In jüngerer Zeit ist immer wieder von „Hybrider Immunität“ oder „Super-Immunität“ die Rede. Gemeint ist damit, dass Menschen, die sowohl geimpft sind und eine überstandene Infektion hinter sich haben, grundsätzlich mit der Impfung nicht nur einen besonders wirksamen Schutz vor einem schweren Verlauf, sondern auch einen besseren Schutz vor einer erneuten Corona-Ansteckung haben.
Wie funktioniert Hybride Immunität, welche Risiken birgt sie – und welchen Effekt hat eine steigende Anzahl von geimpften und genesenen Menschen auf den Verlauf der Pandemie?
Wie funktioniert Hybride Immunität?
Der Begriff „hybrid“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „gekreuzt“ oder „vermischt“ – entsprechend steht hybride Immunität für einen Immunschutz, der einerseits aus einer Impfung und andererseits aus einer überstandenen Infektion heraus entstanden ist. Anders als nur durch Impfung ist der Schutz vor einer Ansteckung mit Corona-Viren hier höher.
Das hat damit zu tun, dass eine Infektion das Immungedächtnis reaktiviert, welches durch die Impfungen schon aufgebaut wurde – so können die Viren besonders effektiv bekämpft werden.
Eine Impfung in den Muskel trainiert die Immunität in den Schleimhäuten von Nase und Mund allerdings weniger stark – aber gerade diese „lokale Immunität“ in Mund und Nase hilft, das Virus direkt abzuwehren und gegebenenfalls eine Ansteckung zu verhindern. Durch eine überstandene Ansteckung wird diese lokale Immunität allerdings sehr stark trainiert. Personen, die sowohl geimpft als auch genesen sind, haben in der Regel also auch einen höheren Schutz vor einer erneuten Ansteckung.
Gibt es einen „guten Zeitpunkt“ für eine Infektion nach einer Impfung?
In der Regel hat man nach einer Impfung einen guten Immunschutz – der aber mit der Zeit abnimmt. Je mehr Zeit also nach einer Impfung vergeht, desto weniger Antikörper gibt es und desto leichter kann sich eine Person infizieren (*).
„Theoretisch betrachtet wäre es am besten, wenn man sich ungefähr sechs Monate nach der letzten Impfung anstecken würde“, so Wyler im Dlf. „Da ist das Immungedächtnis noch sehr stark, aber es geht langsam runter.“ Eine Infektion hätte dann die Wirkung wie eine wirksame Booster-Impfung. Im Einzelfall könne das aber natürlich auch ganz anders aussehen, denn eine Infektion sei immer mit einem Risiko verbunden.
Was spricht gegen eine Hybride Immunität?
Mediziner und Corona-Forscher betonen, dass man eine Corona-Infektion grundsätzlich vermeiden sollte: Denn trotz des Schutzes, den eine Impfung bietet, gibt es nie eine absolute oder hundertprozentige Sicherheit vor schweren Verläufen – insbesondere ältere oder bereits erkrankte Personen haben auch trotz mehrfacher Impfung ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf oder Tod. Und Personen, die jünger und nicht vorerkrankt sind, könnten trotz leichtem Verlauf eine Person anstecken, die durch Vorerkrankungen einem besonderen Risiko ausgesetzt ist und an einer Infektion sterben könnte. Des Weiteren gilt es zu bedenken, dass die Folgen von Long Covid immer noch nicht ausreichend erforscht sind.
Ein weiterer Faktor, der hier wichtig ist, welcher die Wirkung der hybriden Immunität abschwächt, sind neue Virusvarianten wie beispielsweise Omikron. Weil diese in Teilen von der Virusvariante abweicht, gegen welches die Impfung entwickelt wurde, gibt es zwar immer noch eine Schutzwirkung – diese fällt aufgrund der teilweisen Abweichung allerdings schwächer aus. Dieser negative Effekt gilt auch für die Immunität der Schleimhäute – und er überträgt sich auch auf die Schutzwirkung der „hybriden Immunität“.
Welche Auswirkungen könnte eine hybrid aufgebaute Immunität auf das Pandemiegeschehen haben?
Wenn sich jetzt viele Menschen infizieren, die bereits geimpft sind, trägt dies zum Aufbau einer „Bevölkerungsimmunität“ bei. Diese Aussage gelte selbstverständlich ausschließlich für jüngere und gesunde Menschen, welche bei einer Ansteckung nichts zu befürchten hätten, betont der Molekularbiologie und Coronaforscher Emmanuel Wyler. Der Virologe Christian Drosten erklärte in einem Interview mit der „Zeit“ , dass (junge und gesunde) Personen, die geimpft sind und sich jetzt infizieren, Immunität aufbauen würden – „auch für die Gemeinschaft“. Hinzu kommt, dass man mit stärkerer Immunität auch weniger lang ansteckend ist. Diese Faktoren könnten also einen positiven Verlauf auf die Pandemie haben.
Es gebe darüber hinaus noch einen weiteren Faktor, der zuversichtlich stimmen könne, so der Molekularbiologe Emmanuel Wyler im Dlf. Denn bislang gebe es nur sehr wenige Coronavirus-Hauptvarianten – und das, obwohl sich bereits rund eine Milliarde Menschen mit Corona infiziert hätten. Das ist entscheidend, weil mit jeder neuen Variante die Wirkung des Immunschutzes sinkt. Dass die Corona-Viren weniger stark mutieren als die gängigen Grippeviren, ist für Wyler Anlass zur Hoffnung.
Insgesamt habe sich die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung aus seiner Sicht sehr vernünftig und vorsichtig verhalten, so der Coronaforscher Wyler. Die Menschen seien größtenteils vorsichtig gewesen und die Impfquote liege inzwischen bei nahezu 80 Prozent. „Es ist ganz viel Schreckliches passiert. Und es sind über 100.000 Menschen in Deutschland gestorben, es gab wirtschaftliche und soziale Schäden aller Art“, so Wyler. Wenn man aber vergleiche, welche verheerenden Schäden Pandemien dieser Art früher angerichtet haben, sei man bislang „einigermaßen glimpflich“ davongekommen. „Jedenfalls haben alle von uns sehr viel über Infektionskrankheiten gelernt“, so der Wissenschaftler.
Quellen: Interview mit Emmanuel Wyler (Molekularbiologe), Christian Drosten (Virologe), Ralf Bartenschlager (Virologe), Wissenschaftsredaktion Dlf
* Anmerkung der Redaktion: An dieser Stelle haben wir eine Formulierung konkretisiert.