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Huawei und 5G-Technologie
"Vertrauen in jedwede Richtung wäre falsch"

Die USA wollen die Geheimdienstzusammenarbeit mit Deutschland zurückfahren, falls sich Berlin für den 5G-Ausbau mit dem chinesischen Konzern Huawei entscheidet. CDU-Politiker Patrick Sensburg sagte im Dlf, die Sicherheit der Netze müsse immer gewährleistet werden - unabhängig davon, wer die Technologie liefere.

Patrick Sensburg im Gespräch mit Silvia Engels |
Huawei Logo auf dem Mobile World Congress in Barcelona
Fragezeichen hinter der Sicherheit des chinesischen Marktführers Huawei (picture alliance: Joan Cros/Nur photo)
Silvia Engels: Der chinesische Mobilfunkanbieter Huawei ist nach wie vor im Rennen, wenn es darum geht, die deutsche Infrastruktur für das neue 5G-Mobilfunknetz vorzubereiten – sehr zum Leidwesen der US-Amerikaner. Die werfen dem chinesischen Unternehmen Spionage vor und warnen seit Monaten Berlin davor, zu eng mit Huawei zusammenzuarbeiten. Nun offenbar auch mit einer konkreten Drohung, nämlich der, die Geheimdienstzusammenarbeit möglicherweise zurückzufahren.
Am Telefon ist Patrick Sensburg. Er gehört der CDU an und er ist Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium. Das ist der Kreis von Bundestagsabgeordneten, der die Arbeit der deutschen Geheimdienste kontrolliert. Guten Morgen, Herr Sensburg.
Patrick Sensburg: Schönen guten Morgen! – Ich grüße Sie.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Patrick Sensburg
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Patrick Sensburg (imago stock&people)
Engels: Wie ernst nehmen Sie die Warnung der US-Amerikaner, im Falle einer deutschen Zusammenarbeit mit Huawei bei der 5G-Technologie die Geheimdienstzusammenarbeit mit Berlin zurückzufahren?
Sensburg: Ich glaube, wir müssen zwei Ebenen unterscheiden: Einmal die Ebene der Sicherheit des Netzes und der eingesetzten Komponenten. Da nehmen wir unsere Verantwortung natürlich sehr ernst. Das zweite ist die Frage von wirtschaftlichen Beziehungen, von Wirtschaftspolitik, und ich verstehe das Schreiben, was ja auch nicht umsonst an unseren Wirtschaftsminister gerichtet ist, des amerikanischen Botschafters eher als eine wirtschaftspolitische Drohung. Hier geht es auch in gewisser Weise um Protektionismus: Welche Komponenten werden eingesetzt, aus welchem Land. Da möchte die USA natürlich gerne, dass ihre Komponenten auf dem Markt eingesetzt werden.
"Es ist berechtigt, sehr vorsichtig zu sein"
Engels: Sie weisen das zurück, diese Drohung?
Sensburg: Ich weise die Drohung nicht zurück. Ich ordne sie ein auf der ersten Ebene der technischen Sicherheit. Ich glaube, da ist es berechtigt, sehr vorsichtig zu sein. Wenn man die Beziehungen des Konzerns Huawei zur chinesischen Regierung sieht, wenn man den Einfluss, den möglicherweise chinesische Nachrichtendienste dann auch haben, erkennt, dann muss man schon Sorge tragen, dass entsprechende Netze mit dem Einsatz von Komponenten von Huawei sicher sind. Da gibt es Möglichkeiten, das bereiten wir auch gerade vor.
Umgekehrt muss man aber auch sagen: Vertrauen in jedwede Richtung wäre falsch, ob es Komponenten sind, die aus China kommen, die aus den USA kommen oder von anderen Ländern. Wir müssen in jedem Fall Rechnung tragen, dass keine Daten abfließen und dass das Netz sicher ist und stabil ist.
Engels: Und, um bei dem Thema Huawei zu bleiben, Sie sehen die Voraussetzungen jetzt schon als gegeben an, denn wir haben ja auch gerade den IT-Experten gehört, der sagt, auf der anderen Seite seien chinesische Komponenten schon lange auch in deutschen Mobilfunknetzen vertreten. Ist da nicht ohnehin schon jede Tür und jedes Tor geöffnet?
