Einlass nur mit entladener Waffe – so lautet die Regel für Soldaten, die das deutsche KFOR-Feldlager am Rand von Prizren betreten. Hauptmann Ulrich V. und Oberstabsgefreiter (*) Daniel W. hatten einen Außentermin in Prizren, der zweitgrößten Stadt im Kosovo. Es ist kalt, hat leicht geschneit am frühen Morgen, und die beiden Bundeswehr-Soldaten bringen die Prozedur schnell hinter sich: Entladen der Pistolen vor dem Schlagbaum, ein kurzer Kontrollblick auf die Waffe des Kameraden, und schnell wieder einsteigen in den weißen Kleintransporter mit dem schwarzen KFOR-Schriftzug.
Der Feldjäger am Schlagbaum lässt die beiden mit einem Gruß passieren. Hinter dem Checkpoint, abgeschirmt hinter hohen Mauern und Zäunen, liegt so etwas wie eine eigene kleine Stadt: Rund 300 deutsche Soldaten sind hier aktuell stationiert, das Gelände ist 40 Hektar groß – in etwa so viel wie 60 Fußballfelder.
Ein Gedenkstein für die Gestorbenen
Hauptmann Ulrich V. ist Presseoffizier des 49. deutschen KFOR-Kontingents, zu seinem Job gehört es auch Besucher durchs Feldlager zu begleiten. Vom Beifahrersitz aus, durch die beschlagenen Autoscheiben hindurch deutet er immer wieder nach links und rechts: hier die "Millenium-Bar", wo man sich nach Dienstschluss auf ein Bier treffen könne, erzählt der Hauptmann, ein kleiner, drahtiger Mann mit stets wachem Blick. Dahinter die Lager-Kapelle, weiter oben am Hang eine Sporthalle, Volleyball- und Basketballfelder. Vor einem Gedenkstein brennt eine Kerze: Hier wird der 27 deutschen KFOR-Soldaten gedacht, die seit 1999 gestorben sind – nicht bei Kampfeinsätzen, sondern vor allem durch Unfälle. Sogar kleine Läden gibt es im Lager, in denen Einheimische alles Mögliche für den täglichen Bedarf verkaufen.
In einer großen Werkstatthalle wird an diesem Morgen ein Material-Lkw auf Herz und Nieren geprüft. Mit dabei ist auch Elisa R., 24 Jahre alt, die langen braunen Haare unter der Uniformmütze zu einem Zopf gebunden. Die Stabsunteroffizierin aus Sachsen ist seit vier Jahren beim "Bund", hat vorher Kfz-Mechatronikerin gelernt – ist also vom Fach. Ihr Steckenpferd: das Panzerfahrzeug "Eagle" (*). In einer Pause berichtet die "Eagle-Schrauberin", wie ihre Kameraden sie augenzwinkernd nennen, vom Lagerleben:
"Ich wollte immer schon einen Auslandseinsatz, um Erfahrungen zu sammeln, mal was anderes zu machen, und es hat sich eigentlich alles bestätigt. Es macht viel Spaß. Man lernt viel dazu."
"Kommt man mit den Leuten hier in Kontakt, mit der Bevölkerung? Gehen Sie mal raus?"
"Wir hatten die Möglichkeit ein 'Walkout' zu machen, das bedeutet, dass man raus gehen kann nach Prizren, sich die Stadt angucken, zum Beispiel die Burg. Also, viel Kontakt haben wir nicht zur Zivilbevölkerung, außer die, die hier drinnen arbeiten. Mit denen redet man doch ab und zu mal. Die können eigentlich alle ziemlich gut Deutsch."
Einheimische müssen sich nach neuen Jobs umsehen
Über 200 Kosovaren aus Prizren und Umgebung arbeiten immerhin im Feldlager, vor allem in der Kantine und als Reinigungskräfte. Doch die einheimischen Angestellten müssen sich langsam nach einem neuen Job umsehen, denn die Bundeswehr bricht zum Jahresende ihre Zelte ab, zumindest hier in Prizren.
80 deutsche Soldaten werden weiterhin im KFOR-Hauptquartier in Pristina Dienst tun. Die Sicherheitslage sei heute eine andere als noch vor zehn Jahren, berichtet Oberstleutnant Christian Kiesel in seinem Büro. Der 42-jährige Unterfranke leitet das aktuelle deutsche KFOR-Kontingent – und nur er darf als Kommandeur mit vollem Namen genannt werden:
"Die Aufgabe war zunächst mal, gerade in der Region Prizren als deutsches Kontingent hier ein stabiles und sicheres Umfeld zu schaffen – ganz platt gesagt: damit die Bevölkerung hier in Ruhe leben kann, um sich eine Existenz aufzubauen. Das haben wir, denke ich, über die letzten knapp 20 Jahre gut erreicht."
Vor zehn Jahren etwa hätten die deutschen KFOR-Soldaten noch klassische Polizeiaufgaben übernommen in der Region, man sei regelmäßig Patrouille gefahren, habe Checkpoints eingerichtet, um gegen kriminelle Banden vorzugehen. All das sei übergegangen in die Hände der kosovarischen Polizei, die gute Arbeit leiste.
" ... gleichwohl es noch politische Probleme gibt, die leider auch seit 15 Jahren, glaube ich, dieselben sind, so höre ich das immer. Als Beispiel organisierte Kriminalität, Korruption, auch die alten Machteliten, die noch hier das politische Sagen haben. Aber dann sagt auch eben jeder: Wir wissen, dass Ihr da als Streitkräfte nichts mehr tun könnt. Das müssen wir selber lösen. Die Probleme können wir nur selber in den Griff bekommen."
Material wird abtransportiert
Und so ist der Hauptjob der Soldaten im Moment: Rück- und Abbau des Feldlagers. Überall wird entrümpelt und abgerissen. Fahrzeuge, Waffen, Ausrüstung, die nach Deutschland zurückgehen, werden in einer sogenannten Materialschleuse geprüft und dann auf die Reise geschickt, per Flugzeug oder Lkw. Die Hälfte des Materials ist schon weg. Anfang 2019 dann wird die Bundeswehr das Feldlager an die Vereinten Nationen übergeben: Auf dem Gelände soll dann ein Innovations- und Ausbildungspark entstehen – das Ende einer Ära für die Bundeswehr, der Beginn von etwas Neuem für die Menschen im Südkosovo.
(*) In der ursprünglichen Textfassung und im Audiobeitrag wurde Daniel W. ein falscher militärischer Dienstgrad zugeschrieben. Der Online-Text enthält jetzt die korrekte Bezeichnung.
(**) Der Name des Panzerfahrzeugs wurde im usprünglichen Text versehentlich falsch geschrieben. Wir haben den Fehler korrigiert.