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Humboldt Forum im Berliner Schloss
Barocke Pracht und öder Beton

Der Schlüterhof im Berliner Humboldt Forum ist fast fertig. Die Leichtigkeit der barocken Architektur überzeugt, Franco Stellas Betonkonstruktion erinnere dagegen an den gesichtslosen Charme eines Kaufhauses, meint unsere Kritikerin.

Von Christiane Habermalz |
    Harmonie sieht anders aus - architektonischer Stilbruch im Schlüterhof des Berliner Schlosses, während der Tage der offenen Baustelle
    Harmonie sieht anders aus - architektonischer Stilbruch im Schlüterhof des Berliner Schlosses (picture alliance/Bernd von Jutrczenka/dpa)
    Es ist doch nur ein kleiner erster Eindruck gewesen von der künftigen Barock-Pracht des rekonstruierten Schlüterhofes, denn noch fehlen die großen Monumentalfiguren auf den Podesten der Fassaden. Doch der Blick in den weitgehend abgerüsteten Schlüterhof, wie ihn auch die Besucher am Tag der offenen Tür am Wochenende sehen werden, reicht für zwei grundlegende Einsichten. Erstens, wie schön und licht doch im frühen 18. Jahrhundert gebaut wurde – wie leicht, trotz des barocken Überschwangs, die Schlütersche Gestaltung daherkommt, und zweitens, wie grau-gesichtslos-funktional dagegen das, was Franco Stella dem hinzugefügt hat, der italienische Architekt, der den Neubau plante.
    Eher Galeria Kaufhof als Uffizien
    Drei Seiten Schlüter, eine Seite Stella: So wie die Außenfassade ist auch der Schlüterhof gestaltet. Wo der britische Architekt David Chipperfield am Neuen Museum gezeigt hat, wie Alt und Neu sehr wohl zusammengehen – hier wirkt es in seiner frostigen Rationalität wie eine zufällig angeklatschte Bürohaus-Wand. Ähnlich die Ästhetik der Passage, durch die die Menschen einst von Nord nach Süd durchs Humboldt Forum werden flanieren können. Vorne und hinten Barock, rechts und links Edelbeton mit Fensterlöchern, hoch und schmal: Laut Stella den Uffizien in Florenz nachempfunden, werden die meisten Menschen wohl eher an Galeria Kaufhof erinnert werden. Dennoch, unübersehbar: Das Berliner Schloss, vom SED-Staat 1950 gesprengt, ist wiederauferstanden, allen Unkenrufen zum Trotz im Zeit- und Kostenplan. Der Hamburger Unternehmer Wilhelm von Boddien, der 1993 mit seiner Schlosssimulation aus Plastikplanen den Anstoß dafür gab, dankte nun ironisch den Journalisten für ihre Aufbauhilfe.
    "Ich muss also Ihnen als Medien für diese 28 Jahre Treibjagd danken! Sie haben uns nämlich mit Ihrer Kritik zu Höchstleistungen angespornt. Wir wollten es Ihnen zeigen, dass es geht. Und dass wir es können."
    Wie auch immer man zur Rekonstruktion steht – dass sie es können, haben sie gezeigt in der Schlossbauhütte in Spandau. Auch dank moderner Technik. Die unzähligen Adler, Wappen, Putti, Girlanden und Säulenkapitelle wurden nach Fotos oder noch erhaltenen Originalteilen erst in Gips modelliert, dann eingescannt und mittels 3-D-Fräsen in der richtigen Form aus dem Sandstein geschnitten.
    "Zehn Prozent ließen sie stehen, das war so programmiert. Und diese zehn Prozent sind dann händisch von großartigen Bildhauern weggemeißelt worden. So dass auch die Individualität bei einem seriellen Kunstwerk immer wieder durch Abweichung innerhalb der zehn Prozent hergestellt wurde. Wenn Sie draußen sich die Fassaden ansehen, dann sehen Sie die ganzen Unregelmäßigkeiten, die dieses Haus so lebendig machte."
    Schlichte Funktionalität in den Innenräumen
    Wieviel davon noch Schlüter ist, der als Architekt den Umbau des Schlosses im Auftrag von Kurfürst Friedrich III. zwischen 1699 und 1706 leitete und als Bildhauer die Fassaden im Stile des Barock entwarf, das wird schwer zu beurteilen sein – zumal viele der Figuren bereits im 19. Jahrhundert ergänzt oder ausgetauscht wurden. Schlüter war stark von Gian Lorenzo Berninis Entwurf für den Louvre beeinflusst. Sämtliche Fassaden am Außenbau des Schlosses dürften zwar nach seinen Vorgaben, aber wohl durch seine Werkstatt geschaffen worden sein – anders als bei der Innenausstattung, insbesondere beim grandiosen "Gigantensturz" im Haupttreppenhaus. Hier dürfte Schlüter jeweils eigenhändig die Ausführung beziehungsweise das Finish übernommen haben. Doch die Innenräume werden im Humboldt Forum nicht rekonstruiert – hier herrscht, soweit das Auge reicht, schlichte Funktionalität. Statt der Giganten werden Rolltreppen Besucher in die oberen Stockwerke geleiten. Die Museen freut das – Schnörkel am Bau stören ohnehin nur das Ausstellungsdesign. Und was Schlüter angeht, die Frage von Kopie und Original – da bemüht Boddien gerne die Musik-Metapher. Werden nicht auch alte Musikstücke immer wieder neu aufgeführt? Warum also nicht auch Architektur?

    "Sie ist eine Partitur, sie lebt vom Plan und von dem Geiste. Sie hätten heute keine Kenntnis von irgendeiner französischen Kathedrale, wenn sie nicht ständig restauriert würde. Den Kölner Dom einmal ohne Gerüste zu sehen, ist unmöglich. Und so haben sich die Originale aus dem 13. Jahrhundert längst zur Kopie verwandelt durch ihre dauernde Restaurierung. Und dieses Haus taktet sich jetzt in diesen Strom ein."
    Dass zwischen Original und Kopie durchaus Interpretationsspielraum liegt – Boddien kümmert es nicht. So trägt im Schlüterhof eine der barocken Löwenmasken an der Dachtraufe keine Mähne. Die Abenteurerin Heidi Hetzer hat sie gespendet, nach ihrer Rückkehr von einer zweijährigen Weltreise mit einem Oldtimer. Weil sie aber eine Löwin sei und kein Löwe, wollte sie ihn weiblich, also ohne Mähne. Geschenkt.