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Hotspot-Studie Bad Feilnbach
RKI: 40 Prozent der positiv Getesteten haben keine Antikörper

Das bayerische Bad Feilnbach war im Frühjahr Corona-Hotspot. Einer Studie des Robert Koch-Instituts zufolge sind bei 40 Prozent der Infizierten keine Antikörper mehr nachweisbar. Ob man daraus eine geringe Immunitätsdauer ableiten könne, sei ungewiss, sagte Projektleiterin Claudia Santos-Hövener im Dlf.

Claudia Santos-Hövener im Gespräch mit Lennart Pyritz |
Eine Wissenschaftlerin hält eine durchsichtige ELISA-Testplatte mit zahlreichen Vertiefungen gegen das Licht. In einigen der Vertiefungen hat sich die darin enthaltenen Flüssigkeit in unterschiedlicher Stärke blau verfärbt.
Mit dem sogenannten ELISA-Verfahren lassen sich Antikörper nachweisen. (dpa /picture alliance /Ole Spata)
Corona-Hotspot – so wurden und werden Orte bezeichnet, an denen es besonders viele Infektionen mit SARS-CoV-2 gibt, nach einem Kirchenkonzert, durch Reiserückkehrer, Familienfeiern oder Ausbrüche in Unternehmen. Vier solcher besonders betroffener Kommunen untersucht das RKI in seiner Studie "Corona-Monitoring lokal". Das Ziel ist herauszufinden, wie viele Menschen Antikörper gegen das neue Coronavirus gebildet haben – also tatsächlich infiziert waren -, wie oft COVID-19 schwer oder ohne Symptome verläuft und wer besonders betroffen ist.
Immunität gegen SARS-CoV-2 - Wie lange bleiben Infizierte geschützt?
Ob Corona-Genesene Monate, Jahre oder nur Wochen vor einer erneuten Ansteckung geschützt sind, ist noch unklar. Trotzdem lassen sich schon Konsequenzen aus den bisherigen Erkenntnissen ziehen.
Am Dienstag (25.08.20) wurden die Ergebnisse der zweiten Studienstation in Bad Feilnbach bei Rosenheim vorgestellt. Gesundheitswissenschaftlerin und RKI-Projektleiterin Claudia Santos-Hövener erläutert die Bedeutung der neuen Ergebnisse.
Lennart Pyritz: Warum wurde Bad Feilnbach zum Corona-Hotspot – und damit zum Studienort für das RKI?
Claudia Santos-Hövener: Der Bürgermeister hat uns schon bei unserem ersten Treffen mitgeteilt, dass es wahrscheinlich Ski-Rückkehrer aus Ischgl und aus anderen Skiregionen waren, die das Virus sozusagen mit in die Region gebracht haben. Und dann ist die Frage, welche anderen Veranstaltungen hierzu vielleicht beigetragen haben. Und da erhofft sich tatsächlich auch die Gemeinde ein bisschen Aufklärungsarbeit von Seiten des Robert-Koch-Instituts und der Studie, dass wir das ein bisschen besser beleuchten können.
Pyritz: Sie haben sich ja mehrere Orte herausgesucht, in denen es eben eine besondere Infektionsdynamik gab, zum Beispiel eben durch Urlaubsrückkehrer oder durch besondere Großveranstaltungen, und sind dort vergleichbar vorgegangen. Vor gut zehn Tagen haben Sie hier die Ergebnisse aus Kupferzell vorgestellt. Um trotzdem noch mal ein vollständiges Bild zu geben, wie läuft diese Studie ab, wie ist sie jetzt auch in Bad Feilnbach abgelaufen?
