Ein nackter Hintern begrüßt die Besucher der Ausstellung. Er scheint einer Frau zu gehören, glänzt wie frisch eingeölt und hat die Dellen und Falten, die die meisten Hinterteile so haben, die es eher selten auf Werbeplakate schaffen. Der Berliner Maler Martin Eder hat diesen schlaffen Po fast fotorealistisch und überlebensgroß in Öl verewigt und das Bild "Traum" genannt. Aber ist das wirklich die Schönheit, von der wir träumen? Maik Schierloh, der Kurator der Ausstellung "How beautiful you are!", sieht das so:
"Erst einmal definiert die Schönheit jeder Künstler selber. Und wenn jemand meint, er muss etwas Hässliches zeigen und interessiert sich dafür, ist es ja auch irgendwie eine Aussage des Schönen. Schönheit muss nicht unbedingt nur sein: Der ist besonders schön! Es kann auch jemand einfach voll hässlich sein und hat eine Schönheit."
Vom Traumauto bis zum Rihanna-Sound
Eher den klassischen Schönheitsidealen folgt eine Skulptur der Künstlerin Sonja Alhäuser, die in einer Kühlvitrine präsentiert wird, um nicht dahinzuschmelzen, denn sie besteht komplett aus Margarine. Ein Adonis presst die Hand gegen die Tür, als würde er ausbrechen wollen - vielleicht weil ihm die Miniaturmännchen auf die Nerven gehen, die aussehen wie Abbilder seiner selbst und an ihm hochklettern wollen. Doch es geht nicht nur um menschliche Körper: der niederländische Künstler Marc Bijl zeigt sein Traumauto als Skulptur - ein schwarzer De Lorean wie aus dem Film "Zurück in die Zukunft" - allerdings nur aus Pappe und Gaffatape. Für die Musik in der Ausstellung sorgt der Soundkünstler Nik Nowak.
Aus einem knallgrünen Lautsprechergefährt wird das ehemalige Maschinenhaus der Brauerei alle zehn Minuten beschallt mit dem Remix des Rihanna-Songs "Diamonds" von Isis Scott. Möglichst viele unterschiedliche Künstlerinnen und Künstler mit verschiedenen Schönheitsbegriffen zu versammeln, das war Kurator Maik Schierloh wichtig.
"Denn die sind nicht alle gleichgeschaltet, sondern die einen sind verrückter, und die anderen sind ruhiger, kräftiger. Es gibt Architekten, bildende Künstler, Maler, Leute, die sich mit Skulpturen beschäftigen oder Leute, die einen Messestand machen."
Jenseits des üblichen Schönheitsbegriffs
An diesem Messestand preist das Künstlerkollektiv "Sorgen International" banales Wasser an wie ein Luxusparfüm. Die Flasche Wasser wird wie ein Objekt der Begierde in einem Werbefilm präsentiert und zärtlich gestreichelt von Händen mit blau lackierten Fingernägeln. Natürlich wird dem, der dieses Wasser trinkt, nicht nur Gesundheit, sondern auch Schönheit versprochen. Beim Thema Schönheit haben die Macher der Ausstellung auch an die Mode gedacht und das Label "Biest" eingeladen, das Modedesigner Silvio Scheller und Architekt Mirko Hinrichs vor zehn Jahren in Berlin gegründet haben.
"Und da fingen wir an, über einen neuen Schönheitsbegriff nachzudenken, weil wir leben ja heute in der Fashion von einem Schnitt, der den Körper umschmeichelt, der eben deine Vorzüge herausholt, der aber auch verdeckt und dadurch einen Schönheitsbegriff vorgibt. Wir haben eben gesagt: Okay, wir verlassen jetzt dieses Feld und bieten nur noch ein Quadrat an! Dieses Quadrat das ist ja nicht mehr Mann und Frau, das hat ja keinen Bezug mehr zu irgendeinem Körper, sondern das ist eigentlich eine Hülle."
In der Ausstellung präsentieren "Biest" verschiedene dunkelblaue Stoffquadrate - alle 1,40 Meter mal 1,40 Meter groß - die an unterschiedlichen Stellen Schlitze, Reißverschlüsse, Druckknöpfe oder Gurte haben und sich als Rucksack, Bluse, Hose, Kleid oder Regenmantel tragen lassen. Das schwarze Quadrat von Kasimir Malewitsch und der japanische Kimono haben die die beiden Designer von Biest zu ihren Quadratischen Modekreationen inspiriert: Das Quadrat soll dabei helfen, einen neuen Schönheitsbegriff zu prägen. Als absolut symmetrisches Kleidungsstück, das zu allen noch so asymmetrischen Körperformen passt, so erklärt es Designer Silvio Scheller.
"Ein großer Zirkus"
Dann passiert die Explosion des Individuums. Darum geht's. Jeder sieht komplett anders aus in einem Quadrat. Und das fasziniert uns natürlich total. Das ist ja der Sinn der Sache, dass jeder durch unsere Quadrate schön ist. Und schön wollen wir alle sein, so sieht es Kurator Maik Schierloh, der überzeugt davon ist, das viel Besucherinnen und Besucher nicht nur wegen der Kunst in Ausstellungen gehen.
"Zum Beispiel schminkt sich jede, die in die Ausstellung geht und Männer ziehen sich dementsprechend an. Eigentlich ist das hier eine Dating-Hotline! Aber eigentlich geht es um die Arbeiten. Und es gibt jetzt nicht unbedingt darum bei einem Titel wie "How beautiful you are" um eine Person, sondern um die Arbeit, wie schön die eigentlich ist. Wir sehen die und denken so: Wow, die ist cool!"
Sich auch auf die Kunstwerke zu konzentrieren, das lohnt sich hier auf jeden Fall. Denn Ausstellung "How beautiful you are!" gelingt es, Schönheit aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten. Es geht nicht um gefällige Schönheit, sondern die Schau lässt Schönheit auch im Unperfekten und Absurden aufblitzen, feiert ihre Widersprüche und macht einfach Spaß. Oder, wie es Kurator Maik Schierloh ausdrückt: "Ich will eigentlich, dass das hier auch ein großer Zirkus ist."