Mit ohrenbetäubendem Geheule traf der mächtige Hurrikan Irma auf die kleinen Inseln der Antillen: Stundenlang bogen sich die Palmen von Saint Martin im Sturm, viele hielten nicht stand. Dächer flogen weg. Auf der 1.700-Einwohner zählenden Insel Barbuda sollen 90 Prozent der Häuser zerstört sein. Das Meerwasser drängte in die Straßen der Küstenorte der Karibikinseln. Irma ist in den letzten Stunden in geringer Entfernung an Puerto Rico vorbeigezogen. Mehr als ein Viertel der 3,4 Millionen Einwohner waren ohne Strom.
Ähnliches erwarten die Bewohner der anderen Karibikinseln, die auf Irmas Weg liegen: Heute ist es die Nordküste Hispaniolas, der großen Antilleninsel, die sich Haiti und die Dominikanische Republik teilen. Der Schweizer Ben Brendle betreibt ein Hotel in Sosúa, einem bei Deutschen beliebten Strandort der Dominikanischen Republik. Er habe Lebensmittel und Wasser beschafft, alle losen Teile befestigt und seinen Pool geleert, berichtet Brendle.
"Wir haben hier eigentlich meistens Glück. Die Hurrikans ziehen im Süden vorbei. Die Leute sagen: So einen Sturm hat es hier seit 110 Jahren nicht gegeben. Habe Angst um das Dach, dass der Wind es wegbläst."
Schutzräume hätten weder er noch die anderen Einwohner von Sosúa. Einer seiner Gäste, Wolfgang Müller aus Wuppertal sagt, er fühle sich gut vorbereitet: "Ich werde in mein Hotelzimmer gehen. Das sind offene Fenster mit Fliegenschutz und Lamellen aus Eisen. Die werden wir zumachen. Wenn es ganz schlimm wird, werde ich ins Badezimmer gehen. Da sind kleine Fenster."
Häuser aus Pappe und Stoffresten
Feste Häuser aus Stein sind für viele Einwohner des Nachbarlandes Haiti purer Luxus. Dort leben 80 Prozent der Bevölkerung in Armut, 24 Prozent in extremer Armut, das heißt: von weniger als einem Euro am Tag. Wer in selbstgebauten Behausungen aus Pappe und Stoffresten leben muss, ist auch schwächeren Hurrikans als Irma schutzlos ausgeliefert. Die Armut Haitis sei das größte Risiko, meint Claire Sartiaux von der Deutschen Welthungerhilfe, die in dem Land tätig ist:
"In der Theorie gibt es ein Programm für die Katastrophenprävention, das System ist auch durchdacht. Aber wenn dann wirklich eine Katastrophe im Anmarsch ist, dann fehlt es an sicheren Unterkünften. Es gibt nicht ausreichend Zugang zu frischem Wasser und Medikamenten. Die Hilfszentren sind nicht entsprechend ausgerüstet. In abgeschnittene Gebiete müssten eigentlich Hubschrauber geschickt werden, aber dafür fehlt das Geld."
So war es beim letzten verheerenden Hurrikan Matthew vor einem Jahr. Und schon jetzt ist absehbar, dass Haiti wieder besonders betroffen sein wird. Irma, mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 295 Kilometern pro Stunde einer der stärksten Wirbelstürme, die in der Region gemessen wurden, zieht an den nördlichen Küsten der großen Antilleninseln Hispaniola und später Kubas entlang.
Von dort könnte er direkt auf die Südspitze des US-Bundesstaats Florida zusteuern. Die kleinen Antillen rüsten sich schon für den nächsten Hurrikan. José folgt in wenigen Tagen Abstand auf Irma. Ein dritter Hurrikan hat sich im Golf von Mexiko gebildet: Katia wird am Freitag die mexikanische Küstenstadt Veracruz treffen.