Peter Sawicki: Mehr Geld für Hochschulbildung in Deutschland, aber laut Kritikern weiterhin zu wenig Planungssicherheit für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Werden hier die richtigen Prioritäten gesetzt? Das können wir jetzt Peter-André Alt fragen, er ist Vorsitzender der Hochschulrektorenkonferenz. Schönen guten Morgen!
Peter-André Alt: Guten Morgen, Herr Sawicki!
Sawicki: Wie viel Qualität steckt in diesem neuen Hochschulpakt?
Alt: Eine ganze Menge und eine ganze Menge positiver Botschaften, erstens eine langfristige Finanzierung durch den Bund nach bisher immer nur kurzfristigem Engagement, zweitens nach drei Jahren, 2024, eine Steigerung um neun Prozent mit der Perspektive, nach nochmals drei Jahren diese Steigerung noch einmal zu verhandeln und dann, so hoffen wir, als regelhaftes Element einzubauen, zweitens, auch das ist wichtig für die Hochschulen, Förderung von Spitzenforschung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und entsprechende Mittelsicherheit, Planungssicherheit. Das ist insgesamt ein sehr positives und qualitätsbezogenes Verhandlungsergebnis.
Sawicki: Reicht diese Summe aus, 160 Milliarden zusätzlich für die nächsten zehn Jahre?
Alt: Das hängt sehr davon ab, welche zusätzlichen Aufgaben die Hochschulen übernehmen müssen. Gehen wir davon aus, dass wir das hohe Plateau der Studierendenzahl, das wir ja seit vielen Jahren haben, weiter fortführen werden, dann ist es sicherlich gerade so auskömmlich.
Weitere Auswüchse bei den Studierendenzahlen sind sicherlich dann auch wiederum ein Thema für weitere Finanzierungen, aber so weit wollen wir jetzt erst mal nicht schauen. Ich denke, es ist ein gutes Signal. Es gibt natürlich auch ein negatives Moment dabei, dass wir beim Pakt für die Lehre, dem Qualitätspakt Lehre nicht mehr das gesamte Volumen von 200 Millionen jährlich, sondern nur noch 150 Millionen verfügbar haben.
Das schmerzt, weil die Lehre natürlich ein Bereich ist, in dem auch neue Innovationen entstehen müssen und vor allen Dingen auch Projekte, die sich bewährt haben, für eine bestimmte Zeit noch einmal weitergeführt werden müssen. Das ist schade, das bedauern wir. Aber insgesamt ist das Paket ein sehr, sehr gutes Resultat für das Hochschulsystem in Deutschland.
"Stärker auf eine Entfristung achten"
Sawicki: Ja, lassen Sie uns mal auf die kritischen Punkte eingehen. Die Gewerkschaft GWE, sie spricht davon, dass das Ganze an dem Nachwuchs weiterhin vorbeigeht, weil es eben keine Vorgaben gibt, unbefristete Stellen dann sozusagen dauerhaft zu schaffen an den Universitäten. Geht das also am Nachwuchs vorbei?
Alt: Nein, ich glaube, das wäre auch nicht die Aufgabe dieses Vertrages, dieses Zukunftsvertrages, der ja eine Rahmensetzung darstellt für die Gesamtfinanzierung und zusätzliche Mittel ins Hochschulsystem gibt, so langfristig, dass man damit auch Personalplanung betreiben kann. Ich denke, dass dieser Vertrag auch das Vertrauen schafft bei den Hochschulen, dass sie jetzt langfristig zusätzliche Mittel erhalten und daraus abgeleitet dann auch für Daueraufgaben, die im Augenblick teilweise eben noch von befristeten Kräften versehen werden, langfristige Verträge abschließen.
Im Übrigen ist es Sache der Verhandlungen der Länder mit den Hochschulen, die ja die primäre Instanz sind, wenn es darum geht, Hochschulen zu finanzieren, solche Verabredungen über Zielvereinbarungen zu treffen, dass also die Zahl der Dauerstellen sukzessive erhöht wird. Ich denke, das hätte nichts zu suchen gehabt in diesem neuen Zukunftsvertrag. Das ist Sache der Länder mit den Hochschulen.
