Mehr als zwölf Prozent des Welthandels werden über das Rote Meer abgewickelt. Die Wasserstraße, die einen Teil des Seeweges von Europa nach Asien bildet, ist dementsprechend eine der wichtigsten der Welt. Wegen der Huthi-Attacken ist die Frachtmenge auf der Handelsstraße deutlich gesunken. Die Menge der dort transportierten Container nahm um über 50 Prozent ab. Einige der größten Reedereien der Welt stellten den Verkehr über das Rote Meer ein.
Lücke in den Lieferketten
Die Behinderung des internationalen Handelsverkehrs birgt ein großes regionales Destabilisierungspotenzial im Nahen Osten, unter anderem, weil Ägypten 40 Prozent seiner Staatseinnahmen mit der Durchfahrt durch den Suezkanal erzielt. Doch die Terrorattacken haben viel weitere Auswirkungen als nur auf die Region. Der Elektroautobauer Tesla etwa muss seine Produktion bei Berlin wegen der Huthi-Angriffe auf Schiffe für rund zwei Wochen weitgehend stoppen. Da sich die Transportwege verschieben, sei eine Lücke in den Lieferketten entstanden, so Tesla.
Die Handelsnation Deutschland kann also nicht abseitsstehen. Derzeit wird beraten, was Deutschland in Kooperation mit seinen Verbündeten in der Europäischen Union dazu beitragen kann, die Huthis in ihre Schranken zu weisen. Die Lieferung von Iris-T-Luftabwehrsystemen an Saudi-Arabien kann nur ein erster Schritt gewesen sein.
Keine robuste Kooperation Europas
Die Beteiligung am Schutz des Handelsverkehrs im Roten Meer kann – in Zusammenarbeit mit anderen EU-Staaten – deutlich ausgeweitet werden. Europäische Kooperation in militärischen Fragen ist zwar punktuell vorhanden, aber keineswegs robust. Hier ist eine Gelegenheit, den Ernstfall zu proben. Die Europäer sollten Kriegsschiffe in das Rote Meer entsenden, um das gleiche Signal an die Huthi-Rebellen zu senden, wie jetzt die USA und Großbritannien: keinen Schritt weiter auf dem Weg der internationalen Destabilisierung.
Dieses Signal richtet sich gleichzeitig an den eigentlichen Drahtzieher des Terrors: den Iran. Das Mullah-Regime finanziert die Rebellen im Jemen und stattet sie mit Waffen aus. Das Mullah-Regime will Vorherrschaft in unserer Nachbarregion, dem Nahen Osten. Deshalb muss die robuste Eindämmung des Iran auf der außenpolitischen Prioritätenliste der Europäer schnell nach oben rücken. Sehr schnell - und sehr robust.
Marcus Pindur hat Geschichte, Politische Wissenschaften, Nordamerikastudien und Judaistik an der Freien Universität Berlin und der Tulane University in New Orleans studiert. Er war Stipendiat der Fulbright-Stiftung, der FU Berlin sowie des German Marshall Fund. 1997 bis 1998 arbeitete er als politischer Referent im US-Repräsentantenhaus. Pindur war ARD-Hörfunkkorrespondent in Brüssel, bevor er 2005 zum Deutschlandradio wechselte. Von 2012 bis 2016 war er Korrespondent für Deutschlandradio in Washington. Seit Anfang 2019 ist er Deutschlandfunk-Korrespondent für Sicherheitspolitik.