Seit Oktober 2023 hat die Huthi-Miliz aus dem Jemen immer wieder Handelsschiffe im Roten Meer attackiert. Eines der Schiffe wurde sogar gekapert und entführt. Als Reaktion greifen die USA und Großbritannien seit Mitte Januar 2024 Stellungen der Huthi im Jemen an. Auch die EU hat einen Militäreinsatz zum Schutz eines der wichtigsten Seehandelswege der Welt beschlossen. Der Bundestag stimmte der deutschen Beteiligung am 23. Februar 2024 mit großer Mehrheit zu. Bereits zwei Wochen zuvor war die Fregatte "Hessen" ausgelaufen.
Die Huthi-Miliz zielt nach eigenen Angaben auf Schiffe, die mit Israel in Verbindung stehen, um die militant-islamistische Hamas im Gazastreifen zu unterstützen. Seit dem Terrorangriff vom 7. Oktober 2023 auf Israel führt die israelische Armee Krieg gegen die Hamas. Welche Ziele verfolgen die Huthi in dieser Situation?
Wer sind die Huthi-Rebellen?
Die Huthi sind eine schiitische, politisch-militärische Bewegung und eine Bürgerkriegspartei im Jemen. Der jüngste Konflikt in dem Land im Süden der Arabischen Halbinsel, das an Saudi-Arabien und Oman grenzt, begann 2004 mit dem Aufstand der Huthi unter ihrem religiösen und politischen Führer Hussein Badreddin al-Huthi gegen die sunnitisch geprägte jemenitische Regierung.
2014 besetzten die Huthi - die sich als Repräsentanten der Schiiten im Jemen sehen, die rund ein Prozent der Bevölkerung ausmachen - die Hauptstadt Sanaa. Dabei sollen sie vom ebenfalls schiitischen Iran unterstützt worden sein. Sie kontrollieren große Teile des Nordens im Jemen und lösten 2015 das Parlament auf.
Im gleichen Jahr begann eine Militärintervention unter Führung Saudi-Arabiens. Der Konflikt entwickelte sich zu einem Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran und dauert noch an. Durch die lange Dauer des Krieges haben viele der rund 32 Millionen Einwohner im Jemen ihre Lebensgrundlage verloren und sind auf die Unterstützung internationaler Hilfsorganisationen angewiesen.
Die Huthi sollen über 180.000 bis 200.000 bewaffnete Kämpfer und über Hubschrauber, Kampfflugzeuge, Panzer, Drohnen und ballistische Raketen verfügen.
Was wollen die Huthi?
Als Grund für ihre Angriffe im Roten Meer erklärten die Huthi, diese dienten der Unterstützung der militant-islamistischen Hamas und der Palästinenser im Gazastreifen. Sie forderten Nahrungsmittellieferungen und medizinische Hilfsgüter für das umkämpfte Gebiet. Die Angriffe würden fortgesetzt, bis Israel die Offensive im Gazastreifen beende, hieß es.
Doch hinter den offiziellen Verlautbarungen stünden noch ganz andere Interessen, sagt Gerald Feierstein, Ex-US-Botschafter im Jemen und tätig am Middle East Institute in Washington. Die Huthi versuchten mit den Angriffen, ihr Profil als wichtiger Teil der vom Iran ausgerufenen „Achse des Widerstands gegen Israel“ zu schärfen. Zudem sei die Unterstützung für die Palästinenser im Jemen sehr populär.
"Interessenkonvergenz" von Huthi-Rebellen und Iran
Mit ihren Aktionen verschafften sich die Huthi viele Sympathien im arabischen Raum, sagt auch die ARD-Korrespondentin Anna Osius. Kein arabisches Land habe bislang offen das Verhalten der Huthi kritisiert. Auch Ägypten nicht, obwohl die Einnahmen aus dem Suezkanal dramatisch eingebrochen seien. 40 Prozent der Schiffe, die bisher durch den Suezkanal und das Rote Meer gefahren seien, nehmen jetzt den größeren Umweg um das Kap der Guten Hoffnung um Südafrika herum.
Politik- und Islamwissenschaftler Jens Heibach vom GIGA-Institut in Hamburg warnt aber davor, die Huthi als Stellvertreter oder gar Befehlsempfänger Irans zu sehen. In der Vergangenheit hätten sich die Huthi auch schon gegen iranische Interessen positioniert. Doch derzeit gebe es wohl eine "Interessenkonvergenz", so Heibach.
Welche Rolle spielt der Iran dabei?
Als gesichert gilt, dass Teheran die Kämpfer im Jemen militärisch aufgerüstet hat und unterstützt. Der Iran selbst räumt ein, die Huthi mit Drohnen beliefert zu haben. Ob es aber Anweisungen aus Teheran für die Angriffe auf die Schiffe gegeben hat, "wissen wir letztlich nicht", sagte Jens Heibach vom GIGA-Institut in Hamburg.
