"Was die Wissenschaft anbelangt, gebt mir Scott, für Schnelligkeit und Tüchtigkeit gebt mir Amundsen, aber wenn es zu einer Katastrophe kommt und die Lage hoffnungslos ist, dann fallt auf die Knie und fleht um Shackleton." So urteilte Edmund Hillary, der als Erstbesteiger des Mount Everest bekannt wurde und dem fünfzig Jahre später am Südpol gelang, woran Shackleton mit seiner Imperial Trans-Antarctic Expedition von 1914 gescheitert war. Hillary wusste allzu gut um die Leistung seines Vorgängers. Doch die Geschichtsschreibung vermerkt nur die Erfolge der besonders Glücklichen oder besonders Rücksichtslosen, und so erweist sich das kollektive Gedächtnis als äußerst undankbar. Deshalb bedarf es häufig des Zufalls, damit ein denkwürdiges Ereignis zu Papier gebracht und so dem Vergessen entrissen wird.
Das war offensichtlich auch bei Emest Shackletons transantarktischer Expedition so, denn kein Jahrestag hat einen äußeren Anlass geboten sei es für die anderthalbstündige filmische Dokumentation, die kürzlich in Arte zu sehen war, oder sei es für das spannende Jugendbuch der Amerikanerin Elizabeth Cody Kimmel, das der Oetinger Verlag unter dem Titel Ice Story. Shackletons Kampf in der Antarktis in sein Herbstprogramm aufgenommen hat. Der Stoff lag einfach in der Luft.
Wer war dieser Shackleton, - ein Abenteurer, Draufgänger gar, ein besessener Forscher, todesmutiger Idealist? Sicher von allem etwas; eine jener ruhe- und rücksichtslosen Extremnaturen, die sich ganz in den Dienst einer Aufgabe stellen und die Menschheit weiterbringen, die in existenziellen Ausnahmesituationen ungeahnte Größe beweisen, die aber an den normalen Erfordernissen des Alltags oft kläglich scheitern und weder in der Gesellschaft noch in der Familie ihren Platz finden.
Ernest Shackleton wurde 1874 als Zweitältester Sohn einer kinderreichen Familie geboren, heuerte als Sechzehnjähriger auf einem Schiff der englischen Handelsmarine an und erhielt mit vierundzwanzig Jahren sein Kapitänspatent.l901 nahm er an Robert Falcon Scotts Expedition zum Südpol teil und einige Jahre später leitete er selbst eine solche Entdeckungsreise ins Unbekannte. Allerdings kann den Ruhm, als erster zum Südpol vorgedrungen zu sein, bekanntlich Roald Amundsen für sich beanspruchen, so dass Shackleton folgendes Projekt plante. Er wollte den gesamten 1.400 Meilen breiten und in weiten Teilen noch unerforschten Kontinent vom Wedellmeer aus mit Hundeschlitten durchqueren und dabei auch den Südpol berühren. Vom Rossmeer auf der gegenüberliegenden Seite der Antarktis aus sollte eine zweite Gruppe Verpflegungslager für ihn und seine Männer anlegen und dann auf dem Expeditionsschiff auf ihre Ankunft warten.
Elizabeth Kimmel schildert die Fakten einfach und präzise, nennt die Vorgaben für eine äußerst gefahrvolle Reise auf dem von Schnee und Eis bedeckten Kontinent, wo nur Robben und Pinguine den tagelangen Schneestürmen und Temperaturen bis minus 89 Grad Celsius standhalten. Sie lässt sich nicht von ihrem Gegenstand zu einem gewollt spannungsreichen Erzählstil verleiten sondern lässt die Fakten für sich sprechen. So besteht an keiner Stelle des 127 Seiten starken Buches die Gefahr, dass der Text die faszinierenden Schwarzweißaufnahmen des Expeditionsfotografen Frank Hurley überspielen könnte: Die großenteils ganzseitigen Abbildungen von dem gut 44 m langen Dreimaster Endurance (zu deutsch "Ausdauer"), seiner Fahrt durch das vereiste Polarmeer, schließlich seinem Untergang am 21. November 1915, nachdem das Packeis des Wedellmeeres vier Wochen zuvor ein Loch ins Heck gedrückt hatte. Eine Karte vom Südpolargebiet und der Ausschnitt mit der Route, welche die Endurance seit dem 5. Dezember 1914 von South Georgia aus genommen hatte, zeigt, an welch entlegenem Stück Erde die 28 Männer nun ums Überleben kämpfen mussten.
