"Guten Morgen. Nette Anmoderation – wenn auch kein Wort richtig war."
Ok, nichts für ungut. Neuer Ansatz. Fragen vorsichtig formulieren. Keine unnötigen Provokationen. Diese Interviewpartnerin kann offenkundig Haare auf den Zähnen haben. Was steckt hinter dieser Streitlust? Was motiviert den ungebrochenen Kampfesmut der früheren Bundesjustizministerin? Woher kommt diese fröhliche Bereitschaft, Unmut und Feindschaft auf sich zu lenken?
"Jetzt müssen sie’s doch mal ausmachen. Entschuldigen Sie. Aber des ist jetzt die dritte Frage, die net stimmt. I kann doch net die ganze Zeit Sie korrigieren."
Es gibt nicht allzu viele Journalisten, die mit Herta Däubler-Gmelin zu tun hatten, und noch nicht zu ahnungslosen Dilettanten oder böswilligen Feinden abgestempelt wurden. Die SPD-Politikerin hat sich in ihrer langen Karriere ein breites Arsenal an rhetorischen Feuerwaffen aller Kaliber zugelegt: vergiftete Freundlichkeiten, zischende Verbalpeitschen, höchstpersönliche Breitseiten, die den Gegner in Grund und Boden herunter kanzeln. Meistens kommen die Attacken frontal, mit aufgeklapptem Visier. Mancher Gegner ist schon durch die bloße Tatsache entwaffnet, dass eine Frau es wagt, ihn so offen anzugreifen. Andere – wie der knarzend konservative CSU-Rechtspolitiker Norbert Geiss am Rednerpult des Bundestages - werden so lange durch seitliches Hohngelächter von der Regierungsbank unter Feuer genommen, bis sie sich freiwillig in die Rolle der hilflosen Witzfigur ergeben, in der Däubler-Gmelin sie haben will:
Norbert Geis: "Frau Vorsitzende, jetzt muss ich die Frau Ministerin doch bitten aufzumerken und nicht ihre Witze zu machen. Nein, nein wissen Sie .. Ihnen bleibt gar nichts anderes mehr übrig" ..."
Anke Fuchs: ""Also ich muss jetzt die Würde des Parlamentes wahren und die Frau Justizministerin bitten, nicht von der Regierungsbank auch laut zu werden" ...
Däubler-Gmelin: "… ich aber lachen darf"
Anke Fuchs:"… nicht zu laut, Frau Ministerin. Das stört den Redner. Herr Kollege, Sie haben das Wort."
Das ist auch schon wieder gute zehn Jahre her. Vor drei Jahren ist Herta Däubler-Gmelin nach 27 Jahren aus dem Deutschen Bundestag ausgeschieden.
"Ich bin bestimmt wahrgenommen worden, als eine, die stört."
Das kann man wohl sagen. Die Juristin, die sich jetzt anschickt, in Karlsruhe den überparteilichen Euro-Rettungskonsens zu stören, ist schon als Störenfriedin in die Politik eingetreten. Hochschwanger drängte sie vier bis fünf männliche Gegenkandidaten an die Seite, als sie 1972 zunächst den Vorsitz des SPD Kreisverbandes Tübingen und dann ihr erstes Bundestagsmandat übernahm. Dass eine junge Frau sich so entschlossen auf den Karriereweg machte, ging damals gerade mal durch. Hätten die Genossen aber gewusst, dass sie auch noch eine werdende Mutter kürten, wäre die politische Laufbahn schnell an die damals auch in der Sozialdemokratie geltenden Geschlechtergrenzen gestoßen.
"Die haben es aber nicht gemerkt, weil bei mir doch eine Menge - wie wir Schwaben sagen - verschlupft. Und ich habe mich halt möglichst groß kariert und geschmacklos angezogen und mit Schals und Ketten eine ganze Menge gemacht. Die Leute haben sich ja über meinen Geschmack furchtbar aufgeregt, aber sie haben mich gewählt, und da kriegten sie drei Wochen später die Geburtsanzeige und waren etwas verblüfft."
Die Kraft, die sie angetrieben hat, war nie allein der Ehrgeiz, sich in einer männlich geprägten Politikerwelt nach oben zu kämpfen. Herta Däubler-Gmelin ist von der Sache des Politischen durchdrungen, von tief verwurzelten Überzeugungen geprägt, einem sprichwörtlich roten Faden geleitet – ein Typus von Politiker, wie es ihn heute, in den Zeiten der Unsicherheiten, des Taktierens und Lavierens auf allen Seiten kaum mehr gibt. "Das Recht muss auf der Seite der Schwachen stehen", war ihr rechtspolitisches Grundgesetz. 1998 wurde sie Bundesjustizministerin, und es wirkte, als habe ein ganzes Berufsleben nur auf dieses Ziel hingeführt. Mit ihrem unbändigen Gestaltungsdrang verwandelte sie die Rechtspolitik für vier turbulente Jahre in ein Feld spektakulärer Auseinandersetzungen um das bessere, gerechtere Recht:
"Wenn Sie irgendwo gesetzte Interessen haben, in die Sie eintreten, dann machen Sie sich schrecklich unbeliebt."
