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Hormonwirksame Stoffe in Lebensmitteln – Neues Nachweisverfahren

Hormonell wirksame Substanzen, sie können als Verunreinigung auch in unsere Lebensmittel gelangen – mit unabsehbaren Folgen für die Gesundheit. Da ist der verbotene Einsatz von Östrogenen als Wachstumsförderer in der Tiermast. Und da gibt es Weichmacher und Emulgatoren, die durch Kunststoffverpackungen oder Pflanzenschutzmittel in die Lebensmittel gelangen und so ähnlich wirken wie Östrogene. Mit einer neuen Untersuchungsmethode können künftig relativ schnell und preiswert selbst geringste Spuren solcher hormonell wirksamen Substanzen in Lebensmitteln nachgewiesen werden. Die bislang sehr aufwendige Suche nach belasteten Proben gehört damit der Vergangenheit an. Entwickelt wurde das System im Lebensmittelinstitut Braunschweig.

von: Michael Engel |
    Hormonell wirksame Substanzen, sie können als Verunreinigung auch in unsere Lebensmittel gelangen – mit unabsehbaren Folgen für die Gesundheit. Da ist der verbotene Einsatz von Östrogenen als Wachstumsförderer in der Tiermast. Und da gibt es Weichmacher und Emulgatoren, die durch Kunststoffverpackungen oder Pflanzenschutzmittel in die Lebensmittel gelangen und so ähnlich wirken wie Östrogene. Mit einer neuen Untersuchungsmethode können künftig relativ schnell und preiswert selbst geringste Spuren solcher hormonell wirksamen Substanzen in Lebensmitteln nachgewiesen werden. Die bislang sehr aufwendige Suche nach belasteten Proben gehört damit der Vergangenheit an. Entwickelt wurde das System im Lebensmittelinstitut Braunschweig.

    Es „rauscht“ im „Zellkulturlabor“ des Lebensmittelinsituts Braunschweig. Die starke Ventilation ist notwendig, damit keine fremden Keime die Zellkulturen verunreinigen, erklärt Dr. Gabriele Böhmler. Die Tierärztin entwickelte ein analytisches Verfahren, um hormonell wirkende Substanzen möglichst einfach nachweisen zu können.

    Es handelt sich hierbei um ein biologisches Testsystem. Und biologisches Testsystem bedeutet, dass wir lebende Zellen nutzen, um bestimmte Wirkungen zum Beispiel Chemikalien nachzuweisen. Und es handelt sich hierbei um humane Brustkrebszellen, und diese Brustkrebszellen besitzen einen Östrogenrezeptor. Diese Brustkrebszellen reagieren also auf Stoffe, entweder auf Östrogen, also weibliche Geschlechtshormone oder Stoffe, die reagieren wie weibliche Geschlechtshormone. Und diese Brustkrebszellen vermehren sich verstärkt, wenn sie in Kontakt kommen mit Östrogen oder mit Substanzen, die wirken wie Östrogen.

    Man nehme: 10.000 Brustkrebszellen und gebe sie in ein Reaktionsgefäß hinein. Dann folgt die Testflüssigkeit. Sind hormonell wirkende Substanzen enthalten, vermehren sich die Zellen – abhängig von der Hormonkonzentration – um das Vier- bis Fünffache. Ein Farbstoff, der die Zellen am Ende rötlich einfärbt, zeigt an, wie viel von den Hormonen in der Probe enthalten war. Das Verfahren ist extrem empfindlich – die untere Nachweisgrenze liegt bei einem tausendmillionstel Gramm.

    Bei diesen biologischen Testsystemen, die meiner Meinung nach in Zukunft eine immer größere Rolle spielen werden, ist es so, dass man die Zellen nutzt und eine Wirkung nachweist. Das ist also wirkungsbezogene Analytik. Und das ist auch eine Art Screening-Methode. Man kann nicht dezidiert sagen, der und der Stoff ist in der Probe enthalten. Man kann nur sagen, es ist eine östrogene Wirksamkeit da. Und wenn eine östrogene Wirksamkeit vorhanden ist, dann kann man immer noch in die instrumentelle Analytik gehen und schauen, welche Stoffe sind’s denn ganz genau.

    In einer ersten Testreihe sollen jetzt Mineralwässer auf hormonell wirksame Substanzen analysiert werden. Eine Verunreinigung könnte durch den PVC-Schraubverschluss erfolgt sein, sagt die Wissenschaftlerin. PVC enthält sogenannte „Weichmacher“ und die wiederum sind in ihrer Struktur den Hormonen sehr ähnlich:

    ... und wir sind auf das Wasser gekommen, weil die Verbraucherinnen und Verbraucher jeden Tag große Menge an Wasser zu sich nehmen müssen, und weil bekannt ist, dass durchaus Stoffe enthalten sein können – möglicherweise – die eine östrogene Wirksamkeit haben. Bisphenol A oder Nonylphenol zum Beispiel. Und da wollen wir in Zukunft schauen, ob wir da das was finden.

    Bei Nahrungsmitteln ist die Analyse ungleich schwieriger, weil mit Lösungsmitteln gearbeitet werden muss, die ihrerseits die empfindlichen Brustkrebszellen beim Wachstum stören können. Wurst, Fleisch und Milch – hier wird das neu entwickelte Verfahren keine Rolle spielen, weil diese Produkte allesamt auch natürliche Hormone enthalten. Das heißt: der Bio-Test würde immer positiv ausfallen, ohne aber zu wissen, um welche Hormone es sich dabei handelt. Anders ist die Situation bei Obst und Gemüse.

    Wir wollen mal schauen, ob ein Unterschied besteht a bei Äpfeln aus konventionellen und ökologischen Anbau, ob wir da einen Unterschied finden hinsichtlich eingesetzter Pestizide. Das wird sehr spannend werden.

    Zeigt das biologische Testverfahren durch eine ausgeprägte Rotfärbung an, dass hormonell wirkende Substanzen die Früchte kontaminiert haben, wäre dies ein Indiz zum Beispiel für eingesetzte Pflanzenschutzmittel. Diese enthalten nämlich Emulgatoren. Biochemisches Merkmal: strukturelle Ähnlichkeit mit dem weiblichen Hormon Östradiol.