Auf riesigen Eisschollen errichteten sie ihre notdürftigen Quartiere, nachdem sich ein Fußmarsch mit den Proviantschlitten als aussichtslos erwiesen hatte. Schon auf dem vom Eis eingeschlossenen Segelschiff hatte man die meiste Zeit mit Warten verbringen müssen, monatelanges Warten darauf, dass das Eis einen Weg zur Weiterfahrt freigeben würde. Es war kein einfaches Unterfangen, dem aus fünftausend Bewerbern ausgewählten Häuflein höchst unterschiedlicher Menschen - es waren Ärzte, Geologen, Marineoffiziere, einfache Seeleute und ein junger blinder Passagier darunter - auf engstem Raum und unter extrem schwierigen Bedingungen die Zeit so zu verkürzen, dass ein friedliches Miteinander gewährleistet war.
Hierin erwies sich Shackletons Führungsqualität. Wohlüberlegt wies er jedem seine Aufgabe zu und bestimmte die Besetzung der Zelte, schonte sich selbst nicht und gestattete sich keinerlei Privilegien. Seine rückhaltlose Loyalität sowie der Umstand, dass von seinen früheren Expeditionen alle Teilnehmer lebend zurückgekehrt waren, stärkte die Motivation seiner Leute. Es gibt Fotos von Fußballspielen, von geselligen Abenden mit Maskerade, Ausgelassenheit und Musik, von der Jagd auf Pinguine und Robben, schließlich vom vergeblichen Versuch, eine Eishöhle zu graben oder den als letzter Unterschlupf verbliebenen umgedrehten Rettungsbooten auf Elephant Island. Dort bekam die Crew im April 1916 nach anderthalb Jahren zum ersten Mal wieder festen Boden unter die Füße. Und von hier aus stach Shackleton mit fünf Gefährten in einem Boot Richtung South Georgia in See, um dort nach einem endlosen Fußmarsch bei der Walfangstation Hilfe für die Zurückgebliebenen zu holen.
Die Rettung zog sich wegen endloser Widrigkeiten noch bis zum 30. August hin, doch Shackleton schaffte es. So verwandelte er eine unverschuldete Niederlage in einen Triumpf der Willenskraft und des Durchhaltevermögens, und fast möchte man glauben, es sei die Bestimmung dieser Expedition gewesen, ein solches Beispiel zu geben.
Das war offensichtlich auch bei Emest Shackletons transantarktischer Expedition so, denn kein Jahrestag hat einen äußeren Anlass geboten sei es für die anderthalbstündige filmische Dokumentation, die kürzlich in Arte zu sehen war, oder sei es für das spannende Jugendbuch der Amerikanerin Elizabeth Cody Kimmel, das der Oetinger Verlag unter dem Titel Ice Story. Shackletons Kampf in der Antarktis in sein Herbstprogramm aufgenommen hat. Der Stoff lag einfach in der Luft.
Wer war dieser Shackleton, - ein Abenteurer, Draufgänger gar, ein besessener Forscher, todesmutiger Idealist? Sicher von allem etwas; eine jener ruhe- und rücksichtslosen Extremnaturen, die sich ganz in den Dienst einer Aufgabe stellen und die Menschheit weiterbringen, die in existenziellen Ausnahmesituationen ungeahnte Größe beweisen, die aber an den normalen Erfordernissen des Alltags oft kläglich scheitern und weder in der Gesellschaft noch in der Familie ihren Platz finden.