Däubler-Gmelins Scheitern war so grandios wie ihre Erfolge. Nach einem erbitterten Kampf gegen die mächtigen Interessenwahrer in Justiz und Anwaltschaft blieb von ihrem Plan für eine Jahrhundertreform des Justizsystems nur ein Torso. Dafür aber gelang ihr eine Generalsanierung des mehr als 100 Jahre alten Bürgerlichen Gesetzbuches, eine mieterfreundliche Reform des Mietrechts, eine ebenfalls heftig umkämpfte Modernisierung des Urheberrechts sowie - angetrieben vom grünen Koalitionspartner - die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften. So kämpferisch und zielstrebig wie sie ihr Ministeramt ausübte, stürmte sie schließlich auch in das Ende ihrer politischen Karriere.
"Das ist verleumderisch und geradezu abwegig, mich in Zusammenhang mit einem Vergleich zwischen einem demokratisch gewählten Politiker und Nazi-Größen zu bringen."
Wenige Tage vor der Bundestagswahl 2002 hatte ein Tübinger Journalist berichtet, Däubler-Gmelin habe in einem Gespräch mit örtlichen Gewerkschaftern die Irak-Politik des damaligen US-Präsidenten Bush mit Hitlers Außenpolitik gleichgesetzt. Das folgende Ende ihrer Kabinettsmitgliedschaft aber war längst vorprogrammiert.
"Der Herr Schröder wollte mich loswerden. Das ist gar kein Zweifel."
Die umtriebige Justizministerin war dem Kanzler schon seit Langem zu unbequem, zu eigensinnig geworden. Däubler-Gmelin selbst sieht sich bis heute als Opfer von niederträchtigen Journalisten, mittelmäßigen Konkurrenten und autoritären Patriarchen. Sie hat lange gebraucht, den Schmerz über das Scheitern auf dem Gipfel ihrer Karriere zu verwinden. Aber sie hat sich nie zurückgezogen, schon gar nicht ins Private. Nach Karlsruhe wollte sie eigentlich schon Anfang der neunziger Jahre. Damals scheitere ihre Kandidatur für das Amt der Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts am Widerstand der Unionsparteien. Sie sei zu streitlustig, zu parteiisch, zu politisch, hieß es damals.
Nächsten Dienstag wird sieals eine der Beschwerdeführer gegen das Gesetz zum Euro-Rettungsschirm ESM in Karlsruhe ankommen. Streitlustig. Parteiisch. Politisch. Sie wird sich keine Mühe geben, diese Vorurteile zu widerlegen.
Ok, nichts für ungut. Neuer Ansatz. Fragen vorsichtig formulieren. Keine unnötigen Provokationen. Diese Interviewpartnerin kann offenkundig Haare auf den Zähnen haben. Was steckt hinter dieser Streitlust? Was motiviert den ungebrochenen Kampfesmut der früheren Bundesjustizministerin? Woher kommt diese fröhliche Bereitschaft, Unmut und Feindschaft auf sich zu lenken?
"Jetzt müssen sie’s doch mal ausmachen. Entschuldigen Sie. Aber des ist jetzt die dritte Frage, die net stimmt. I kann doch net die ganze Zeit Sie korrigieren."
Es gibt nicht allzu viele Journalisten, die mit Herta Däubler-Gmelin zu tun hatten, und noch nicht zu ahnungslosen Dilettanten oder böswilligen Feinden abgestempelt wurden. Die SPD-Politikerin hat sich in ihrer langen Karriere ein breites Arsenal an rhetorischen Feuerwaffen aller Kaliber zugelegt: vergiftete Freundlichkeiten, zischende Verbalpeitschen, höchstpersönliche Breitseiten, die den Gegner in Grund und Boden herunter kanzeln. Meistens kommen die Attacken frontal, mit aufgeklapptem Visier. Mancher Gegner ist schon durch die bloße Tatsache entwaffnet, dass eine Frau es wagt, ihn so offen anzugreifen. Andere – wie der knarzend konservative CSU-Rechtspolitiker Norbert Geiss am Rednerpult des Bundestages - werden so lange durch seitliches Hohngelächter von der Regierungsbank unter Feuer genommen, bis sie sich freiwillig in die Rolle der hilflosen Witzfigur ergeben, in der Däubler-Gmelin sie haben will:
Norbert Geis: "Frau Vorsitzende, jetzt muss ich die Frau Ministerin doch bitten aufzumerken und nicht ihre Witze zu machen. Nein, nein wissen Sie .. Ihnen bleibt gar nichts anderes mehr übrig" ..."
Anke Fuchs: ""Also ich muss jetzt die Würde des Parlamentes wahren und die Frau Justizministerin bitten, nicht von der Regierungsbank auch laut zu werden" ...
Däubler-Gmelin: "… ich aber lachen darf"
Anke Fuchs:"… nicht zu laut, Frau Ministerin. Das stört den Redner. Herr Kollege, Sie haben das Wort."