Sensburg: Nein, das ist es nicht. Wir haben ja auch Anforderungen für den Einsatz entsprechender Komponenten, zum Beispiel von Routern, dass der Quellcode offengelegt wird, dass wir die verbauten technischen Komponenten kennen, dass auch beim Patchen, beim Updaten der technischen Komponente die entsprechenden Quellcodes benannt werden. Das schafft eine gewisse Sicherheit, aber es bedarf natürlich deutlich mehr. Deswegen sagen wir auch, zum Beispiel die Neutralität der eingesetzten Komponenten muss gegeben sein, dass man sich nicht auf einen Hersteller konzentriert, sondern dass auch andere Hersteller in den Markt kommen können und dass dann das Netz von vielen Herstellern aufgebaut wird. Das bedarf einer kontinuierlichen Kontrolle. Und was das Thema Datensicherheit betrifft, bedarf es auch einer Verschlüsselung vor den entsprechend verbauten Komponenten. Das schafft Datensicherheit.
Netzstabilität – das ist die größere Sorge, die wir haben, dass unser Netz auch kontrolliert stabil ist. Das bedarf weiterer Anforderungen, für die wir auch Rechnung tragen.
"Huawei ist derzeit auf dem besten technischen Stand"
Engels: In dieser Stabilität, in diesen Fragen gilt ja Huawei technologisch betrachtet als einer der führenden Anbieter. Demgegenüber steht aber jetzt beispielsweise nicht nur das US-amerikanische Prozedere, sondern auch das EU-Parlament. Das hat nämlich eine Resolution verabschiedet, in der auch vor chinesischer Technologie in der 5G-Netztechnologie gewarnt wird. Man sei besorgt über schwerwiegende Anfälligkeiten. Muss man doch noch mal genauer prüfen, oder vielleicht doch sagen, man muss Huawei von dem Bieterwettbewerb ausschließen?
Sensburg: Man muss auf jeden Fall sehr sorgfältig prüfen. In diesem Prozess sind wir auch. Wir haben die rechtlichen Rahmenbedingungen im TKG, im Telekommunikationsgesetz anzupassen. Wir haben aber auch die Prozeduren gemeinsam mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik anzupassen, dass all das, was eingesetzt wird, auch geprüft wird, kontinuierlich überwacht wird. Da gehen wir die entscheidenden Schritte. Die müssen auch andere EU-Länder gehen. Von daher ist richtig, dass auf europäischer Ebene gewarnt wird. Das gilt nach meiner Meinung aber für den Einsatz jedweder Technologie, egal wo sie herkommt, und die chinesische Technologie von Huawei ist derzeit auf dem besten technischen Stand. Deswegen sollten wir sie auch einsetzen. Aber Vorsicht ist geboten. Vertrauen ist hier fehl am Platz. Überprüfen ist besser. Da, glaube ich, haben wir noch viel zu tun und das ist die Aufgabe, die unsere Sicherheitsbehörden in den nächsten Wochen und Monaten leisten müssen.
Engels: Herr Sensburg, jetzt haben wir viel über den Bereich der technischen Standards, der Sicherheiten und auch Huawei gesprochen. Jetzt schauen wir auf die knallharte Machtkomponente, denn nichts anderes ist das ja, was die USA da offenbar vortragen, indem sie in Frage stellen, ob man mit deutschen Geheimdiensten künftig noch Informationen austauschen könnte. Nehmen wir an, diese Drohung wird ernst durchgeführt von den USA; was würde das für die deutsche Geheimdienstarbeit bedeuten, wenn die USA hier die Zusammenarbeit verweigern?
Sensburg: Ich glaube zum einen, man muss auch nicht über jedes Stöckchen springen, was einem hingehalten wird durch einen Tweet des amerikanischen Präsidenten oder einen Brief des Botschafters. Hier werden unterschiedliche Dinge vermischt. Unsere Nachrichtendienste arbeiten exzellent zusammen, und das hat wirklich einen Vorteil für beide Seiten. Da hat es auch nichts damit zu tun, dass entsprechende Technik eingesetzt wird. Eingestufte Informationen werden garantiert nicht durch ein 4G oder 5G-Netz transportiert, sondern auf ganz anderen Wegen. Hier geht es um wirtschaftspolitische Machtausübung und da muss man, glaube ich, sagen: Wir haben in jedem Fall Rechnung zu tragen, dass die eingesetzten Geräte sicher sind. Das würde auch für einen Cisco-Router aus den USA gelten. Von daher, glaube ich, werden wir in jedem Fall prüfen, dass Daten deutscher Bürger sicher sind, dass aber auch die Netze stabil sind, und – das ist ganz wichtig -, dass wir uns auch nicht auf einen Lieferanten konzentrieren, sondern dass wir die Neutralität der eingesetzten Komponenten haben. Ich würde mich freuen, wenn auch ein deutscher Hersteller wieder in den Markt kommt und diese Möglichkeiten hat. Deswegen müssen wir die Schnittstellen offen definieren.
