Christian Albring ist niedergelassener Frauenarzt. In seiner Praxis in Hannover bietet er die HPV-Impfung an, eine Impfung, die junge Mädchen langfristig vor Gebärmutterhalskrebs schützen soll. Der Gynäkologe hält die Impfung für sehr sinnvoll, doch viele seiner Patientinnen entscheiden sich dagegen. Und seine Praxis ist kein Einzelfall: In ganz Deutschland sind die Impfraten niedrig. Nur jedes dritte Mädchen wird gegen HPV geimpft.
"Und wir wollten halt wissen, warum das so ist. Und bei den Recherchen sind wir unter anderem auf die Broschüren zweier Krankenkassen gestoßen, die aufgrund ihrer lang überholten Aussagen eben geeignet sind, impfwillige Mädchen zu verunsichern."
Die Broschüren stammen von der Techniker Krankenkasse und von der Barmer GEK, man kann sie im Internet herunterladen. Erstellt wurden sie 2008 – damals war der Impfstoff erst zwei Jahre auf dem Markt.
"In den Broschüren wird immer noch von einer jungen Gebärmutterhalskrebsimpfung gesprochen und dass ihre Risiken heiß diskutiert werden. Dabei ist das längst nicht mehr wahr. Es wird zum Beispiel in den Broschüren nahe gelegt, dass auch eine Entscheidung gegen die Impfung gut, richtig oder verantwortungsvoll sein könnte. So eine Einstellung ist natürlich völlig überholt, weil inzwischen bereits Millionen von Mädchen und auch Frauen geimpft worden sind, ohne dass sich die damals angedachten oder prognostizierten Risiken gezeigt haben."
Inzwischen gibt es längst neue Daten, sagt Christian Albring, der auch Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte ist. Große Studien haben gezeigt, dass mit der Impfung keine schweren Impfschäden in Verbindung gebracht werden. Und in Australien, wo fast alle Mädchen gegen HPV geimpft werden, ist die Zahl der Krebsvorstufen bereits extrem zurückgegangen. In den Broschüren steht aber nach wie vor, dass es bei der Impfung viele Unsicherheiten gebe. Der Berufsverband der Frauenärzte und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte haben den Verdacht, dass die Kassen die Mädchen von der Impfung abhalten wollen, um Kosten zu sparen. Sie haben Beschwerde eingelegt – beim Bundesversicherungsamt.
Albring erklärt: "Unser Interesse ist ja, dass die Broschüren vom Markt verschwinden. Wir meinen, dass die Krankenkassen gegen den im Sozialgesetzbuch 5 definierte Pflicht zur Gesunderhaltung ihrer Versicherten verstoßen, und die Berufsverbände bitten in ihrem Schreiben das Bundesversicherungsamt, seine Aufsichtspflicht wahrzunehmen und den Vorgang zu überprüfen."
Techniker Krankenkasse weist Vorwürfe zurück
"Wir verstehen die Vorwürfe nicht wirklich, muss ich ganz ehrlich sagen, zumal wir als Techniker-Krankenkasse die erste Krankenkasse waren, die diese Kosten überhaupt übernommen hat",
sagt Thomas Heilmann von der Techniker Krankenkasse. Die Techniker übernehme die Impfung sogar bis zum 26. Lebensjahr, und nicht, wie gesetzlich vorgesehen, nur bis zum 17.
"Und von daher kann man da schon gar nicht drüber sprechen, dass wir irgendwelche Kosten nicht tragen wollen. Wir wollen eben nur objektiv und neutral aufklären. Das ist unsere Rolle sozusagen bei dieser Impfung."
Die Broschüre soll den Patientinnen dabei helfen, Nutzen und Risiken gegeneinander abzuwägen, um sich dann für oder gegen die Impfung zu entscheiden. Die Informationen seien dafür ausreichend, meint Heilmann.
"Also die Inhalte, so wie sie im Moment eben in der Broschüre drin sind, entsprechen in unserer Auffassung dem, was man momentan für eine gute Entscheidungshilfe braucht, wir werden mit Sicherheit redaktionelle Anpassungen immer vornehmen. Aber es ist mit diesen Hinweisen, die wir vom Bundesverband bekommen haben, für uns kein Grund, dass wir diese Broschüre sofort vom Markt nehmen müssen."
Immerhin: Beide Kassen, die Barmer GEK und die Techniker, wollen die Inhalte überprüfen. Nicht sofort, aber mit der nächsten Auflage der Broschüre. So lange wollen die Bundesverbände nicht warten: Die Ärzte haben die Broschüre selbst überarbeitet und wollen sie den Kassen jetzt zur Verfügung stellen.