Die Iraner wollten vor allem die US-amerikanische Truppenpräsenz in der Region beenden und die USA aus dem Persischen Golf vertreiben, sagt der Politikwissenschaftler Cornelius Adebahr von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
Für den Iran sei es aber „gar nicht im eigenen Interesse, den viel beschworenen Flächenbrand herbeizuführen“, so Adebahr. Bewaffnete Konflikte sollten möglichst weit vom eigenen Territorium weggehalten werden. Eine Stabilität im Inneren und eine relative Stabilität an der Außengrenze sei für den Iran das Wichtigste: „Nur dann kann dieses Regime überleben.“
Welche Folgen haben die Angriffe der Huthi?
Mit ihren Angriffen im Roten Meer treffen die Huthi einen Nerv der weltweiten Wirtschaft. Denn es sind nicht nur Schiffe betroffen, die Waren nach Israel liefern wollen, sondern alle Schiffe, die in der Meerenge unterwegs sind - oft auf dem Weg von Europa nach Asien oder umgekehrt.
Mehrere der weltweit agierenden Reedereien, darunter auch die Hamburger Hapag-Lloyd, meiden deshalb inzwischen den Weg durch den Suezkanal und das Rote Meer und schicken ihre Schiffe auf die viel längere Route um Südafrika. Bislang fuhr etwa jedes zehnte internationale Handelsschiff durch den Suezkanal.
Auch Deutschland ist direkt betroffen. Sichtbar wurden die Auswirkungen etwa beim Autobauer Tesla, der in seinem Werk im brandenburgischen Grünheide bei Berlin die Produktion knapp zwei Wochen einstellen musste, weil Teile fehlten, die über den Seeweg transportiert werden.
Wie reagieren die UN und der Westen auf die Angriffe der Huthi?
Die Angriffe auf die Schiffe im Roten Meer lösten international Besorgnis aus. Um die Schifffahrt zu schützen, bildeten die USA im Dezember 2023 eine Koalition, der eine Reihe von Ländern wie Australien, Bahrain, Kanada und auch die Niederlande angehören.
Der UN-Sicherheitsrat forderte am 11. Januar 2024 ein sofortiges Ende der Attacken. Elf Länder votierten dafür; Russland, China, Algerien und Mosambik enthielten sich.
Die USA und Großbritannien griffen schließlich am 12. Januar Stellungen der Huthi-Miliz im Jemen an. Ziele sollen unter anderem Raketenstellungen und Radartechnik gewesen sein, dabei wurden mehrere Menschen getötet. Die USA stuften die Huthi zudem wieder als Terrororganisation ein.
Europäischer Marineeinsatz gegen Huthi-Angriffe
Die Außenminister der EU-Staaten haben am 19. Februar 2024 den Start eines neuen Militäreinsatzes zur Sicherung der Handelsschifffahrt im Nahen Osten beschlossen. Das operative Hauptquartier des Einsatzes befindet sich in der griechischen Stadt Larisa.
Der Plan für die Operation "Aspides" sieht vor, europäische Kriegsschiffe ins Rote Meer und benachbarte Seegebiete zu schicken. Diese sollen dann dort Handelsschiffe vor Angriffen der militant-islamistischen Huthi schützen.
Die Hoffnung der EU ist, dass Reedereien ihre Handelsschiffe künftig wieder bedenkenlos durch das Rote Meer schicken. Zuletzt hatten viele die kürzeste Verbindung auf dem Seeweg zwischen Asien und Europa gemieden.
An dem EU-Einsatz ist auch Deutschland mit der Fregatte „Hessen“ beteiligt. Der Bundestag hat den Einsatz mit großer Mehrheit bewilligt. Neben SPD, Grünen und FDP stimmten Abgeordnete von Union und AfD zu. Das Mandat ist zunächst auf ein Jahr befristet.
Die Fregatte ist unter anderem mit Flugabwehrraketen ausgerüstet. Das 143 Meter lange Schiff wurde speziell für den Geleitschutz und die Seeraumkontrolle konzipiert. Zudem will Deutschland Stabspersonal für das Hauptquartier der Operation im griechischen Larisa sowie Hubschrauber bereitstellen.
Bundesverteidigungsminister Pistorius nannte den Einsatz einen der "gefährlichsten der Marine seit Jahrzehnten". Wenige Tage nach ihrer Ankunft im Roten Meer musste die Fregatte "Hessen" bereits einen Angriff der Huthi-Miliz abgewehren. Zwei Drohnen wurden abgeschossen. Am Vortag hatte die Fregatte irrtümlich auf eine US-Drohne geschossen, das Ziel aber verfehlt.
gü