Auch für heute und die kommenden Tage wurden Demos gegen Rechtsextremismus angekündigt. Auslöser sind Enthüllungen des Recherchezentrums Correctiv über ein Treffen von Rechtsextremisten Ende November mit AfD-Politikern, bei dem Möglichkeiten zu Vertreibungen und Deportationen im Fall eines Wahlsiegs besprochen wurden.
Aufgrund des unerwarteten Andrangs mussten auch am gestrigen Sonntag wieder Kundgebungen aus Sicherheitsgründen abgebrochen oder ausgeweitet werden. In München gingen die Veranstalter sogar von bis zu 250.000 Teilnehmenden aus. Die Kundgebung am Siegestor wurde wegen des großen Andrangs vorzeitig beendet. In Berlin versammelten sich die Menschen zunächst auf der Wiese vor dem Reichstagsgebäude. Wegen des anhaltenden Zustroms gab die Polizei auch die Straße des 17. Juni als zusätzliche Versammlungsfläche frei. Auf den Plakaten der Demonstranten war unter anderem zu lesen: "AfD - Ein Albtraum für Deutschland" und "Braune Flaschen gehören in den Altglascontainer nicht in den Bundestag".
Zehntausende demonstrieren auch in Ostdeutschland
Zahlreich gingen auch Menschen in Ostdeutschland auf die Straße. In Sachsen beteiligten sich laut der Initiative "Solidarische Vernetzung Sachsen" insgesamt rund 110.000 Menschen. In Leipzig sprach die Polizei von mehr als 60.000, in Dresden von 20.000 und in Chemnitz von rund 12.000 Menschen.
In Köln nahmen rund 70.000 Menschen an einer Demonstration teil; in Bremen waren es 45.000. Kundgebungen fanden außerdem in Saarbrücken, Görlitz und Cottbus sowie zahlreichen weiteren Städten statt.
In Cottbus nahm auch Brandenburgs Ministerpräsident Woidke (SPD) an der Veranstaltung teil. Der Regierungschef lobte den breiten Protest und warnte vor den Folgen von Extremismus: "Keiner kann heute mehr sagen, er hätte nicht gewusst, was diese Extremisten mit diesem Land vorhaben, was sie mit Menschen vorhaben, die anderer Herkunft sind, anderer Religion sind oder aber die anderer Meinung sind. Wehret den Anfängen!"
Anlass für die anhaltenden Proteste in ganz Deutschland sind Berichte über ein Treffen von Rechtsextremen mit hochrangigen AfD-Funktionären und Vertretern der Werteunion, um Pläne für eine massenhafte Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund zu erörtern. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Baumann wies die Vorwürfe gegen seine Partei erneut zurück. Er sprach im ARD-Fernsehen von einer Kampagne gegen die AfD.
Bundespräsident Steinmeier dankt Demonstranten
Auch Bundespräsident Steinmeier würdigte das Engagement der Demonstranten. Sie verteidigten die Republik und das Grundgesetz gegen seine Feinde und machten damit allen Mut. Steinmeier rief zu einem Bündnis aller Demokratinnen und Demokraten auf. Bundestagspräsidentin Bas signalisierte auf der Plattform X ihre Unterstützung.
Auch der Grünen-Politiker und Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir lobte die Proteste. Tausende demonstrierten gegen Deportationsphantasien und für den Rechtsstaat, schrieb er im Kurznachrichtendienst Threads. Es gehe jetzt darum, das Land in der Mitte zusammenzuhalten. Zuvor hatte er auch im Interview der Woche des Deutschlandfunks die völkischen Vorstellungen der AfD und anderer kritisiert. Es könne doch nicht sein, dass die eigenen Vorfahren bei der Schlacht im Teutoburger Wald gegen die Alten Römer dabei gewesen sein müssten, damit man als Deutscher gelte. Wenn die AfD und andere wollten, dass man bald einen Nachweis über so etwas mitführen müsse und alle anderen das Land verlassen sollten, dann werde es sehr einsam in Deutschland. Dann bleibe nämlich kaum jemand übrig.
Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Haseloff, sprach von einem starken Signal gegen Rechtsextremismus und für ein demokratisches Miteinander, auf das man stolz sein könne. Bundesinnenministerin Faeser erklärte, die Demokratie lebe davon, dass viele Menschen Gesicht und Haltung zeigten. Das Internationale Auschwitz Komitee erklärte, die Kundgebungen seien ein machtvolles Zeichen der Bürger und eine Belebung der Demokratie.
Mehr als eine Million Menschen demonstrieren am Wochenende
Schon am Samstag waren bundesweit schätzungsweise 300.000 Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen. Die größten Kundgebungen fanden in Frankfurt am Main, Hannover, Dortmund und Braunschweig statt.
Am Freitagabend war bereits eine Demonstration in Hamburg wegen Überfüllung vorzeitig beendet worden. Hier wurde als Teilnehmerzahl bis zu 160.000 genannt, die Polizei sprach von mehr als 50.000. Insgesamt demonstrierten damit an diesem Wochenende mehr als eine Million Menschen gegen Rechtsextremismus. In den kommenden Tagen sind zahlreiche weitere Aktionen angekündigt worden - etwa in Bayreuth, Greifswald, Hamm, Heilbronn, Schwerin, Dessau oder Konstanz.
Politologin warnt vor Ausgrenzung
Die Politologin Ursula Münch warnte davor, diejenigen auszugrenzen, die sich noch nicht sicher seien, welche Partei sie wählen sollten. In einer Art Solidaritätseffekt könnten diese sonst noch mehr in die Arme der AfD getrieben werden, sagte Münch im Deutschlandfunk. Die Demokratie rette man nicht durch Demonstrationen. Viel wichtiger sei es, nach den Protestaktionen die Gesprächsfäden wieder aufzunehmen und auf andere mäßigend einzuwirken. Damit wäre dann wirklich etwas für die Demokratie erreicht.
"Wachrütteln auf der Straße" - viel Unterstützung aus Politik und Gesellschaft für Kundgebungen gegen rechts
Diese Nachricht wurde am 22.01.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.