Sawicki: Sollten die Länder dann verpflichtende Vorgaben machen für die Erhöhung unbefristeter Stellen?
Alt: Die Haushaltsverantwortlichen der Hochschulen können nur das leisten, was zumutbar ist. Ich denke, dass der Fall in jeder einzelnen Hochschule unterschiedlich liegt. Wir haben Hochschulen, wo wir um die 40, 50 Prozent Dauerbeschäftigung haben, wir haben aber auch Hochschulen, wo die Zahl deutlich niedriger liegt, unter 20 Prozent.
Ich glaube, man kann da nicht vereinheitlichen. Es ist allen Beteiligten klar, dass wir herauskommen müssen aus einer rein projektorientierten Finanzierung in bestimmten zentralen Bereichen, vor allen Dingen bei der Lehre, und dass wir sukzessive auch wieder steigern müssen die Zahl derjenigen, die jenseits der Professur dauerhaft beschäftigt sind an Hochschulen. Denn wir haben damals in den 80er-, 90er-Jahren durch die erheblichen Mittelkürzungen an Hochschulen die Tendenz gehabt, zusätzliche Mittel einzuwerben über sogenannte Drittmittelförderung, das waren immer befristete Mittel. Das bot viele Chancen für gerade junge Wissenschaftler, ins System hineinzukommen, aber es waren eben befristete Chancen.
Und ich denke, dass wir in Zukunft mehr darauf achten müssen, eine gute Balance hinzubekommen. Man muss ja auch berücksichtigen, dass viele der Stellen, die an Hochschulen besetzt sind, Qualifikationsstellen sind und jede Generation neu die Chance haben muss, über ein Promotionsvorhaben, über eine Postdoc-Stelle qualifiziert zu werden. Das können keine Dauerstellen sein, aber wir brauchen andererseits auch eine Reduktion gerade der Stellen für Menschen jenseits der 35, die bisher befristet sind, und müssen dort stärker auf eine Entfristung achten.
Diese Balance muss erarbeitet werden. Aber das ist eine Leistung, die die Hochschulen im Zusammenspiel mit ihren Ländern auch erreichen müssen.
Sawicki: Aber wenn Sie jetzt auch sagen oder beziehungsweise bedauern, dass eben der Qualitätspakt Lehre mit weniger Geld auskommen muss und es jetzt diese Vorgaben für eine Erhöhung der unbefristeten Stellen nicht gibt. Drängt sich da der Eindruck möglicherweise auf, dass mehr Geld in Material investiert wird statt in Personal?
Alt: Nein, das denke ich nicht. Wir haben seitens der Hochschulrektorenkonferenz unser Idealbild ja formuliert und gesagt, wir wollen einen Qualitätspakt für die Lehre, der aus zwei Säulen besteht: eine Säule Programmförderung mit der Möglichkeit, neue Ideen zu entwickeln und zu erproben - das hätten 100 Millionen von den ursprünglich 200 Millionen sein können -, und 100 Millionen für die Absicherung von innovativen Projekten, die aber noch nicht in den Regelbetrieb der Universität übernommen werden, etwa im Bereich der digitalen Lehre, des digitalen Prüfungswesens oder der Mentorierung, um sozusagen eine Übergangskonstruktion zu schaffen in die dauerhafte Finanzierung, und damit langfristig auch solche Projekte in den Haushalt zu überführen. Das ist leider jetzt so nicht realisierbar.
Die 150 Millionen sind weniger als die 200 Millionen und sie sind ausschließlich für den Wettbewerb vorgesehen, der im Übrigen von einer noch zu schaffenden unabhängigen Institution organisiert wird. Wettbewerbe sind gut, die Hochschulen haben keine Angst vor Wettbewerben, aber Wettbewerbe bergen natürlich häufig die Gefahr, dass man eben dann auch nur mittelfristig und nicht dauerhaft Stellen schaffen kann.
"Es wird kein riesiger Schluck aus der Flasche sein"
Sawicki: Aber können Sie dann verstehen, dass das für Frustration sorgt beim Personal, das betroffen ist?
