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Hühner-WG oder Horror-Käfig

Zwei Drittel der deutschen Legehennen leben in Legebatterien: Eingepfercht in engen Drahtkäfigen ohne Platz zum Scharren, Flattern oder gar Fliegen. Nun soll Schluss damit sein. Bis zum Ende des Jahres müssen Hühnerhalter und Eierproduzenten ihre Ställe umbauen. Doch auch die neue Unterbringungsform, die sogenannte Kleingruppenhaltung, ist umstritten.

Von Susanne Schrammar |
    Zu Besuch bei der Deutschen Frühstücksei GmbH in Neuenkirchen-Vörden in Niedersachsen. Fünf Millionen Hühner werden hier gehalten, 80 Prozent davon bisher in herkömmlichen Käfigen. Bis Ende des Jahren sollen alle in Kleinvolieren umziehen, auch Kleingruppenhaltung genannt. Klingt nach idyllischer Hühner-WG, doch die Tiere leben weiterhin in Käfigen, die in langen Regalreihen übereinander aufgestellt sind.

    Die Käfige sind jetzt größer und höher und statt fünf Hühnern wohnen nun bis zu 60 zusammen. Jedem Tier stehen 800 Quadratzentimeter Platz zu, das ist knapp die Größe eines Aktendeckels, aber 250 Quadratzentimeter mehr als früher. Bis Ende des Monats, erzählt Gerd Stuke, Generalbevollmächtigter der Deutschen Frühstücksei GmbH, wird die Hälfte der Hühnerställe kleingruppengerecht umgebaut sein.

    "Wir haben Nester, die sind genauso konstruiert wie in der Bodenhaltung, in der Freilandhaltung oder in der Biohaltung. Sie haben Sitzstangen, sie haben Einstreubereiche. In dieser Form muss man den Hühnern nicht den Schnabel stutzen, weil die Sozialstruktur in diesen 60er-Gruppen passt. Deshalb bin ich persönlich auch ein ganz großer Freund dieser Kleingruppenhaltung, weil sie tiergerecht ist, und hinzu kommt, dass sie auch noch die umweltfreundlichste ist."

    Dieser Ansicht ist man auch an der Tierärztlichen Hochschule Hannover, wo die neue Form der Hühnerhaltung entwickelt wurde. Die Hennen, so heißt es, haben einen größeren Bewegungsradius, der sich positiv auf Gesundheit und Knochendichte der Tiere auswirke. Doch Tierschützer sind gar nicht gut auf die Kleingruppenhaltung zu sprechen. Von artgerechter Haltung könne keine Rede sein. Christian Meyer, Landtagsabgeordneter der Grünen in Niedersachsen.

    "Die Hühner kriegen jetzt 250 Quadratzentimeter mehr, das ist ein Viertel Din-A-4-Blatt, was für jedes Huhn mehr ist, und das ist noch eine tierquälerische Haltung in diesen Legebatterien. 60 Hühner sind in einem Käfig, sie können sich kaum wenden, sie haben große Federverluste und deshalb muss man diese Qualbatterien eigentlich abschaffen."

    Zumal, so Meyer weiter, in Niedersachsen die Hühner in den neuen Kleingruppenanlagen bislang sogar noch ein bisschen enger zusammenrücken mussten als in anderen Bundesländern. Wurden überall sonst weitere 90 Quadratzentimeter Platz pro Huhn für die Nestfläche draufgeschlagen, legte Niedersachsens Landwirtschaftsminister Hans-Heinrich Ehlen die Bundesverordnung in einem Erlass so aus, dass die Nistzone in der Grundfläche rechnerisch enthalten sei.

    "Der Erlass, den Hühnern weniger Platz zuzusprechen, als in allen anderen Bundesländern üblich ist, war eine klare Gefälligkeit für die Hühnerbarone. Die wollten sozusagen bis zu 20 Prozent mehr Hühner in die schon viel zu engen Käfige quetschen, um damit einen Wettbewerbsvorteil zu haben. Das begründen die auch ganz klar, dass das ökonomisch ist. Und das ist aus Tierschutzsicht ein großer Frevel, einfach so eine rechtliche Verordnung durch die Hintertür auszuhebeln."

    Nach lang anhaltenden Protesten hat der niedersächsische Landwirtschaftsminister den umstrittenen Erlass jetzt zurückgenommen. Hans-Heinrich Ehlen.

    "Da nun die meisten der anderen Bundesländer der Auffassung sind, man sollte sich doch den Vorgaben des Bundestages anschließen, erwägen wir dann auch diesen Beschluss, sprich auf 890 Quadratzentimeter, umzusetzen."

    Bereits genehmigte Umbauvorhaben genießen jedoch Vertrauensschutz, die Käfige müssen also nicht nachträglich vergrößert werden. Das gilt auch für den bundesweit größten Eierproduzenten, die Deutsche Frühstücksei GmbH, die plant, künftig fast 80 Prozent der Legehennen in Kleingruppen zu halten. Und das, obwohl mehrere deutsche Discounter entschieden haben, auf diese Weise gelegte Eier nicht mehr zu verkaufen. Hintergrund: Hatten Käfigeier vor Jahren noch einen Marktanteil von 70 Prozent, wollten jetzt immer weniger Deutsche solche Eier kaufen. Eine Entscheidung des Handels, die Eierproduzent Gerd Stuke nicht nachvollziehen kann.

    "Sie widerspricht Kaufverhalten. Das zeigen alle Statistiken der letzten Zeit. Die Konsumenten kaufen sehr gerne sogar Käfigeier - etwa 40 Prozent werden noch gekauft aus herkömmlicher Käfighaltung. Deshalb ist das für mich - klar, dass ich eine Entscheidung des Handels akzeptieren muss, wir können ja unseren Kunden nicht vorschreiben, was sie in die Läden stellen - aber sie ist an und für sich an den Kaufinteressen vorbei orientiert."