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Humboldt-Forum
Eine kulturelle Einheit in der Mitte Berlins

Das Humboldt-Forum soll mit seiner völkerkundlichen Sammlung eine inhaltliche Fortsetzung der Museumsinsel werden. Durch die Verknüpfung der beiden Häuser habe der Besucher die Chance, in der Mitte Berlins die Kunst- und Kulturgeschichte der Welt nachzuempfinden, sagte Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, im DLF.

Hermann Parzinger im Gespräch mit Beatrix Novy |
    Hermann Parzinger, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
    Hermann Parzinger: "Selbstverständlich würden wir uns wünschen, das Ganze würde eine Einheit bilden, auch städtebaulich." (Deutschlandradio Kultur / Manfred Hilling)
    Beatrix Novy: Als machtstrotzendes Indiz für die bleierne Verpreußung Berlins hat gerade noch ein österreichischer Kritiker das Stadtschloss gebrandmarkt, das in Berlin seiner Vollendung entgegenwächst. Das mit der Verpreußung sehen aber die Verantwortlichen für das Humboldt-Forum, das im Stadtschloss eingerichtet wird, gerade andersrum. Es gibt das Preußen, das nach 1871 und der Reichsgründung auf seine militaristisch-autoritäre Seite reduziert wurde, aber es gibt auch das Preußen, das für ganz andere Dinge steht, eben freie Forschung und Lehre, an den Hochschulen Reformgeist, Museumsgründungen. Berliner Museumsinsel ohne Preußen gäb's ja nicht.
    In unserer Reihe über das Humboldt-Forum, Teil fünf heute, kommt Hermann Parzinger zu Wort, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und mit Horst Bredekamp und Neil MacGregor verantwortlich für das Humboldt-Forum. Lange galt ja die völkerkundliche Sammlung, die den Grundstock des Forums bildet, als reine Verlegenheitslösung, um eben den Raum zu füllen, Hermann Parzinger hingegen sagt, das Humboldt-Forum wird eine inhaltliche Fortsetzung beziehungsweise Erweiterung der Museumsinsel sein. Und danach habe ich ihn gefragt, was verbindet denn zum Beispiel das Alte Museum mit dem Humboldt-Forum?
    Hermann Parzinger: Nun, das Alte Museum mit dem Humboldt-Forum verbindet die Tatsache, dass wir im Alten Museum eine herausragende Sammlung von klassischer antiker Skulptur haben, griechischer Skulptur, frührömischer Skulptur, und im Humboldt-Forum zum Beispiel haben wir die Gandara-Kultur, die Gandara-Kunst, die in Nordpakistan entstanden ist, in Afghanistan, ein Gebiet, in dem griechische Siedler infolge des Alexander-Zuges sich niedergelassen haben, also sozusagen eine Verpflanzung griechischer Kultur, und die dort zu Neuschöpfungen auch kommt, also im Grunde die Gegenüberstellung von Original aus dem Ursprungsgebiet und dem Beispiel der Gandara-Kultur und Gandara-Kunst eben, Weiterentwicklung in einem anderen Umfeld. Das sind so inhaltliche Verknüpfungen, aber es ist natürlich auch so, man muss es insgesamt – Museumsinsel und Humboldt-Forum – als Einheit sehen, eine Einheit, die ursprünglich auch im Schloss, und zwar im alten Schloss auch existierte, denn alle Sammlungen aller Berliner Museen, der Staatlichen Museen zu Berlin, waren früher im Schloss untergebracht, seit dem 18. Jahrhundert – es geht sogar noch weiter zurück, aber im 18., im 19. vor allem. Aber dann im Beginn des 19. mit dem Alten Museum – da sind wir schon wieder bei diesem wunderbaren Museumsbau – begann dann schrittweise mit der Errichtung dann der verschiedenen Häuser der Museumsinsel der Auszug der Sammlungen aus dem Schloss, und der zog hinüber eben in die verschiedenen Museen.
    Novy: Das wäre also dann der Prozess zurück unter allerdings sehr veränderten Bedingungen. Aber ich möchte noch einmal auf Ihr schönes Beispiel mit der Gandara-Kultur eingehen: Wie wird denn so eine innere Beziehung sichtbar werden, wird es dann Objekte geben aus den Häusern auf der Museumsinsel, im Humboldt-Forum zum Beispiel?
    Parzinger: Ja, das kann man sich sehr gut vorstellen, dass man doch einzelne Skulpturen jetzt an so einem konkreten Beispiel eben solche Verbindungen sichtbar macht. Ich glaube, es ist wichtig, dass man das Potenzial der Sammlungen zu beiden Seiten des Lustgartens im Humboldt-Forum und auf der Museumsinsel wirklich in diese Richtung entwickelt, um diese Verbindungen und Einflüsse deutlich zu machen.
