Anfrage des Dlf, dass die Entscheidung die Wiederholung von Filmen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen verhindern könnte.
    Weniger kritisch sieht der Medienrechtler Gerhard Pfennig das Urteil. Der Sprecher der "Initiative Urheberrecht" sagte im Dlf, dass sogenannte Buyout-Regelungen – also eine einmalige Zahlung für alle Nutzungen – inzwischen aus der Mode gekommen seien: "Alle wichtigen Urheber, gerade im Filmbereich, legen inzwischen größten Wert darauf, dass sie für Wiederholungen gesondert bezahlt werden."
    "Bestseller-Paragraph" erst seit 2002 angewendet
    Anfang der 1980er-Jahre hatte Jost Vacano für seine Arbeit am Film "Das Boot" umgerechnet rund 104.000 Euro Honorar erhalten. "Der Film war eigentlich gedacht für eine einmalige Ausstrahlung, vielleicht im Hauptprogramm, und eine Wiederholung. Und dann stellte sich heraus, dass dieser Film unglaublich populär wurde", sagte Pfennig im Dlf. Damals sei ein einmaliger Betrag vereinbart worden – allerdings keine Regelungen für Wiederholungen.
    Erst seit 2002 komme der "Bestseller-Paragraph" im Urheberrechtsgesetz zur Anwendung, der für den Fall eines unerwarteten Erfolgs die finanzielle Beteiligung der Künstler regelt. Freiwillig bezahlt hätten die Rundfunkanstalten Vacano aber nicht, sagte Pfennig. Stattdessen musste der heute 84-Jährige vor Gericht ziehen: "Er hat irrsinnige Mühe gehabt, überhaupt rauszufinden, wo diese Filme gelaufen sind, und musste gegen einzelne Landesrundfunkanstalten seine Ansprüche durchsetzen."
    Schon 588.000 Euro in München erstritten
    Der Kameramann hat nicht nur den Prozess in Stuttgart angestrengt. 2017 hatte ihm auch schon das Oberlandesgericht München 588.000 Euro zugesprochen. Zahlen müssen in diesem Fall die Produktionsfirma, die Videoverwertungsgesellschaft und der WDR.
    Für die ARD-Anstalten sei das Thema vor allem deshalb relevant, weil sich die Sehgewohnheiten verändert hätten, betonte SWR-Justitiar Peter Wiechmann. Früher seien hochkarätige Filme nur wenige Male im Ersten und den Dritten Programmen ausgestrahlt worden. Um die gleiche Zuschauerzahl zu erreichen, müssten sie heute hingegen viel öfter wiederholt werden.
    SWR kritisiert fehlerhafte Berechnung
    Entsprechende Verhandlungen mit den Urheberverbänden liefen Wiechmann zufolge noch. In der Zwischenzeit hätten die Oberlandesgerichte die veralteten Vergütungsregelungen fehlerhaft angewandt: "Aus diese Weise haben sie Jost Vacano ein Vielfaches dessen zugesprochen, was er bei direkter Anwendung der Tarifverträge erhalten hätte", so Wiechmann gegenüber dem Dlf.
    Er warnte vor den Folgen für das Fernsehprogramm, falls die Urteile nicht revidiert würden: "Ausstrahlungen von Fernsehspielen müssten drastisch reduziert werden." Der SWR prüfe derzeit weitere Schritte. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat die Revision beim Bundesgerichtshof zugelassen.