Santos-Hövener: Wir haben in Bad Feilnbach und Kupferzell etwas über 2.000 Personen über 18 Jahre untersucht und befragt. Wir sind dazu mit Untersuchungsbussen angereist und haben die Menschen einmal befragt, sie haben einen Kurzfragebogen ausgefüllt und noch eine Nachbefragung online gemacht. Und untersuchungsmäßig wurde zum einen Blut abgenommen, um Antikörper gegen SARS-CoV-2 bestimmen zu können, und ein Rachenabstrich gemacht, um akute Infektionen bestimmen zu können. Die Proben werden dann täglich aufbereitet und an das Labor des RKI geschickt, wo die Analysen zeitnah durchgeführt werden. Alle positiven Antikörpertests werden dann im Konsiliarlabor für Coronaviren von Herrn Drosten an der Charité Berlin noch mal getestet und bestätigt.
Antikörperstudie in Kupferzell - RKI: "Symptombezogenes Testen ist sehr vielversprechend"
Eine RKI-Studie kommt zum Ergebnis, dass über 80 Prozent der an Corona erkrankten Menschen im ehemaligen Hotspot Kupferzell mindestens ein Symptom hatten. Diese Erkenntnis könne sich über Kupferzell hinaus übertragen lassen, so Projektleiterin Santos Hövener.
Pyritz: Eine zentrale Frage Ihrer Studie ist oder war ja, wie viele Menschen haben sich in Bad Feilnbach mit SARS-CoV-2 infiziert. Welche Zahl haben Sie da ermittelt?
Santos-Hövener: Sechs Prozent der Bevölkerung ab 18 haben nachweisliche Antikörper beziehungsweise wir können das hochrechnen, haben die Infektion vermutlich durchgemacht. Und es gab keinerlei akute Infektionen im Studienzeitraum.
Pyritz: Wie hoch war die Dunkelziffer, also, wie viele Fälle wurden tatsächlich erst durch Ihre Studie, durch Ihre Antikörpernachweise bekannt?
Santos-Hövener: Wir konnten durch die Studie 2,6-fach mehr Fälle identifizieren, als vorher schon gemeldet wurden. Dementsprechend lag sie etwas geringer als jetzt in Kupferzell.
Pyritz: Da waren es 3,9, wenn ich mich richtig erinnere.
Santos-Hövener: Richtig.
Pyritz: Auf den Vergleich wollen wir später noch mal kommen. Wenn wir jetzt in Bad Feilnbach bleiben, diese Dunkelziffer deutet ja darauf hin, dass eine ganze Reihe von Menschen sich offenbar nicht so krank gefühlt hat, um zum Arzt zu gehen und sich testen zu lassen beziehungsweise akute Infektionen wurden bei Ihnen eben nicht bestätigt. Wie viele der Infizierten haben denn angegeben, dass sie eigentlich symptomlos waren und wie viele hatten auf der anderen Seite dann doch einen schweren oder lebensbedrohlichen Verlauf?
Santos-Hövener: Also, 85 Prozent der Personen, die einen positiven Antikörpernachweis hatten, hatten Symptome, also mindestens ein Symptom. In Bezug auf die Schwere der Verläufe und auch Hospitalisierung und so weiter werden wir jetzt in den kommenden Wochen Auswertungen durchführen, das haben wir bisher noch nicht ausgewertet. Wir haben jetzt erst nur die Eckdaten hier vorgestellt.
Forschungsergebnisse müssten noch mal validiert werden
Pyritz: Auf der anderen Seite wurden ja bei knapp 40 Prozent der Einwohner, die zuvor positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden waren – also vor Beginn Ihrer Studie –, jetzt keine Antikörper mehr gefunden, das klingt ja nach viel. Lässt das Rückschlüsse auf die Dauer der Immunität zu? Gerade heute sorgt ja dieser Fall eines Mannes aus Hongkong für Aufsehen, der sich offenbar zweimal mit SARS-CoV-2 infiziert hat.