    Das heißt aber jetzt natürlich auch nicht, dass man die Sammlungen komplett durchmischt, sondern die einzelnen Schwerpunkte sind ja klar verortet. Und das Großartige, was die Mitte Berlins dann ja bieten würde, ist ja, dass mit Museumsinsel und Humboldt-Forum im Grunde der Besucher die Chance hat, wirklich einen Weg durch die ganze Welt, durch die Kunst- und Kulturentwicklung der Welt zurückzulegen. Und die Welt ist eben nicht nur das, was im Humboldt-Forum zu sehen ist – Asien, Afrika, Amerika, Ozeanien –, sondern da gehört natürlich auch Europa und der Nahe Osten dazu.
    Das Bodemuseum in Berlin gehört zum Ensemble der Museumsinsel
    Das Bodemuseum in Berlin gehört zum Ensemble der Museumsinsel (picture alliance / dpa / Paul Zinken)
    Novy: Sie haben einmal geschrieben, das Humboldt-Forum sei die Weiterentwicklung einer großen Idee des 19. Jahrhunderts, nämlich der Museumsinsel, und diese Weiterentwicklung sei dann die Vision für den Anfang des 21. Jahrhunderts. Nun war ja die große Idee des 19. Jahrhunderts, die Nation - vor diesem Hintergrund wurde auch Weltkultur gesammelt, es gab eine klare Deutung der Geschichte als aufsteigende Entwicklung, auch wieder mit einer klaren Vorstellung, wer da der Vorreiter ist, es gab ein klares Gefälle zwischen antiken Amphoren, das war der Vorläufer unserer Zivilisation sozusagen, und sagen wir mal westafrikanischen Tontöpfen. Wie kann man das weiterentwickeln in die heutige Zeit?
    Parzinger: Nun, es ist, glaube ich, ein bisschen zu vereinfacht, wenn man sagt, wir haben die europäischen, nahöstlichen Hochkulturen und der ganze Rest ist dann irgendwie - sind Tontöpfe oder ist von der Wertigkeit nicht gleichbedeutend.
    Novy: Ich hab die Amphoren mit den Tontöpfen verglichen, als Alltagsobjekte.
    Parzinger: Klar, aber das eine ist eine Hochkultur und das andere ist eine vermeintliche Kultur, die eben keinen zivilisatorischen, sagen wir mal, Standard erreicht hat. Aber wenn Sie heute auf ...
    Novy: So sagen wir mal des Sammelns.
    Parzinger: Ja, eben wenn Sie auch damals - ich meine, man hat ja auch prähistorische Dinge aus Europa, aus Deutschland gesammelt. Wenn Sie heute ins Neue Museum gehen, dann sehen Sie Alltagsgegenstände aus einer Entwicklungsphase, die eben nicht mit Hochkulturen vergleichbar ist.
    Ich glaube, heute sind wir doch weiter darüber hinweg, und wir wollen Kulturentwicklung, kulturelle Errungenschaften, auch die Auseinandersetzung des Menschen mit seiner Umwelt, mit seinem Lebensraum immer zu den verschiedenen Zeiten darstellen, wie es auch gewesen ist. Es haben sich Hochkulturen entwickelt, wir haben die Hochkultur Mesoamerikas, die Maya, die Azteken, das wird im Humboldt-Forum eine Rolle spielen, wir haben Zentralasien, wir haben China, also Ostasien, das wird im Humboldt-Forum eine Rolle spielen, und wir haben die nahöstlichen Hochkulturen, wir haben Griechisch-Römisches auf der Museumsinsel.
    Ich glaube, es ist einfach wichtig, dass man sich klarmacht und der Besucher auch die Chance bekommt zu vergleichen, unter welchen Voraussetzungen sind wo irgendwo auf der Welt und zu welchem Zeitpunkt wirklich Hochkulturen entstanden, und wo sind zwar keine Zivilisation entstanden, aber wo hat der Mensch sich doch auch immer wieder gegen seine Umwelt sich durchgesetzt.
    Das wird im Humboldt-Forum mal spannend werden, denn dort geht es ja um kulturelle Hinterlassenschaften aus Wüstengebieten, aus tropischen Gebieten, aus der Arktis, also Lebensräume, die ja extrem siedlungs- und lebensfeindlich waren, und dennoch kam es dort zu ganz erstaunlichen Entwicklungen. Und das wirklich deutlich zu machen, ist, glaube ich, ganz, ganz wichtig, um solche Prozesse auch wirklich zu verstehen und einordnen zu können.
    Städtebauliche Einheit der Kulturstätten gewünscht
    Novy: Wird dieser inhaltliche Parcours, der Ihnen vorschwebt, nicht auch eine stadträumliche Gestaltung irgendwie brauchen, also dass die Außenräume so geschaltet werden, dass man die Wege auch findet zwischen Museumsinsel und Humboldt-Forum?
