Fröhlich geht es zu unter den Lebenden, hier auf dem Hügel im Elbtal. Ausflugsbetrieb in der örtlichen Gaststätte, serviert werden Zucchini-Plätzchen. Aus dem Fenster geht der Blick hinüber auf die andere Seite der Senke, auf die Seite der Kranken und Toten. Auf Schritt und Tritt lässt sich hier die barocke Symbolik erleben, aufgereiht entlang einer langen Achse.
"Vom Schloss aus, dem Symbol der Vergnügungen und des Wohllebens, ging es hinüber zum Hospital als Zeichen für Alter und Siechtum. Noch weiter dahinter wird das Areal von einem Friedhof abgeschlossen."
Libor Svec ist heute der Herr von Kuks, diesem barocken Wunderwerk an der böhmischen Elbe. Er geht auf die 40 zu, als Kastallan des Denkmalschutz-Amtes hütet er heute die Anlage – und ist damit so etwas wie der neuzeitliche Statthalter des Schöpfers dieser Anlage. Graf Franz Anton von Sporck war es, der sich im 17. Jahrhundert zu einem Sozialexperiment entschied.
Sozialexperiment des Grafen von Sporck
Auf einer seiner Liegenschaften im idyllischen Elbtal richtete er das Hospital ein, gedacht für alte Soldaten, die hier zum Ende ihres Lebens gepflegt wurden. Dazu ein Kloster, dazu die zweitgrößte Barockapotheke im heutigen Tschechien, dazu einen Heilkräutergarten gewaltigen Ausmaßes – und das alles überreich verziert mit den Statuen von Matthias Braun, der oft als böhmischer Michelangelo tituliert wird. Sein Hauptwerk, monumentale Statuen der Tugenden und der Laster, sind heute im einstigen Krankensaal aufgebaut; gerettet vor der Witterung.
"Das erste Mal kam ich im Herbst hier an. Es war Oktober, November, das Wetter war schmuddelig grau, und da steht auf einmal Kuks mit seinen barocken Figuren, im Hintergrund die Gräber - es war leicht bedrückend, aber ich bin zum Glück immun gegen Depressionen oder starke Emotionen."
Kastellan Libor Svec steht hinter dem jüngsten Wunder von Kuks, dieser märchenhaft-melancholischen Barockanlage: Für mehr als 16 Millionen Euro aus europäischen Fördermitteln renovierte er den gewaltigen Komplex, der in der kommunistischen Zeit arg leiden musste. In zwei Jahren schafften die Denkmalschützer die gewaltige Aufgabe, für die sie in diesem Jahr mit dem Europa-Nostra-Preis gewürdigt wurden, dem höchsten europäischen Denkmalschutz-Preis. Zum ersten Mal in der Geschichte ging er nach Tschechien.
"Als ich die Anlage vor 15 Jahren übernommen habe, mussten wir erst mal stückweise renovieren; für mehr gab es kein Geld. Teile der Fassade waren schon fertig, es gab neue Toiletten, eine neue Ausstellung – das waren aber nur einzelne Mosaiksteine, nichts konzeptionell Zusammenhängendes. Es gab keine Vision, wie sich so ein Haus sinnvoll im 21. Jahrhundert nutzen lässt, wo es ja sicher keine soziale Anstalt mehr wird wie zur Entstehungszeit."
Alte Anlage mit neuem Leben gefüllt
Aus dem hoffnungslosen Fall ist ein Musterbeispiel geworden, an dem sich viele andere Denkmalschutzprojekte in ganz Tschechien orientieren. In Kuks ist es gelungen, die alte Anlage mit neuem Leben zu füllen: Heute nutzt die pharmazeutische Fakultät einer Universität die alte Barockapotheke und einen Übernachtungsflügel, es gibt Konzerte, Sportveranstaltungen, Festivals. Die Interessenten, sagt Kastellan Libor Svec, rennen ihm die Türe ein: Von 40.000 Besuchern pro Jahr vor der Renovierung schnellte die Zahl auf 140.000 hinauf; eine echte Erfolgsgeschichte.
Draußen im Garten haben die Arbeiten begonnen, die Anlage winterfest zu machen. Pflanzen müssen in die Orangerie, andere brauchen einen Schnitt. Viel Arbeit für Gärtner Jiri Perner in Kuks, einer von fünf, und zuständig dafür, dass auch im Garten die barocke Idee wieder sichtbar wird.
"Heute haben wir den Nutzgarten in 12 Quadrate eingeteilt, ganz so, wie es ursprünglich einmal war: Die Quadrate im Eck sind für die Zucht von Gemüse, Ziergewächsen und Küchenkräutern vorgesehen, in den Quadraten dazwischen wachsen Heilkräuter."
Salben und Tinkturen entstehen hier aus den Kräutern, andere werden getrocknet und verkauft – es ist eine Rückkehr zu den Wurzeln. Und für Gärtner Jiri Perner ein Traumjob:
"Davor war ich mehr als 23 Jahre in einem Botanischen Garten, jetzt bin ich seit drei Jahren hier; seit wir den Garten neu angelegt haben. Es ist großartig: Dieser Park gehört so hier hin, der Beruf ist zu meinem Hobby geworden."
Überwuchertes Bibel-Kabinett im Wald
Zum Happy End fehlt der Anlage von Kuks indes noch ein letzter, wichtiger Schritt. Wer vom Hospital aus durch die ausgedehnten Wälder spaziert, entdeckt dort ein unwirkliches Bibel-Kabinett: In die Sandsteine, die aus dem Waldboden aufragen, hat Barock-Bildhauer Matthias Braun filigrane Figuren geschlagen, die sich zwischen den Birkenstämmen seit drei Jahrhunderten erheben: Johannes der Täufer, der Heilige Anton und auf einem Felsvorsprung gar ganze biblische Szenen.
Verwittert sind sie inzwischen, überwuchert von Moos und Flechten; einige Figuren sind ganz verschwunden, anderen fehlen Gliedmaße. Hier will Kastallan Libor Svec jetzt die nächste Rettungsaktion starten – im Kampf gegen die Uhr, sagt er und lacht, habe er ja inzwischen seine Erfahrung.