Das ist auch schon wieder gute zehn Jahre her. Vor drei Jahren ist Herta Däubler-Gmelin nach 27 Jahren aus dem Deutschen Bundestag ausgeschieden.
"Ich bin bestimmt wahrgenommen worden, als eine, die stört."
Das kann man wohl sagen. Die Juristin, die sich jetzt anschickt, in Karlsruhe den überparteilichen Euro-Rettungskonsens zu stören, ist schon als Störenfriedin in die Politik eingetreten. Hochschwanger drängte sie vier bis fünf männliche Gegenkandidaten an die Seite, als sie 1972 zunächst den Vorsitz des SPD Kreisverbandes Tübingen und dann ihr erstes Bundestagsmandat übernahm. Dass eine junge Frau sich so entschlossen auf den Karriereweg machte, ging damals gerade mal durch. Hätten die Genossen aber gewusst, dass sie auch noch eine werdende Mutter kürten, wäre die politische Laufbahn schnell an die damals auch in der Sozialdemokratie geltenden Geschlechtergrenzen gestoßen.
"Die haben es aber nicht gemerkt, weil bei mir doch eine Menge - wie wir Schwaben sagen - verschlupft. Und ich habe mich halt möglichst groß kariert und geschmacklos angezogen und mit Schals und Ketten eine ganze Menge gemacht. Die Leute haben sich ja über meinen Geschmack furchtbar aufgeregt, aber sie haben mich gewählt, und da kriegten sie drei Wochen später die Geburtsanzeige und waren etwas verblüfft."
Die Kraft, die sie angetrieben hat, war nie allein der Ehrgeiz, sich in einer männlich geprägten Politikerwelt nach oben zu kämpfen. Herta Däubler-Gmelin ist von der Sache des Politischen durchdrungen, von tief verwurzelten Überzeugungen geprägt, einem sprichwörtlich roten Faden geleitet – ein Typus von Politiker, wie es ihn heute, in den Zeiten der Unsicherheiten, des Taktierens und Lavierens auf allen Seiten kaum mehr gibt. "Das Recht muss auf der Seite der Schwachen stehen", war ihr rechtspolitisches Grundgesetz. 1998 wurde sie Bundesjustizministerin, und es wirkte, als habe ein ganzes Berufsleben nur auf dieses Ziel hingeführt. Mit ihrem unbändigen Gestaltungsdrang verwandelte sie die Rechtspolitik für vier turbulente Jahre in ein Feld spektakulärer Auseinandersetzungen um das bessere, gerechtere Recht:
"Wenn Sie irgendwo gesetzte Interessen haben, in die Sie eintreten, dann machen Sie sich schrecklich unbeliebt."
Däubler-Gmelins Scheitern war so grandios wie ihre Erfolge. Nach einem erbitterten Kampf gegen die mächtigen Interessenwahrer in Justiz und Anwaltschaft blieb von ihrem Plan für eine Jahrhundertreform des Justizsystems nur ein Torso. Dafür aber gelang ihr eine Generalsanierung des mehr als 100 Jahre alten Bürgerlichen Gesetzbuches, eine mieterfreundliche Reform des Mietrechts, eine ebenfalls heftig umkämpfte Modernisierung des Urheberrechts sowie - angetrieben vom grünen Koalitionspartner - die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften. So kämpferisch und zielstrebig wie sie ihr Ministeramt ausübte, stürmte sie schließlich auch in das Ende ihrer politischen Karriere.
"Das ist verleumderisch und geradezu abwegig, mich in Zusammenhang mit einem Vergleich zwischen einem demokratisch gewählten Politiker und Nazi-Größen zu bringen."
Wenige Tage vor der Bundestagswahl 2002 hatte ein Tübinger Journalist berichtet, Däubler-Gmelin habe in einem Gespräch mit örtlichen Gewerkschaftern die Irak-Politik des damaligen US-Präsidenten Bush mit Hitlers Außenpolitik gleichgesetzt. Das folgende Ende ihrer Kabinettsmitgliedschaft aber war längst vorprogrammiert.
"Der Herr Schröder wollte mich loswerden. Das ist gar kein Zweifel."
Die umtriebige Justizministerin war dem Kanzler schon seit Langem zu unbequem, zu eigensinnig geworden. Däubler-Gmelin selbst sieht sich bis heute als Opfer von niederträchtigen Journalisten, mittelmäßigen Konkurrenten und autoritären Patriarchen. Sie hat lange gebraucht, den Schmerz über das Scheitern auf dem Gipfel ihrer Karriere zu verwinden. Aber sie hat sich nie zurückgezogen, schon gar nicht ins Private. Nach Karlsruhe wollte sie eigentlich schon Anfang der neunziger Jahre. Damals scheitere ihre Kandidatur für das Amt der Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts am Widerstand der Unionsparteien. Sie sei zu streitlustig, zu parteiisch, zu politisch, hieß es damals.
Nächsten Dienstag wird sieals eine der Beschwerdeführer gegen das Gesetz zum Euro-Rettungsschirm ESM in Karlsruhe ankommen. Streitlustig. Parteiisch. Politisch. Sie wird sich keine Mühe geben, diese Vorurteile zu widerlegen.