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Humor und Religion
Clowns in der Kirche

Viele Religionsvertreter scheinen zum Lachen in den Keller zu gehen - oder sie nehmen sich und ihre Religion so ernst, dass sie das Lachen verbieten. Aber Lachen ist vielen Menschen so wichtig wie ihr Glaube. Warum also nicht in Kirchen lachen? Etwa beim Clown-Gottesdienst in London.

Von Ada von der Decken | 18.02.2019
    Ein Clown in der All-Saints-Kirche in Haggerston, London
    Bunte Besucher beim Clown-Gottesdienst in der All-Saints-Kirche in London (Von Ada von der Decken/ Deutschlandradio)
    Im Stadtteil Haggerston im Londoner Osten bietet sich ein schräges Bild: Fotografen, Kamerateams und Reporter sind angerückt: In der All-Saints-Kirche geht es heute Nachmittag nämlich sehr bunt, laut und fröhlich zu: Heute findet ein Clown-Gottesdienst statt. Genauer: Der Joseph-Grimaldi-Gedenkgottesdienst. Seit fast 50 Jahren erinnert die Organisation Clowns International einmal jährlich an den Urvater des modernen Clowns: Joseph Grimaldi. Ursprünglich traf man sich in der St. James Kirche in Islington, wo der berühmte Clown und Pantomime-Künstler beerdigt wurde. Diese Kirche ist aber inzwischen abgerissen. Etwa 50 Clowns haben sich versammelt.
    Der Clown Mattie in der All-Saints-Kirche im Stadtteil Haggerston, London
    Der Clown Mattie in der All-Saints-Kirche (Ada von der Decken/ Deutschlandradio)
    "Hello, German Radio Station!"
    Matthew oder Clown Mattie schaut vom Altar aus auf die gefüllten Kirchenbänke:
    "Es ist so eine wunderbare herrliche Atmosphäre in dieser Kirche, und dies ist - zumindest heute - die beliebteste Kirche Londons. Wir beten für das Lachen der Welt und wollen, dass die ganze Welt glücklich ist. Wir wissen, dass das leider nicht so ist: Die Welt ist nicht besonders fröhlich. Aber wir Clowns, wir sind sehr glücklich."
    "Gott hat uns so geschaffen!"
    Clown-Sein ist für ihn viel mehr als das Rumalbern in der Zirkus-Manege: Er hat 20 Jahre lang als Clown-Doktor gearbeitet und Menschen in schwierigen und aussichtslosen Lebenslagen ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Ernste Themen und Humor - das gehört für viele hier zusammen. Auch für Laura "Joy" Fawcett. Die Pastorin trägt die Freude schon im Namen. Sie strahlt beim Anblick der gefüllten Ränge.
    "Humor ist wichtig für die Religion. Manchmal nehmen wir uns selbst zu ernst. Aber Humor macht den Menschen aus. Gott hat uns so geschaffen!"
    Laura "Joy" Fawcett beim Joseph-Grimaldi-Gedenkgottesdienst in London. In den Kirchenbänke sitzen bunte Clowns
    Laura "Joy" Fawcett beim Joseph-Grimaldi-Gedenkgottesdienst (Ada von der Decken/ Deutschlandradio)
    Humor komme im kirchlichen Alltag zu kurz. Dabei lassen sich etwa zwischen einem Gottesdienst und einer Stand-up-Comedy-Show ein paar Parallelen ziehen, meint Patrick McKearney. Er forscht als Sozialanthropologe an der Universität Cambridge zum Thema Humor und Religion:
    "Die Fähigkeiten, die man für eine gute Predigt braucht, sind gar nicht so anders als jene, die man für einen guten Stand-up braucht. Man muss die Menschen dort abholen, wo sie sind. Sie sollen zuhören und sich gedanklich zu etwas hinführen lassen, was sie nicht erwartet haben."
    "Ein Klischee über religiöse Menschen"
    Patrick McKearney will der Auffassung, fromm sein müsse immer mit Ernsthaftigkeit einhergehen, etwas entgegensetzen:
    "Es ist ein weitverbreitetes Klischee über religiöse Menschen, dass man, um fromm zu sein, so gefestigt sein muss, sich seines Glaubens so sicher sein muss, dass man nicht darüber lachen kann. Das setzt voraus, dass sich Religion und Hingabe auf der einen Seite und Humor und Kritik auf der anderen Seite als Gegensätze gegenüberstehen. Dabei wird außer Acht gelassen, dass religiöse Menschen sich oft mit anderen darüber austauschen, was sie glauben sollen, und dass es innerhalb von Religion durchaus Kritik gibt."
    Tabus ausloten
    Als Brite sieht Patrick McKearney aber auch die dunklen Seiten des Humors, auch wenn das Lachen allgemein als befreiend wahrgenommen werde.
    Patrick McKearney lächelt in die Kamera, im Hintergrund sind Bäume und eine Wiese zu sehen
    Patrick McKearney, Sozialanthropologe an der Universität Cambridge (privat)
    "Was ich spannend finde: Normalerweise wird Humor als etwas vollkommen Gutes angesehen: Wir verbinden Humor mit demokratischen Werten, mit Kritikfähigkeit und Selbstreflexion. Dabei wird manchmal vernachlässigt, dass Humor und bestimmte Formen von Blasphemie auch eine dunkle Seite haben. Humor wird auch benutzt, um sich von anderen Menschen ganz entschieden zu distanzieren oder sie zu demütigen."
    Mit Humor und Ironie werden also stets auch Tabu-Themen ausgelotet und Grenzen überschritten. Beim Gottesdienst mit den farbenfrohen Clowns in London aber soll das Einende des Humors im Vordergrund stehen, sagt Laura Joy Fawcett, die Pastorin:
    "Es hilft uns Gott in der Welt zu sehen"
    "Religion kann etwas sein, das uns trennt, aber Humor ist im Kern das, was uns menschlich macht und uns verbindet. Er hilft uns Gott in der Welt zu sehen: Dinge, die uns zum Lächeln bringen, Dinge, für die wir dankbar sein können. Dinge, die wir manchmal als selbstverständlich hinnehmen."
    Performances und Sketche im Gottesdienst - warum Humor hierhin gehört, fasst PJ - The Magical Clown zusammen:
    "Lachen ist so wichtig - auch in der Kirche. Denn wer lacht, ist entspannt und hört eher zu, was andere zu sagen haben. Deshalb sind wir Clowns so wichtig."