Von Stadt zu Stadt reisen, nach dem Konzert Essen gehen, kaputtes Equipment ersetzen: Für junge Musiker und neue Bands, die noch keine großen Hallen mit Zuschauern füllen, kann eine Tour oft teuer werden. Das weiß auch Marcus Neu, der mit seiner Frau Caroline in Köln wohnt. Er ist Musiker und zurzeit Booker und Produktionsmanager im Club "Die Kantine" in Köln - "Mädchen für alles" wird er dort genannt. Er hat sein Haus in ein - Achtung - "Band and Breakfast" umgewandelt, eine günstige und passend ausgestattete Unterkunft für Bands also, die in Deutschland auf Tour sind. Auch Nicht-Musiker sind natürlich willkommen.
Musiker sind keine "normalen Menschen"
Dass Musiker keine "normalen" Menschen sind, weiß Marcus Neu schon lange. Er weiß, wie sie ticken und was sie brauchen, findet Ben Granfelt. Ben ist Sänger und Gitarrist aus Finnland. Er spielte bei den Leningrad Cowboys und Wishbone Ash. Heute Abend wird er als Solomusiker auf der Bühne stehen. Granfelt checkt im "Band and Breakfast" von Marcus Neu ein, einem bunten Einfamilienhaus in Köln-Junkersdorf.
Marcus Neu empfängt in seiner Unterkunft seit 2009 Bands und Musiker, die in Köln Halt machen. Er ist Jahrgang 1949, trägt knallrote Haare, viele silberne Ohrringe und hat eine lockere Art - ein echter Musiker eben.
Das ist mein eigenes Haus hier, wo ich früher mit der ganzen Familie gewohnt habe, und Schwägerin, die Tochter der Schwägerin, meine Söhne, die sind alle irgendwann im Laufe der Zeit älter geworden, ausgezogen, studieren hier und da und was weiß ich. Und dann habe ich gedacht: Was machst du mit dem leeren Raum? Da tun wir jetzt die Musiker rein! Für die Bands ist das natürlich sehr komfortabel, die müssen hier nichts bezahlen und ich muss nichts für sie bezahlen. Und deswegen kann ich gute Nachwuchsarbeit machen - und das funktioniert auch ganz gut.
Schnäppchenpreise für Newcomer
Das stimmt natürlich nicht ganz, denn kostenlos ist die Unterkunft nicht. Aber die 20 Euro pro Nacht sind im Vergleich zu den Kölner Hotelpreisen ein Schnäppchen. Gerade Newcomer mit knappem Budget und internationale Gäste freuen sich, bei Marcus Neu unterzukommen. Bands aus der ganzen Welt waren schon im "Band and Breakfast":
"The Brew kennen einige Leute inzwischen, die sind sehr lange schon da, mit denen hat das alles mal angefangen. Jetzt heute hast du eben Ben Granfelt mitgekriegt, der bei den Leningrad Cowboys war. Der Bruder von Jimi Hendrix hat mal hier geschlafen, den keiner kennt. Der es auch versucht hat, aber nicht so erfolgreich ist."
Neu hatte Bands und Musiker aus England, Kanada, den USA und vielen anderen Ländern zu Gast. Er hat Kontakte in der ganzen Welt und hört viele persönliche Geschichten aus der Musikszene. Wie von Leon Hendrix über dessen weltberühmten Bruder: "Ich habe ihn gefragt, was seine ältesten Erinnerungen mit ihm sind. Und dann sagte er: Fernsehen gucken, Popcorn essen, so in dieser Richtung war das. Aber die haben nie zusammen Musik gemacht."
Camper, der Hund, den Marcus Neu und seine Frau Caroline von einem Campingplatz gerettet haben, begleitet uns mit in den Probenraum.
"Es ist klein, aber es ist alles da, was man braucht."
Das schummrige Licht des Kellers lässt den mit Instrumenten voll bepackten Raum noch kleiner wirken. Das große Schlagzeug nimmt den meisten Platz ein, Verstärker stapeln sich fast bis zur tiefen Kellerdecke, Kabel hängen an den Regalen und mehrere Gitarren stehen an der Wand. Hier können Neus Gäste kurz vor ihren Konzerten noch proben oder den Raum sogar für mehrere Tage mieten. Marcus Neu setzt sich an das E-Piano: "Ein ganz alter CP80-Flügel."
Hier probt er wöchentlich mit seiner aktuellen Band All About.
"Ich spiele jetzt in einer Band, im Grunde eine Hobbyband, mit der man halt mit alten Musikern zusammenspielt. Man hat Spaß am Spielen, das hört nie auf. All About tritt regelmäßig in Köln und Umgebung auf und hat gerade ein neues Album veröffentlicht."
Aus Gästen werden Freunde
Von seinen Gästen lernt Marcus Neu immer noch neue Tricks an den Instrumenten, zum Beispiel auf dem Banjo. Denn er gibt ihnen nicht nur eine Unterkunft, sondern macht auch immer gern gemeinsam Musik.
"Also das ist für mich das Schönste. Und jede Band kommt meistens dann auch wieder, im nächsten Jahr und im nächsten Jahr und im nächsten Jahr, so entstehen dann Freundschaften."
Ben Granfelt: "Es ist sehr gemütlich, sehr schön. Ich liebe Katzen und sie haben eine, die herkommt und in meinem Bett schläft. Und es ist praktisch. Ich mag es, weil es nicht mitten im Zentrum ist. Ich will entspannen, wenn ich in meinem Zimmer bin, und so viel schlafen wie möglich - es ruhig angehen."
Musikern wie Ben Granfelt gefallen die ruhige Atmosphäre und das tolle Ambiente. Sie sehen, dass Marcus Neu viel Arbeit und künstlerisches Talent in die Renovierung des Hauses gesteckt hat. Der untere Rand der Küchenzeile ist mit kleinen bunten Steinen verziert, die alle selber gesammelt und dann einzeln festgemacht wurden. In den Fuß eines Regals sind Muster geschnitzt und sehr detailreiche afrikanische Motive gezeichnet. Das Treppenhaus ist komplett mit Graffitis übersprüht.
"Und dann haben wir die Zimmer im Laufe der Zeit immer schöner renoviert. Also, viele lieben das hier auch, weil es so ein bisschen nach Hundertwasser aussieht."
Und natürlich stehen in fast jedem Zimmer Gitarren, Banjos oder andere Instrumente für die Musiker bereit. Ben Granfelt geht die Gitarren eine nach der anderen durch. "Ich habe gerade gespielt, habe jede Gitarre hier ausprobiert und auch meine eigene. Das mache ich eben, Gitarre spielen."
Marcus Neu: "Meine Söhne, als sie älter waren, haben dann auch eine eigene Band gehabt, die haben dann auch unten geprobt. Dann haben wieder Freunde und Freundinnen, Bands und so dann auch da unten geprobt. Also, es war schon immer ein Musikerhaus."
Und das soll es auch bleiben, findet Marcus Neu. Sein "Band and Breakfast" ist ein Kleinod, ein Refugium für ihn und andere Musikbegeisterte aus aller Welt: "Das Ziel ist, das Leben genießen und die anderen Leute mit genießen lassen, die dann hier vorbeilaufen - und keinem Stress machen."