Alt: Ja, wir müssen das Ganze ja als ein System kommunizierender Röhren sehen, und da ist zunächst einmal positiv festzuhalten, dass der Hochschulpakt verstetigt ist, dass sogar eine Dynamisierung, neun Prozent Steigerung nach drei Jahren vorgesehen ist und hoffentlich langfristig alle drei Jahre eine solche Dynamisierung kommt. Damit können Zusatzkosten, also wachsende Energiekosten, höhere Tarife, auch aufgefangen werden. Und das heißt, der Hochschulpakt, der bisher ja immer nur für fünf Jahre lief, ist jetzt wirklich langfristig gesichert.
Da kann eine Kanzlerin, ein Kanzler doch auch dann durchaus ein gewisses Vertrauen fassen und sagen, da können wir Reihe von Stellen jetzt in den Blick nehmen, die wir entfristen. Es wird kein riesiger Schluck aus der Flasche sein. Dieser Bereich ist ja auch verfügbar für Planungssicherheit. Und dann gibt es den Bereich Lehre, und da haben wir tatsächlich die Situation, dass wir weitgehend wettbewerblich nach Projekten finanzieren werden. Da wird es nicht möglich sein, eine riesige Zahl von Dauerstellen zu schaffen. Aber durch die erste Säule sollte die Basis da sein, dass das gelingt.
Sawicki: Nun bekommen ja die außeruniversitären Einrichtungen 120 Milliarden Euro zusätzlich von diesem Gesamtvolumen. Ist diese Aufteilung gerechtfertigt?
Alt: Also wir sind erst einmal froh, dass wir auch teilhaben an einer Dynamisierung. Das war immer eine Teilforderung der Hochschulrektorenkonferenz: Macht diesen Pakt dauerhaft, erstens, und zweitens, lasst uns auch realistisch sein und berücksichtigen, dass Hochschulen Kostensteigerungen zu gewärtigen haben. Insofern sind wir erst mal zufrieden. Wir sind auch nicht der Meinung, dass wir die andere Seite der Welt sind und die andere Hälfte von den Außeruniversitären besetzt wird, sondern wir gehören ja zusammen. Wir sind ja ein Gesamtsystem. Die Forschung …
Sawicki: Inwiefern?
Alt: Die Forschung, die in den Außeruniversitären betrieben wird, wird auch ganz eng kooperativ mit den Hochschulen betrieben. Wir haben gemeinsame Professuren, wir haben gemeinsame Patente, wir haben gemeinsame Infrastruktur, die wir nutzen. Und zu der Allianz der Wissenschaftseinrichtungen, die da gefördert werden, gehört die Deutsche Forschungsgemeinschaft, deren Mitglieder die Universitäten sind, und die profitieren kräftig von den Fördergeldern der DFG.
Deren Steigerung um entsprechende drei Prozent jährlich ist hilfreich für das Hochschulsystem, und zwar primär für das Hochschulsystem. Insofern freuen wir uns mit und für die DFG.
Sawicki: Eine kurze Frage noch zum Abschluss: Ist das Ganze ein Befreiungsschlag für die Bildungsministerin?
Alt: Ja, unsere Ministerin hat einen guten Job gemacht und sie hat es verstanden, in dieser schwierigen Gemengelage die Position des Bundes gut zu vertreten und damit auch die Hochschulen zu unterstützen.
Ich möchte aber auch in das Lob einschließen die Länder, die Länder, die heute ja in schwierigen Gemengelagen sind und die auch sehr unterschiedliche Interessen haben, ganz heterogene Interessen, die gar nichts zu tun haben primär mit den parteipolitischen Prioritäten, sondern mit Finanzierungsfragen, mit der Zahl der Studierenden in den Ländern, mit Sanierungsstaus und vielen anderen kleinteiligen Faktoren, die aber schmerzlich auch sind oft für den Verhandlungsprozess.
Diese Länder haben es verstanden, einen Kompromiss zu finden, ihre Interessen zu balancieren. Und das ist sehr, sehr bemerkenswert gewesen in diesem ganzen Vorgang, sodass es auch gelungen ist, jetzt zu einem guten Resultat zu kommen.
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