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Hooligan-Krieg in Krakau

In 477 Tagen beginnt die Fußball-EM in Polen und der Ukraine. Sorge bereitet den Gastgebern im Vorfeld die hohe Gewaltbereitschaft vermeintlicher Fans. Einen Vorgeschmack auf Bandenkriege unter Hooligans erlebt Krakau.

Von Florian Kellermann | 17.02.2011
    Kurdwanow ist eines der gepflegten Stadtviertel in Krakau. Hier, im Süden der Stadt, sind in den vergangenen Jahren viele junge Familien zugezogen. Moderne Häuser mit Eigentumswohnungen sind entstanden, an der Hauptstraße gibt es zwei Konditoreien, zwei Apotheken und einen Supermarkt. Vom Park her hört man die fröhlichen Stimmen von Kindern, die Schlitten fahren.

    Nur Schmierereien an einer Hauswand stören die Idylle: "Tod für Cracovia" steht da - Cracovia ist ein Fußballverein aus Krakau. Bis vor Kurzem habe so etwas niemand hier im Viertel ernst genommen, sagt Iwona Blecharz, die ein Kulturzentrum leitet.

    "Ich wohne hier seit sechzehn Jahren. Und mir ist nie etwas Schlimmes passiert, auch nicht meinen drei Söhnen, obwohl die phasenweise mit den wildesten Frisuren unterwegs waren. Klar, abends treffen sich die Jugendlichen an bestimmten Orten, und wenn man da an die Falschen gerät, ist das vielleicht gefährlich. Aber alles in allem habe ich das immer für ein sicheres Viertel gehalten."

    Um so größer war das Entsetzen über das, was hier vor wenigen Wochen passierte: Zwanzig maskierte Männer verfolgten einen 30-Jährigen, zunächst mit dem Auto, dann zu Fuß. Als sie ihn schließlich gestellt hatten, schlugen sie mit Baseball-Schlägern und Buschmessern auf ihn ein. Erst nach ein paar Minuten ließen sie von ihrem Opfer ab und fuhren davon. Der Mann starb wenig später an den Verletzungen.

    "Wir sind alle schockiert. Ein geplanter Mord am helllichten Tag, mitten auf der Straße. Niemand hätte das das für möglich gehalten."

    Ebenso unbegreiflich ist der Hintergrund der Tat. Das Opfer, das die Medien Tomasz C. nennen, war ein stadtbekannter Hooligan. Er wurde den Anhängern des Vereins Cracovia zugerechnet. Kenner der Szene gehen davon aus, dass die Täter aus dem anderen Lager stammen - Hooligans, die sich dem Konkurrenzverein Wisla zurechnen. Eine Fehde zwischen Fußballfans also als Grund für die Bluttat. Katarzyna Janiszewska von der Krakauer Zeitung "Gazeta Krakowska" hält seit Jahren Kontakt zur Fanszene der Stadt.

    "Die Rivalität zwischen Anhängern der beiden Vereine gibt es seit Langem. Früher haben sie sich nur geprügelt. Aber die Jüngeren werden immer brutaler. Mit dem Messer zu kämpfen, ist für sie schon etwas ganz Normales. Und seit ein paar Jahren kommt es immer wieder zu Todesfällen. Der geplante Überfall, den wir jetzt hatten, ist noch einmal eine Steigerung."

    Die Eskalation könnte auch darin begründet sein, dass die Hooligans immer stärker wie Mafia-Organisationen funktionieren. Bekannt ist, dass beide Gruppierungen mit Rauschgift handeln und Autos stehlen. Diejenigen, die sich bei Schlägereien besonders brutal zeigen, steigen auf in der Hierarchie ihrer Gruppe.

    Die offizielle Krakauer Fußballwelt will mit dem Treiben der Hooligans nichts zu tun haben. Die Vereine sagen, es handele sich um Pseudo-Fans, die den Fußball nur als Vorwand für ihre Gewalt benutzen. Przemyslaw Urbanski, Sprecher von Cracovia:

    "Die Sicherheitsstandards in unserem Stadion sind auf höchstem Niveau. Unsere Zuschauer werden biometrisch fotografiert, wenn sie eine Eintrittskarte kaufen. Gleichzeitig scannen wir den Personalausweis. Wir wissen also genau, wer unser Stadion betritt und können ungebetene Gäste ausschließen. Gewalt findet anderswo statt, in den Stadtvierteln, aber dafür ist die Polizei verantwortlich."

    Trotzdem werfen die Hooligans ein schlechtes Licht auf Krakau und den polnischen Fußball insgesamt - gerade vor der Europameisterschaft im nächsten Jahr. Die Stadt ist zwar nur als Ersatzspielort vorgesehen, aber einige Länder denken schon darüber nach, in Krakau ihre Mannschaft unterzubringen.

    Solche Sorgen um das Image der Stadt sind für die Bewohner des Stadtteils Kurdwanow zweitrangig. Sie haben eine viel konkretere Angst, nämlich vor einer Antwort auf das Verbrechen in ihrem Viertel, vor der Rache der anderen Fangemeinde. Iwona Blecharz, die Leiterin des Kulturzentrums, fühlt sich in ihrem Heimatviertel nicht mehr sicher:

    "Zur nächsten Polizeiwache sind es von hier 15 Minuten mit dem Auto, das finde ich viel zu weit. Ich hoffe, dass die Polizei jetzt reagiert und hier eine Dienststelle einrichtet - das würde uns ein bisschen beruhigen."