    Parzinger: Die Verbindung zwischen Museumsinsel und Humboldt-Forum, aber vor allem, wie man vom Schloss dann und dem Vorplatz rüber in den Lustgarten kommt, ist natürlich ganz wichtig.
    Selbstverständlich würden wir uns wünschen, das Ganze würde eine Einheit bilden, auch städtebaulich, also nicht durch eine viel befahrene Straße getrennt. Das wird nun leider nicht möglich sein, weil die Verkehrsführungen halt so sind, wie sie sind. Es gibt Pläne des Senats, hier zwischen der Verlängerung des Lustgartens zum Schloss und zum Humboldt-Forum hin eine Verkehrsberuhigung, Tempobegrenzung und so weiter einzubringen, sodass sozusagen der Verkehr wenigstens etwas beruhigt wird, aber natürlich wäre es wichtig und wird es wichtig sein, das zusammenzuführen.
    Aber ich glaube, wie auch immer, eine Stadt ist lebendig, eine Stadt wird immer von Straßen durchkreuzt. Schauen Sie nur die Bahnlinie, die zwischen Bode-Museum und Pergamonmuseum hindurchführt – keiner würde heute sagen, es beeinträchtigt das Gefühl, die Museumsinsel als Einheit zu sehen. Es kommt drauf an, dass wirklich die Inhalte in den einzelnen Häusern, dass das stimmt und dass man auch als Besucher begreift und vermittelt bekommt – da gibt's ja vielerlei Medien heute, das zu tun –, dass diesseits und jenseits des Lustgartens, dass das einfach zusammengehört.
    "Man muss sich klar machen, was die Folgen sind"
    Novy: Es gibt ja da eine Initiative für ein Flussbad in der Spree zwischen Schloss und Bode-Museum, das würde ja auch die Popularität des ganzen Areals steigern, oder?
    Parzinger: Ja, ich glaube, ob man Popularität immer mit Spaßkultur gleichsetzen muss. Ich meine, das ist ja eine nette Idee und auch dieser Gedanke der ökologischen Reinigung am Oberlauf dieses Spreearms, das ist eine tolle Idee. Ich glaube, das hat ja viele zunächst auch mal überzeugt, aber man muss sich natürlich klarmachen, was sind die Folgen eigentlich, wenn ich dort so etwas mache. Also ich meine, wenn ich an der Museumsinsel Schinkels Ufermauer einreißen muss, um da eine Freitreppe zu realisieren, damit die Leute überhaupt ins Wasser kommen, dann ist es ein Eingriff in die Integrität der Museumsinsel.
    Und da werden ja nicht nur zehn oder zwanzig Leute schwimmen. Wenn man sich vorstellt, viele, viele Menschen – da gibt's Müllprobleme, wo ziehen die sich um, wo gehen die eigentlich auf die Toiletten hin, auf all diese Fragen gibt es keine Antwort. Und das bei einem Ort, den nun wirklich so bedeutsam ist. In der Mitte Berlins mit Museumsinsel, Humboldt-Forum, glaube ich, möchte man schon eine Antwort auf diese Frage finden. Und ich glaube, es ist auch falsch zu sagen, dass wäre ein menschenleerer, ein toter Ort, und deshalb muss da jetzt so eine Badekultur, so eine Spaßkultur her. Ich meine, dann muss man mal in die Kolonnaden, auch in den Lustgarten gehen, gerade jetzt, wenn die schöne Jahreszeit ist.
    Es sind viele Menschen, junge Menschen, die sitzen da und so weiter, also es ist ja nicht so, dass da kein Mensch hingeht, sondern da findet eigentlich eine ganze Menge statt.
    "Das ist ein Eingriff in die Integrität der Museumsinsel"
    Novy: Und das wäre dann nur ein Stück Eventkultur, das der Museumsinsel nicht nützen würde, Ihrer Meinung nach?
    Parzinger: Nicht nützen würde, und da muss man sich überlegen, ob man so was woanders realisieren wird. Ich meine, ein Eingriff, wie gesagt, in die Integrität der Museumsinsel mit dem Abriss der Schinkel'schen Ufermauer, das finde ich nicht unbeträchtlich – wenn man andererseits sieht, bei der ganzen Weiterentwicklung der Museumsinsel, wie, sagen wir mal, ernsthaft man jede kleinste Veränderung in historischer Bausubstanz diskutieren muss, und sicher wird das auch das Welterbezentrum der UNESCO sich auch noch mal damit befassen müssen.
    Novy: Das war Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, über die innere Verbindung von Museumsinsel und Humboldt-Forum in Berlin-Mitte.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.