Santos-Hövener: Ich denke, das ist eine sehr wichtige Information ist, dass wirklich bei 40 Prozent der Personen, die schon eine Infektion durchgemacht haben, keine Antikörper mehr nachweisbar waren, weil wir das natürlich berücksichtigen müssen, wenn wir hochrechnen wollen, wie viele Personen wirklich schon die Infektion durchgemacht haben. Es ist aber so, dass wir wirklich natürlich, das basiert auf 42 Personen und Selbstangaben, das müssen wir sicherlich noch mal validieren. In Bezug auf die Immunität, das Immunsystem ist sehr komplex. Und ein Nichtvorhandensein von Antikörpern bedeutet nicht gleichzeitig, dass keine Immunität vorherrscht. Ich denke, da ist es wichtig, wirklich – und das machen die Kolleginnen im Labor –, natürlich hier weiter Forschung zu treiben, um das besser verstehen zu können.
Pyritz: Konnten Sie in Ihrer Studie Altersgruppen oder generell Bevölkerungsgruppen identifizieren, die besonders häufig oder häufiger als andere erkrankt sind?
Santos-Hövener: Ja, hier war es so, keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen, aber in Bad Feilnbach war es so, dass in der jüngsten Altersgruppe, also zwischen 18 und 34, der höchste Anteil von positiven Antikörpern zu entdecken war.
Pyritz: Gibt es da schon einen Erklärungsansatz, warum das so war oder ist in Bad Feilnbach?
Santos-Hövener: Nein, das müssen wir uns wirklich anschauen, ob die vielleicht zu den Ski-Rückkehrern gehören, häufiger verreist sind, das wäre natürlich möglich. Das müssten wir uns das werden wir uns im Detail noch anschauen, um das besser einordnen zu können.
"Symptombezogenes Testen kann eine sinnvolle Strategie sein"
Pyritz: Wir haben jetzt schon erwähnt, Bad Feilnbach war die zweite Station dieses Projekts. Davor waren Sie in der Stadt Kupferzell. Was für Gemeinsamkeiten oder auch Unterschiede können Sie jetzt aus diesen beiden Studienteilen erkennen?
Santos-Hövener: Wir sehen zum einen, dass der Anteil der Menschen mit Antikörpernachweis etwas geringer ist in Bad Feilnbach mit sechs Prozent im Gegensatz zu 7,7 Prozent und auch die Dunkelziffer in Bad Feilnbach geringer ist. Das kann daran liegen, dass mehr Personen verstorben sind in Bad Feilnbach, 16 im Gegensatz zu drei in Kupferzell, das kann aber auch natürlich daran liegen, dass wir in Bad Feilnbach etwas später geprobt haben. Da kann es natürlich sein, dass auch schon vermehrt auch Antikörper teilweise zurückgegangen sind und nicht mehr messbar waren. Was wir an beiden Studienorten sehen, ist, dass wirklich viele Fälle, 85 Prozent, Symptome hatten. Und das hatten wir eben schon gesagt, das ist wirklich wichtig, weil das dafür spricht, dass symptombezogenes Testen eine sinnvolle Strategie sein kann. Und ansonsten ist es natürlich so, dass die Infektionsgeschehen vor Ort sehr unterschiedlich waren, und wir jetzt durch weitere Auswertungen auch noch mal zu Sozialstatus, sozialer Gruppe, Risikofaktoren, das sicherlich noch mal besser herausarbeiten können, was da für Unterschiede und für Gemeinsamkeiten waren.
Pyritz: Inwieweit lassen sich diese Ergebnisse auf die Gesamtsituation in Deutschland übertragen?
Santos-Hövener: Was sich sicherlich übertragen lässt, ist der Befund, dass viele Menschen Symptome haben, dass das wichtig ist und dass wir deswegen mit einer Teststrategie, die auch symptombezogen ist, ganz gut fahren. Und sicherlich auch der Befund, dass die Antikörper abfallen nach einer gewissen Zeit. Alles andere, die Prävalenz an sich oder die Dunkelziffer sind wirklich sehr, sehr individuell auf die jeweiligen Gemeinden bezogen und können wir nicht übertragen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.