Vier philosophische Fakultäten? Viele sind verwirrt, wenn sie das erste Mal mit der Humboldt-Uni zu tun haben. Die Erziehungswissenschaften in der philosophischen Fakultät – kurz Phil-Fak IV, die Afrikawissenschaften in der Phil-Fak III, die Romanisten in der philosophischen Fakultät II, die europäischen Ethnologen allerdings in der mit der Nummer I. Da blickt selbst der Präsident nicht mehr durch.
"Ich hab‘ bis heute Mühe, Ihnen zu sagen, welche Fächer eigentlich und welche Institute zur Philosophischen Fakultät römisch drei gehören oder römisch zwei. Auch wenn wir uns nach außen darstellen, provozieren wir immerzu die Frage: 'Was sind, was ist denn das?' "
Jan-Hendrik Olbertz führt seit knapp vier Jahren die Humboldtuni, die seit zwei Jahren den begehrten Titel "Exzellenzuniversität" tragen darf. Eine dringend reformbedürftige Hochschule habe er vorgefunden.
"Reformbedürftig deswegen, weil wir im Moment eine große Vielzahl kleiner und kleinster akademischer Strukturen haben, Institute und Lehrstühle, die natürlich auf sich selbst bezogen agieren, also in den engen Grenzen sich bewegen, die sie um sich herum gezogen haben, und die zugleich eine relativ hohe Neigung zur Selbstreproduktion haben, wenn es freie Stellen gibt."
Ein Beispiel: der bisherige landwirtschaftlich-gärtnerische Fachbereich verschmilzt mit Biologie und Psychologie zur Fakultät "Lebenswissenschaften" – Unipräsident Olbertz hofft so auf mehr interdisziplinäre Forschung. Ähnlich die Geisteswissenschaften – aus den bisherigen Philosophischen Fachbereichen III und IV wird ab heute die Kultur-, Sozial-, und bildungswissenschaftliche Fakultät.
Den meisten Widerstand leisteten die Studierenden
Die grundsätzliche Reformidee konnten alle mittragen. Doch als es dann ans Eingemachte ging – welche Fakultät muss ihre Eigenständigkeit aufgeben? – wurde die Diskussion lauter und härter. Den größten Widerstand leisteten die Studierenden. Enno Hinz, Referent für Hochschulpolitik im Asta – an der Humboldtuni ReferentInnen-Rat genannt - hätte gerne die vielen kleinen Fakultäten beibehalten.
"Wir halten das für schwierig, in so ‘ner großen Fakultät Mitbestimmung zu realisieren und gehen davon aus, dass Wege weiter werden, dass da keine inhaltliche Konzeption hinter so einer großen Fakultät stehen kann, einfach aufgrund der Vielzahl der verschiedenen Fächer und der sehr unterschiedlichen Fächer."
Die Debatte eskalierte im Dezember letzten Jahres. Die Vertreter der Studierenden im Akademischen Senat legten ihr Veto ein. Daraufhin legte Jan-Hendrik Olbertz sein Amt als Präsident nieder. Die Studierenden waren geschockt, zogen ihr Veto zurück – es folgte der Rücktritt vom Rücktritt. Wir hätten nicht einknicken dürfen, resümiert Enno Hinz heute.
"Mir liegt nichts am Rücktritt von Herrn Olbertz, aber wenn er eben sich nur vorstellen kann zu bleiben mit der Reform, dann hätte man ihn gehenlassen müssen."
Reform kein Sparkonzept
Doch Jan-Hendrik Olbertz hat sich durchgesetzt. Auch, weil die Reform kein Sparkonzept ist – knapp drei Millionen Euro nimmt die Uni extra in die Hand, um die neuen Strukturen umsetzen zu können. Die Studierenden bleiben skeptisch:
"Wir haben die Befürchtung, dass die Fakultätsreform die Entscheidungsstrukturen umstellt und eine Kürzungsrunde, die in den nächsten Jahren auf uns zukommt, vorbereiten soll oder eben durchsetzbarer, durchführbarer machen soll."
Mit ein paar starken Dekanen von oben durchregieren wolle der Präsident, meint die Studentenvertretung. Jan-Hendrik Olbertz hält dagegen. Er fordert für seine Universität:
"Sie muss schneller werden, sie muss auch ihre Prozesse professioneller führen und gestalten, aber sie muss dabei auch Maß halten. Ich sag‘ das nicht nur aus Gründen der Rechtfertigung, sondern aus tiefer Überzeugung, dass wir die Universität nicht ökonomisieren dürfen."
Der erste Schritt der Fakultätsreform tritt heute in kraft, der zweite folgt auf dem Fuß. Weitere Fachbereiche werden ihre Eigenständigkeit verlieren. Geht es nach Unipräsident Olbertz trifft es als nächstes die theologische Fakultät. Proteste sind vorprogrammiert.