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Hypertrophe Kardiomyopathie
Auf der Suche nach der richtigen Behandlung

Hypertrophe Kardiomyopathie – hinter dem Begriff verbirgt sich eine angeborene Herz-Erkrankung: Die Muskulatur der Herzkammer ist ungleichmäßig verdickt. Die Folge: Die Herzkammer kann sich nicht richtig mit Blut füllen, und der Blutfluss kann gestört sein. Das Herz muss viel Kraft aufwenden, um ausreichend Blut durch den Körper zu pumpen. Das kann zu Schwindel und Atemnot führen, aber auch zu lebensgefährlichen Herzrhythmusstörungen – bis hin zum plötzlichen Herztod. Mediziner sind immer noch auf der Suche nach der optimalen Therapie.

Lennart Pyritz im Gespräch mit Christian Floto |
    Christian Floto: Mein Kollege Lennart Pyritz hat recherchiert. Herr Pyritz, welche Behandlungsmethoden gibt es denn bislang für die hypertrophe Kardiomyopathie?
    Lennart Pyritz: Ich habe mit Professor Stephan Baldus gesprochen. Er ist Kardiologe und Klinikdirektor am Herzzentrum der Uniklinik Köln. Er hat zunächst einmal gesagt, dass das Vorkommen der Erkrankung in der Vergangenheit stark unterschätzt wurde. Tatsächlich sei jeder 500. Mensch davon betroffen. Die wesentliche Behandlung erfolge über Medikamente, so Professor Baldus:
    „Reduktion der Herzfrequenz, Ermöglichung des Herzmuskels sich zu entspannen, um das Blut aus der Vorkammer aufzunehmen. Und – und das ist letztendlich immer das Ziel gewesen einer medikamentösen Behandlung – der Versuch, die krankhafte Verdickung des Herzmuskels zurückzudrängen.“
    Defibrillator bei lebensgefährlichen Störungen
    Floto: Kann es auch medizinisch sinnvoll sein, unter bestimmten Bedingungen zu operieren?
    Pyritz: Es gibt eine Unterform der hypertrophen Kardiomyopathie, die hypertroph-obstruktive Kardiomyopathie. Dabei kommt es zu einer besonderen Verdickung im Ausflusstrakt der linken Herzkammer. Dadurch hat das Herz Probleme das Blut in die Hauptschlagader auszutreiben. Da kann es helfen, diesen Muskelwulst abzutragen. Das kann in einer großen Operation geschehen, bei der der Brustkorb geöffnet wird. Oder mit kathetergestützter Technik. Das heißt: Es wird ein winziger Schlauch durch die Leistenarterie eingeführt bis zu Herzgefäßen, die den krankhaften Muskelwulst mit Blut versorgen. Mit Alkohol wird dann ein Mini-Infarkt ausgelöst, der das Gewebe absterben lässt.
    Wenn lebensgefährliche Herzrhythmus-Störungen drohen, kann es zudem sinnvoll sein, einen Defibrillator zu implantieren, einen schrittmacherähnlichen Wächter. Das ist unabhängig von der genauen Form der Kardiomyopathie.
    Floto: Eine aktuelle Studie in der renommierten Fachzeitschrift „The Lancet – Diabetes & Endocrinology“ hat aufhorchen lassen. Dabei wurde der Effekt einer medikamentösen Behandlung untersucht – einer Therapie mit einem Medikament gegen Bluthochdruck.
    Pyritz: In dieser Studie haben Forscher die Wirkung eines Angiotensin-Rezeptor-Blockers untersucht. Das ist ein Wirkstoff, der Bluthochdruck-Patienten hilft und, so Professor Baldus, auch deren Herzmuskel-Dicke günstig beeinflusst. Bislang war allerdings unbekannt, ob das auch bei hypertropher Kardiomyopathie gilt. In der Studie wurde nun einem Teil von Patienten mit verdickter Herzmuskulatur dieser Wirkstoff gegeben. Ein anderer Teil bekam ein Placebo-Mittel, und beide Behandlungsformen wurden verglichen. Der Angiotensin-Rezeptor-Blocker hat dabei allerdings leider keinen Effekt gezeigt.
    Gendefekt möglichst identifizieren
    Floto: Gibt es denn andere Behandlungsmöglichkeiten, die in Zukunft eingesetzt werden könnten?
    Pyritz: Da kommt es nach Professor Stephan Baldus vor allem darauf an, die genetischen Grundlagen der Erkrankung zu begreifen. Zu verstehen, was dazu führt, das im Herzmuskel zu viel Bindegewebe eingelagert wird:
    „Das wäre sicherlich die Idealvorstellung: Das man den Gendefekt identifiziert und versucht durch eine systemische oder lokale Gabe eines Medikamentes, was diesen Gendefekt rückgängig macht, letztendlich auszuschalten versucht.“
    Ob und wann das gelingen kann, ist allerdings noch unklar.
    Floto: Worauf sollte ich als Patient achten, wenn es in meiner Verwandtschaft Fälle von hypertropher Kardiomyopathie gibt?
    Pyritz: Ja, die Erkrankung wird vererbt. Häufig treten innerhalb einer Familie vermehrt Fälle von hypertropher Kardiomyopathie auf. Für diesen Fall hat der Kardiologe Stephan Baldus ganz klar empfohlen.
    „Dass sich Familienangehörige mittels Ultraschalluntersuchung untersuchen lassen. Das ist eine risikofreie Untersuchung, die sehr genau herausfindet, ob es schon zu einer Verdickung der Herzmuskelwand gekommen ist und ob der Patient möglicherweise eine betroffener ist.“
    Das ist der erste Schritt. Alles andere richtet sich dann nach der genauen Diagnose. Also ob eine medikamentöse Behandlung hilft oder ein operativer Eingriff. Und ob ein Defibrillator sinnvoll ist. Das hängt dann auch davon ab, wie stark die Herzmuskeln verdickt sind, ob es in der Familie bereits Fälle von plötzlichem Herztod gab, und ob der Patient selbst schon einmal das Bewusstsein verloren hat.