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"Horst 2.0" wirbt um Wählergunst

Vielleicht wird es die größte Geburtstagsparty von Horst Seehofer. Denn der bayerische Ministerpräsident hat über Facebook in eine bekannte Münchner Disco eingeladen - öffentlich. Fraglich ist, ob die Gäste die Wahlklientel sind, die sich Seehofer erwünscht.

Von Michael Watzke |
    Bisher begannen Partys mit Horst Seehofer meistens mit dem Defiliermarsch.

    Bei solch schmissigen Klängen geht dem klassischen CSU-Wähler das Herz auf. Die meisten Piratenwähler allerdings springen wohl verzweifelt von Bord, wenn sie den bayerischen Defiliermarsch hören. Die Seeräuber der Datenmeere saugen eher solche Klänge aus dem Internet:

    "Was können wir tun", so fragten sich die Parteistrategen der CSU, "damit Horst Seehofer auch in Piratenkreisen attraktiv wird?" Die Antwort: Wir verwandeln die sozialen Netzwerke in christsoziale Netzwerke. Kathrin Albsteiger, die Chefin der Jungen Union Bayern, verkündet in einem Youtube-Video das Ergebnis:

    "Hallo liebe Facebook-Freunde. Ich bin gerade bei der CSU-Parteivorstands-Klausur und hatte ein kurzes Gespräch mit unserem Parteivorsitzenden. Der plant nämlich eine große, große Facebook-Party im P1 in München. Ich hoffe, Ihr kommt alle vorbei, denn ich werde auf jeden Fall dabei sein."

    Möglicherweise kommen mehr vorbei, als der CSU lieb sind. Denn die Partei hat ihre Einladung auf der Horst-Seehofer-Unterstützerseite vollkommen öffentlich gestellt. Damit hat die bayerische Staatspartei eine elementare Regel gebrochen, die der Internetexperte der Münchner Polizei, Kriminalhauptkommissar Arno Helfrich, jedem Internetnutzer dringend ans Herz legt:

    "Also die Tatsache, dass man in Facebook zu einer Party einlädt, kann dazu führen - wenn man sich nicht genau auskennt - dass das wirklich jeder lesen kann. Wenn ich das eben nicht beschränke auf Bekannte oder sogenannte Freunde, sondern dass das jeder liest. Und dann kann es passieren, dass jeder kommt!"

    Eine Veranstaltung, zu der jeder kommt - davon träumen wahlkämpfende Politiker. Auch Horst Seehofer.

    "Ich bin nur solche Veranstaltungen gewohnt. Masse Besucher, gute Laune. Freude. Und die Kraft, Frotzeleien zu ertragen."

    Was Horst Seehofer Frotzeleien nennt, hat im Internet andere Namen: Shitstorm zum Beispiel. Oder Flashmob. Schon kursieren in den subversiven Tiefen des World Wide Web geheime Pläne, seine Facebook-Party zu einem großen Massenhappening zu machen. Die Internetkompetenz der Christsozialen scheint tatsächlich noch ausbaufähig zu sein. Schließlich kann sich jeder, der auf die Horst-Seehofer-Seite geht, mit einem einfachen Klick zur Party anmelden. Bisher sind rund 6500 Menschen eingeladen. Und es werden minütlich mehr. Arno Helfrich von der Münchner Polizei schildert das warnende Beispiel einer Facebook-Party in Hamburg, die vollkommen aus dem Ruder lief:

    "Da ging es um mehrere 1000 Leute, die sich da versammelt haben, und dann kam es zum Polizeieinsatz, und dann sind die Eltern des verantwortlichen Jugendlichen auch finanziell zur Kasse gebeten worden, da ging es um 150.000 Euro. Wenn ich heute in Facebook bin und sage "Ich mach eine Party", kann es eben sein, dass sich da viele eingeladen fühlen, selbst wenn ich das gar nicht möchte. Aber die kommen dann trotzdem."

    Zum Beispiel der "Dreckige Harald" - der hat sich auf Facebook zu Horst Seehofers Party eingeladen. Ebenso "Furienkardinal Ratzlinger" und "Randale-Herbert" - und das sind nur drei von bisher 1800 Gästen, die fest zugesagt haben. Dabei hat die ausgesuchte Partylocation, die Münchner Schickimickidisco P1, nur 600 Plätze im Hauptklub - plus den VIP-Bereich, das sogenannte "Stüberl". Dahin könnte sich Horst Seehofer theoretisch zurückziehen, wenn es zu voll wird. Aber das wäre ja kontraproduktiv, sagt CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, denn:

    "Horst Seehofer will seine Unterstützer kennenlernen, er ist der erste Spitzenpolitiker in Deutschland, der diesen Weg geht und all seine Unterstützer einlädt. Von daher kann man gespannt sein, es wird ein Spitzenabend!"
    Ein Spitzenabend, den die CSU obendrein mit einem Freigetränk für jeden Gast versüßen will. "Liquid democracy" auf Bayrisch sozusagen. Der Münchner Kriminalhauptkommissar Arno Helfrich warnt schon mal vor den Folgen:

    "Denn es kann mir passieren, wenn dann Schäden auflaufen, wenn dann Polizeieinsätze kommen, dass ich als Verantwortlicher finanziell herangezogen werde. Und das sind leicht sechsstellige Beträge."

    Sechsstellige Beträge! Am Ende muss die CSU vielleicht noch das Betreuungsgeld kürzen! Dabei will Horst Seehofer doch nur ganz unschuldig mit seinen Freunden feiern. Wer konnte ahnen, dass der 62jährige so viele davon hat?

    "Fast die Hälfte der über 60-Jährigen übersehen nicht die Tragweite, die das WWW besitzt. Gerade die älteren Menschen haben mit dem Wort "Freunde" noch ganz andere Verbindungen, als es junge Menschen haben."

    Das gilt besonders für die älteren Herrschaften in der CSU. Dort hießen Freunde vor noch nicht allzu langer Zeit "Amigos". Neuerdings heißen sie "Facebook Friends".