Es ist ein unwirtliches, verkehrsumtostes Stück Berlin. Auf der einen Seite graue DDR-Plattenbauten, auf der anderen die ebenfalls grauen Hotelgebäude aus den 90ern, sie wirken nicht einladender. Kerstin Krupp, Sprecherin der Stiftung "House of One" breitet die Arme weit aus.
"Wir sind hier auf dem Petriplatz, sozusagen auf dem Ur-Ort Berlins, auf dem die erste Kirche Berlins stand, und auf dem im nächsten Jahr das House of One entstehen wird."
"Unser Projekt ist einzigartig"
Bis in die 60er-Jahre des letzten Jahrhunderts stand hier die im Zweiten Weltkrieg beschädigte Petrikirche, wie viele andere Sakralgebäude wurde auch sie von der SED-Führung dem Erdboden gleich gemacht. Ein historischer Ort also, auf dem aber etwas ganz Neues entsteht, erzählt Gregor Hohberg, evangelischer Pfarrer und Vertreter des Christentums im Präsidium der Stiftung.
"Unser Projekt unterscheidet sich in vielen Punkten von denen, die wir kennen und ist insofern einzigartig, weil hier von Beginn an Vertreter von drei Religionen ein Gebäude gemeinsam konzipieren, planen, bis ins Detail, und dann später auch gemeinsam bespielen wollen."
"Wir haben den Dialog gelebt"
Der Pfarrer Gregor Hohberg, der Rabbiner Andreas Nachama, der Imam Kadir Sanci – es sind drei Geistliche, deren Vertrauen zueinander in den Jahren gewachsen ist, die sich Freunde nennen und somit eine stabile Basis bilden für ein nicht bei allen beliebtes interreligiöses Projekt.
"Dieses Projekt ist einfach authentisch in dem Sinne, dass wir von Anfang bis heute, also seit ungefähr neun Jahren, immer konsequent und durchdacht unsere Schritte gegangen sind. Also wir haben nicht den Dialog gespielt, sondern wir haben den Dialog gelebt, das macht es für mich aus."
Sagt der Vertreter des Islam in der Stiftung, der sunnitische Imam Kadir Sanci. "Den Dialog gelebt" – das beginnt mit einer gemeinsamen Charta und endet noch nicht mit der Frage, wer eine eigene Küche im House of One bekommt. Die Antwort: Christen und Muslime erhalten eine gemeinsame Küche und arrangieren sich, das Judentum bekommt eine eigene Küche, weil dort Milch und Fleisch separat verarbeitet werden müssen.
Das House of One soll möglichst viele ansprechen
Die drei Sakralräume hat nicht jede Religion für sich geplant, die anderen beiden waren jeweils am Prozess mitbeteiligt. Die drei lassen sich nicht unter Zeitdruck setzen, immer wieder werden die Architekturentwürfe überarbeitet – wenn es nötig ist. So wurde der Kirchenraum noch einmal gedreht und – genau wie Synagoge und Moschee – nach Osten ausgerichtet, um auch orthodoxe Christen zum Gottesdienst einzuladen. Die Moschee erhält eine zusätzliche Treppe, damit Frauen auch unten bei den Männern beten können.
"Und genau das ist unser Anliegen, dass wir, egal, ob sich dann später die ein oder andere Konfession für das House of One interessiert oder auch nicht, dass wir von uns aus versuchen, möglichst viel zu berücksichtigen und viel möglich zu machen."
Auf politisch vermintem Gebiet
Die Synagogenkirchenmoschee im Herzen Berlins entsteht in einer Zeit, in der der Hass gegen Juden und Muslime zunimmt, in der Religionen für Kriege verantwortlich gemacht werden. Religionen als Friedensstifter? Viele dürften diese Frage verneinen. Rabbiner Andreas Nachama:
"Also ich glaube erst einmal, wenn es kein politisch vermintes Gebiet wäre, auf dem wir uns hier bewegen, dann bräuchte es dieses ganze Projekt nicht. Das ist nicht einfach, an vielen Stellen sehr kompliziert, aber dafür sind wir da."
Politisch vermintes Gebiet - damit ist auch die Zugehörigkeit von Imam Kadir Sanci zur Gülen-Bewegung gemeint. Dies dürfte der Grund dafür sein, dass der Bund bei der Finanzierung des Hauses der drei Religionen lange gezögert hat. Doch jetzt hat der Haushaltsausschuss des Bundestages 10 Millionen Euro frei gemacht. Weitere 10 Millionen kommen vom Land Berlin, internationale Mäzene sollen weitere 12 Millionen Euro beitragen.
"Wir müssen uns immer wieder hinterfragen"
Die Spender müssen die Charta des "House of One" akzeptieren und sollen keinen Einfluss auf die interreligiöse Arbeit nehmen. Eine erste Großspende aus einem Pokerwettbewerb hat die Stiftung abgelehnt – Glücksspiele sind im Islam verboten. Jede einzelne Entscheidung wiegen wir mit Bedacht ab, sagen Pfarrer, Imam und Rabbiner unisono. Andreas Nachama:
"Wir agieren hier in einem Bereich, wo es keine wirklichen Vorbilder gibt. Wo man nicht sagen kann, na, wenn wir das so und so machen, dann wird das zum Erfolg führen. Sondern wir müssen jeden Schritt neu gehen, wir müssen uns auch immer wieder fragen, hinterfragen, ist das der richtige Weg. Und wenn nicht, dann müssen wir nachkorrigieren."
Nicht korrigieren wollen sie das jetzt schon festgelegte Datum für die Grundsteinlegung – es ist der 14. April 2020. Genau 237 Jahre zuvor fand nämlich in Berlin die Uraufführung von Lessings "Nathan der Weise" statt.