Ernest Shackleton wurde 1874 als Zweitältester Sohn einer kinderreichen Familie geboren, heuerte als Sechzehnjähriger auf einem Schiff der englischen Handelsmarine an und erhielt mit vierundzwanzig Jahren sein Kapitänspatent.l901 nahm er an Robert Falcon Scotts Expedition zum Südpol teil und einige Jahre später leitete er selbst eine solche Entdeckungsreise ins Unbekannte. Allerdings kann den Ruhm, als erster zum Südpol vorgedrungen zu sein, bekanntlich Roald Amundsen für sich beanspruchen, so dass Shackleton folgendes Projekt plante. Er wollte den gesamten 1.400 Meilen breiten und in weiten Teilen noch unerforschten Kontinent vom Wedellmeer aus mit Hundeschlitten durchqueren und dabei auch den Südpol berühren. Vom Rossmeer auf der gegenüberliegenden Seite der Antarktis aus sollte eine zweite Gruppe Verpflegungslager für ihn und seine Männer anlegen und dann auf dem Expeditionsschiff auf ihre Ankunft warten.
Elizabeth Kimmel schildert die Fakten einfach und präzise, nennt die Vorgaben für eine äußerst gefahrvolle Reise auf dem von Schnee und Eis bedeckten Kontinent, wo nur Robben und Pinguine den tagelangen Schneestürmen und Temperaturen bis minus 89 Grad Celsius standhalten. Sie lässt sich nicht von ihrem Gegenstand zu einem gewollt spannungsreichen Erzählstil verleiten sondern lässt die Fakten für sich sprechen. So besteht an keiner Stelle des 127 Seiten starken Buches die Gefahr, dass der Text die faszinierenden Schwarzweißaufnahmen des Expeditionsfotografen Frank Hurley überspielen könnte: Die großenteils ganzseitigen Abbildungen von dem gut 44 m langen Dreimaster Endurance (zu deutsch "Ausdauer"), seiner Fahrt durch das vereiste Polarmeer, schließlich seinem Untergang am 21. November 1915, nachdem das Packeis des Wedellmeeres vier Wochen zuvor ein Loch ins Heck gedrückt hatte. Eine Karte vom Südpolargebiet und der Ausschnitt mit der Route, welche die Endurance seit dem 5. Dezember 1914 von South Georgia aus genommen hatte, zeigt, an welch entlegenem Stück Erde die 28 Männer nun ums Überleben kämpfen mussten.
Auf riesigen Eisschollen errichteten sie ihre notdürftigen Quartiere, nachdem sich ein Fußmarsch mit den Proviantschlitten als aussichtslos erwiesen hatte. Schon auf dem vom Eis eingeschlossenen Segelschiff hatte man die meiste Zeit mit Warten verbringen müssen, monatelanges Warten darauf, dass das Eis einen Weg zur Weiterfahrt freigeben würde. Es war kein einfaches Unterfangen, dem aus fünftausend Bewerbern ausgewählten Häuflein höchst unterschiedlicher Menschen - es waren Ärzte, Geologen, Marineoffiziere, einfache Seeleute und ein junger blinder Passagier darunter - auf engstem Raum und unter extrem schwierigen Bedingungen die Zeit so zu verkürzen, dass ein friedliches Miteinander gewährleistet war.
Hierin erwies sich Shackletons Führungsqualität. Wohlüberlegt wies er jedem seine Aufgabe zu und bestimmte die Besetzung der Zelte, schonte sich selbst nicht und gestattete sich keinerlei Privilegien. Seine rückhaltlose Loyalität sowie der Umstand, dass von seinen früheren Expeditionen alle Teilnehmer lebend zurückgekehrt waren, stärkte die Motivation seiner Leute. Es gibt Fotos von Fußballspielen, von geselligen Abenden mit Maskerade, Ausgelassenheit und Musik, von der Jagd auf Pinguine und Robben, schließlich vom vergeblichen Versuch, eine Eishöhle zu graben oder den als letzter Unterschlupf verbliebenen umgedrehten Rettungsbooten auf Elephant Island. Dort bekam die Crew im April 1916 nach anderthalb Jahren zum ersten Mal wieder festen Boden unter die Füße. Und von hier aus stach Shackleton mit fünf Gefährten in einem Boot Richtung South Georgia in See, um dort nach einem endlosen Fußmarsch bei der Walfangstation Hilfe für die Zurückgebliebenen zu holen.
Die Rettung zog sich wegen endloser Widrigkeiten noch bis zum 30. August hin, doch Shackleton schaffte es. So verwandelte er eine unverschuldete Niederlage in einen Triumpf der Willenskraft und des Durchhaltevermögens, und fast möchte man glauben, es sei die Bestimmung dieser Expedition gewesen, ein solches Beispiel zu geben.