Schmähgesänge aus dem Block der Dortmunder gegen den Hoffenheimer Geldgeber Dietmar Hopp. Um diese Schmähgesänge aus der Kurve aufzunehmen und strafrechtlich verfolgen zu lassen, hat auf Veranlassung Dietmar Hopps die TSG Hoffenheim als Stadionbetreiber ein Richtmikrofon installiert, welches auf den Gästeblock gerichtet werden kann.
Dabei schreibt die DFL in der Bundesliga nur Videoüberwachung vor, die der Polizei zur Nutzung zur Verfügung gestellt werden muss. Nicht vorgeschrieben sind dagegen Mikrofone, die Aufnahmen von Gesängen der Kurve machen. Eine Konstellation, die datenschutzrechtlich relevant ist, wie der zuständige Landesdatenschutzbeauftragte aus Baden-Württemberg, Stefan Brink, erläutert:
"Sobald Stadionbesucher vom Veranstalter gefilmt werden oder Tonaufnahmen gemacht werden, ist das eine Datenschutzfrage. Und von da sind wir interessiert an der ganzen Konstellation. Wir sind natürlich insbesondere interessiert, wenn es darum geht, dass solche Daten dann auch weitergereicht werden. Vom Betreiber zum Beispiel an die Polizei oder Staatsanwaltschaft weitergegeben werden."
Verein hat Audioaufnahmen an Polizei weitergegeben
Die Behörde von Stefan Brink beschäftigt sich mit diesem Fall, weil der Rechtsanwalt von mehreren davon betroffenen Fans eine Datenschutzbeschwerde eingereicht hat.
Denn der Verein hat die Audioaufnahmen der Polizei zur Verfügung gestellt, die diese dann mit den Lippenbewegungen aus den Videoaufzeichnungen verglichen hat. So konnte polizeibekannten Fans nachgewiesen werden, dass sie sich an den Schmähgesängen beteiligt hatten.
Die Existenz des Richtmikrofons wurde dann in den danach folgenden Gerichtsverfahren am Amtsgericht Sinsheim bekannt. Rechtsanwalt Stefan Witte, der in diesem Verfahren mehrere BVB-Fans vertritt, hat daraufhin die Datenschutzbeschwerde initiiert:
"Das war dann Gegenstand, auch eine Abfrage erst an die TSG Hoffenheim, die dafür zuständig ist. Abgefragt wurde, welche Daten sind gespeichert? Was sich natürlich explizit auf Video und Tondateien bezog. Das ist nicht verauskunftet worden. Da ist dann nur gesagt worden, es sind nur personenbezogene Daten. Das ist ja nachweislich unzutreffend. Insofern ist das Ganze dann an die zuständige Aufsichtsbehörde, an den Landesdatenschutzbeauftragten herangetragen worden. Mit der Bitte um Überprüfung."
Insgesamt acht Verfahren in Deutschland
Datenschutzverfahren im Profi-Fußball sind eher selten. Eine Deutschlandfunk-Abfrage in den einzelnen Bundesländern hat ergeben, dass es bisher zu insgesamt acht bestätigten Verfahren gekommen ist.
Die meisten Verfahren haben in Hamburg stattgefunden, und befassten sich alle mit der Videoüberwachung beim FC St. Pauli und dem HSV. Keines davon also mit Audioaufnahmen, die mit den Bewegtbildern aus der Videoüberwachung zusammengeführt worden sind. Stefan Brink als Datenschutzbeauftragter aus Baden-Württemberg hat diese Situation also völlig neu bewerten müssen, und erlaubt das Vorgehen der Hoffenheimer:
"Das ist zwar eine ungewöhnliche Vorgehensweise, aber Hoffenheim hat berechtigtes Interesse, so vorzugehen. Die gegenläufigen schutzwürdigen Belange der Betroffenen, also von Stadionbesuchern und auch von den Tätern, um die es da in dem Kontext ging, sind zwar absolut relevant, überwiegen aber nicht das berechtigte Interesse des Betreibers. Auch nicht einer Weitergabe solcher Daten an die Polizei, und letztlich war daher aus unserer Sicht die Datenverarbeitung nicht zu beanstanden."
Er ergänzt noch, dass, wenn zukünftige Schmähgesänge zu erwarten seien, diese Datenerhebungsmaßnahmen mit Audio und Video weiter durchgeführt werden könne. Datenschutzrechtlich sei das nicht zu beanstanden.
Fan-Anwalt Witte sieht weiteren Klärungsbedarf
Rechtsanwalt Stefan Witte betont das faire Verfahren seitens der Datenschutzbehörde, sieht aber weiter Klärungsbedarf. Denn eine Beleidigung ist ein sogenanntes Strafantragsdelikt. Das bedeutet, dass erst der mutmaßliche Geschädigte Anzeige erstatten muss, damit die Polizei ermitteln kann. Und Witte hält es für fragwürdig, dass Polizei und Verein mit einem Richtmikrofon so viel Aufwand betreiben, um solch eine Straftat festzustellen.
"Wenig einleuchtend ist natürlich auch die Argumentation, dass die Polizei ja gerade auf die Technik eines Richtmikrofons zurückgreifen muss, um Straftaten beweissicher zu dokumentieren. Das ist sicher eine Dimension, die so nicht gerechtfertigt ist. Insbesondere nicht, da ja natürlich das Richtmikrofon nicht auf Veranlassung der Polizei installiert worden sein soll, sondern von der TSG Hoffenheim. Da muss man dann sicherlich auch fragen, welche Art von vorauseilendem Gehorsam bei einem Strafantragsdelikt, und es ist ein absolutes Strafantragsdelikt, hier sachgerecht ist, beziehungsweise muss man sich auch die Frage beantwortet haben, ob da schon jemand im Vorfeld gesagt hat, dass da jetzt alle Ressourcen auf eine Strafverfolgung auf irgendwelche Gesänge zu richten war."
Die Polizei Mannheim verweist auf den Ausgang des Verfahrens, bei dem keinerlei datenschutzrechtlichen Verstöße festgestellt werden konnten, und dass sie in Zukunft weiter auf dieses Verfahren mit Video- und Audioaufzeichnung im Sinsheimer Stadion zurückgreifen wird. Ob dies letztendlich auch vor Gericht Bestand hat, will Rechtsanwalt Witte jetzt vom Verwaltungsgericht Stuttgart endgültig klären lassen.