"Auch im Zukunftsauto muss man sich anschnallen!"
Wenn Fahrzeugentwickler Gerhard Gumpoltsberger mit dem Prototyp des sogenannten "Advanced Urban Vehicle" auf dem Testgelände der IAA in Frankfurt unterwegs ist, hören Mitfahrer erst mal kaum etwas. Der Grund:
"Wir haben zwei Elektromotoren in die Hinterachse eingebaut, die uns jetzt antreiben."
Emissionsärmer, glaubt Entwickler Gumpoltsberger, geht's kaum mehr: "Wenn Sie davon ausgehen, dass der Strom regenerativ erzeugt wurde, Null."
Dabei arbeitet Gerhard Gumpoltsberger auch an Technologien, die konventionelle Autos schadstoffärmer machen sollen, beispielsweise durch die Kombination eines Benzin- oder Dieselmotors mit elektrischem Antrieb:
"Die aktuellste Entwicklung ist jetzt der Plug-in-Hybrid. Das bedeutet: Sie können die Batterie zusätzlich an der Steckdose laden. In der Stadt ist der Elektroantrieb ideal. Bei höheren Geschwindigkeiten kann der Verbrennungsmotor dann seine Vorteile ausspielen."
Doch der Plug-in-Hybrid ist nur eines von vielen Beispielen für Entwicklungen zur Schadstoffreduktion in der Autoindustrie. Ein weiterer Beitrag sind "auch Einspritztechnologien. Also zum Beispiel die Direkteinspritzung bei Benziner. Die bringt so um die 15 Prozent", so Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des ökologisch ausgerichtete Verkehrsclubs Deutschland.
Sprit sparen beim Ampelstopp
Und auch die sogenannte Start-Stopp-Technologie, bei der der Motor beispielsweise an einer roten Ampel automatisch abgeschaltet wird, hält er für eine gute Sache.
"Die Start-Stopp-Automatik ist natürlich gut. Und auch in der Getriebetechnik: Auch dort ist immer mehr Elektronik hineingekommen, was die Reibung vermindert, und der Spritverbrauch sinkt."
Eigentlich also könnte Gerd Lottsiepen zufrieden sein über die Neuentwicklungen der Fahrzeugtechnik. Doch das Gegenteil ist der Fall:
"Also Sorgen macht mir, dass Herr Zetsche von Mercedes heute hingegangen ist und gesagt hat: Wir haben heute das Jahr der SUVs. Und das ist eine fatale Entwicklung. Die sind so groß, die sind so schwer, dass sie halt hohe Verbräuche habe."
Und mit dieser Kritik ist Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland nicht alleine. Jürgen Resch ist Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe:
"Die Fahrzeuge werden schwerer. Die Motoren werden stärker. Und deswegen werden die Effizienzvorteile ausgeglichen, kompensiert, sogar überkompensiert. Das heißt: Wir haben im realen Fahrbetrieb eine Zunahme der CO2-Emissionen, obwohl doch eigentlich bessere Getriebe und effizientere Motoren bekommen."
Hersteller wehren sich
Doch genau diesen Vorwurf weist die Hersteller zurück. Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie, verweist im Gegenzug auf eine Absenkung der durchschnittlichen CO2-Werte, die an deutschen Auspuffrohren gemessen worden seien:
"Wissen Sie, dass wir in den letzten Jahren die durchschnittlichen CO2-Emissionen der deutschen Automobilflotte von über 170 Gramm CO2 pro Kilometer auf jetzt knapp unter 130 Gramm pro Kilometer reduziert haben, in wenigen Jahren, übrigens am stärksten in den oberen Segmenten oder in den Premium-Cars."
Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe mag sich damit nicht zufriedengeben: "Da ist eine große Mogelpackung." Vor allem bei Dieselfahrzeugen. Denn: Die Senkung der CO2-Anteile in den Abgasen finde nur unter Testbedingungen auf dem Prüfstand statt.
"Das heißt: Die neuen Euro-6-Dieselfahrzeuge, die eigentlich die modernsten Abgaswerte erbringen sollten, erfüllen während der 20-minütigen Prüfung tatsächlich sehr ehrgeizige Abgasnormen."
Umwelthilfe kritisiert Abweichungen zwischen Prüfergebnissen und Alltagsbetrieb
Im tatsächlichen Alltagsfahrbetrieb entweichen, so Resch, erheblich mehr Abgase aus dem Auspuff: Die Abweichungen zwischen den Prüfstand-Ergebnissen und den Emissionen im regulären Fahrbetrieb seien erheblich größer geworden:
"Vor zehn Jahren waren es ungefähr acht Prozent Abweichungen. Heute sind wir im Durchschnitt bei 41 Prozent Abweichungen. Das heißt: Die Fahrzeuge verbrauchen im Durchschnitt 40 Prozent mehr Sprit als angegeben."
Der Herstellerverband VDA weist diese Rechnung allerdings zurück. Wer hat nun recht? Darüber sind sich selbst die Experten auf der IAA nicht einig. Gerd Lottsieben vom Verkehrsclub Deutschland fordert daher das Eingreifen der Politik:
"Da ist es wichtig, dass unsere Bundesregierung wirklich für ambitionierte Grenzwerte sind, dass sie Motor der Entwickler sind und nicht Bremser, wie das bisher immer war."