Wesentlicher Partner für die Terrorabwehr
Engels: Das Argument von Ihnen haben wir verstanden. Aber ich muss noch mal darauf zurückkommen, denn Sie sagen, man soll zwar nicht über jedes Stöckchen springen, was möglicherweise aus Washington vorgehalten wird. Auf der anderen Seite haben wir ja auch gelernt, dass man Donald Trump in seinen Linien durchaus ernst nehmen muss. Wenn die USA hier den Druck weiter erhöhen, keine Geheimdienstzusammenarbeit, was sagen Sie dann vor dem Hintergrund, dass ja der frühere Innenminister Thomas de Maiziére mal gesagt hat, ohne die Amerikaner sei man in diesem Feld taub und blind? Ist Deutschland hier zur Terrorabwehr und um diese Informationen zu bekommen erpressbar?
Sensburg: Die Amerikaner sind ein ganz wesentlicher Partner für die Terrorabwehr, aber auch zum Beispiel zur Force Protection in den Einsatzländern. Umgekehrt sind aber auch unsere Nachrichtendienste, der Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst, ein sehr wertvoller Partner für die Amerikaner. Von daher kann ich mir nicht vorstellen, dass man diese gute Zusammenarbeit aufkündigt, weil man meint, wirtschaftliche Interessen durchsetzen zu wollen. Ich glaube, das ist eine Drohung. Die steht jetzt im Raum. Wir sollten daran arbeiten, dass wir gut zusammenarbeiten und dass auch zum Beispiel für amerikanische Firmen ein Markt da ist, an dem sie sich beteiligen können, keine Abschottung. Wir wollen keinen Protektionismus in Europa, sondern Regeln und Standards, dass der Marktzugang für alle gegeben ist, aber die Sicherheit sehr, sehr hoch ist.
Engels: Wenn Sie die Abwägung zu treffen hätten zwischen Geheimdienstaustausch mit den USA einerseits oder radikalen Wirtschaftsinteressen andererseits, was würden Sie dann entscheiden?
Sensburg: Das ist eine Abwägung, in die uns sicherlich das Schreiben von Botschafter Grenell reinbringen will. Wir wägen so nicht ab. Wir möchten ein sowohl als auch, und ich glaube, das werden wir am Ende auch erreichen, weil es für beide Seiten eine Win-Win-Lösung ist. Wir wollen keine Win-Lose-Lösung, sondern wir wollen, dass beide Seiten profitieren, sowohl von einem schnellen und sicheren Netz, aber auch von nachrichtendienstlichem Austausch.
Engels: Welche nächsten Schritte streben Sie denn in dieser Problematik jetzt an?
Sensburg: Ich glaube, wichtig ist, dass wir unsere Hausaufgaben auf technischer Seite machen. Die rechtlichen Anpassungen im Telekommunikationsgesetz sind auf dem Weg. Jetzt geht es darum, die Schnittstellen zu definieren, was für Geräte eingesetzt werden können, wo mehr Sicherheit gerade im Bereich der Kernkomponenten erreicht werden muss. Da geht es um technische Standards. Und ich betone es aber noch einmal, dass wir die Schnittstellen so schaffen, dass es auch für deutsche und europäische Firmen attraktiv ist, wieder in diesen Markt stärker hineinzugehen. Diese Differenziertheit, die schafft schon einen hohen Teil an Netzstabilität und Netzsicherheit. Die müssen wir erreichen. Das sind jetzt unsere Hausaufgaben.
Engels: Patrick Sensburg. Er gehört der CDU an und er ist Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium, dem Gremium, das die deutschen Geheimdienste parlamentarisch kontrolliert. Vielen Dank für Ihre Zeit heute Morgen.
Sensburg: Gerne.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.