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"Ich bin für Europa"

Die Verträge zur Euro-Rettung sollten, laut FDP-Politiker Burkhard Hirsch, durch Volksentscheidung in Kraft gesetzt werden. Er wäre froh, wenn es einen Mitgliederentscheid zur Euro-Rettung nicht nur in der FDP geben würde, damit "eine ernsthafte Diskussion zwischen der Politik und dem Bürger gibt".

Burkhard Hirsch im Gespräch mit Jürgen Zurheide |
    Jürgen Zurheide: Die FDP sucht sich – wieder einmal, muss man sagen – selbst, sie sucht ihren politischen Kurs, und das in Zeiten, wo die Partei auf der einen Seite verunsichert ist und die Herausforderung auf der einen Seite natürlich groß sind. Die Berliner Koalition – ja, die Frage steht im Raum –, wankt sie oder wankt sie nicht? Und dann gibt es in der FDP einen Mitgliederentscheid zum Euro. Das ist ziemlich viel auf einmal. Wir wollen über all das reden, und ich begrüße am Telefon Burkhard Hirsch, den Liberalen, das liberale Gewissen hier im Deutschlandfunk. Guten Morgen, Herr Hirsch!

    Burkhard Hirsch: Einen schönen guten Morgen, Herr Zurheide!

    Zurheide: Herr Hirsch, sind Sie eigentlich ein Euro-Rebell oder zucken Sie, wenn Sie das lesen im Zusammenhang mit Ihrem Namen?

    Hirsch: Also, ich bin überhaupt kein Rebell, sondern ich mache von einem Instrument Gebrauch mit anderen zusammen, das in der Satzung vorgesehen ist, ein Mitgliederentscheid, und finde es dann ganz vernünftig, wenn man endlich mal diese sogenannten Redeverbote übergeht und dafür sorgt, dass eine Frage wirklich verantwortlich diskutiert wird, mit denen, die es bezahlen sollen, nämlich einen ständigen Rettungsschirm oder einen ständigen Schirm, dem die Bundesrepublik eine unabsehbar hohe Verpflichtung eingehen soll.

    Zurheide: Wir werden gleich nochmal über die Inhalte reden. Ich will einfach nur mal so bei der Befindlichkeit bleiben: Haben Sie eigentlich was gegen Europa?

    Hirsch: Nein, ich bin für Europa. Ich bin der Überzeugung, dass eine Währungsunion in einem Staatenbund nicht funktionieren kann, sondern dass man wirklich dann eine europäische Regierung braucht, der die Grundlagen einer gemeinsamen Wirtschafts-, Währungs- und Finanzpolitik verantwortlich, vor einen Parlament verantwortlich beschlossen wird. Anders kann das nicht funktionieren, deswegen. Weil ich muss dann hier nun endlich mal sagen, so geht es nicht weiter, wie wir bisher versuchen, die Krise zu lösen.

    Zurheide: Nun wird Ihnen hier dann immer entgegengehalten, das können Sie so nicht machen, weil wer gegen den Euro argumentiert oder sagt, der Euro, so wie er jetzt ist, wird nicht überleben, der schade und beschädige die Europäische Union. Da wird ja eine Art politisches Junktim hergestellt. Ist das eigentlich aus Ihrer Sicht richtig?

    Hirsch: Ich fürchte, dass genau das Gegenteil passiert. Wenn wir mit diesem ESM-Vertrag, also einer Rettung dieser bisher vorgesehenen Überschuldungsrettungsaktion weitermachen will, heißt also, Schulden mit immer weiteren Schulden abdecken wollen, dann wird Europa zerstört werden. Denn auf der einen Seite wird man Ländern, die verschuldet sind von einer Bürokratie, vorschreiben wollen, was sie tun sollten – als Gouverneursrat oder wer immer dann sozusagen die Verantwortung übernimmt, ohne gewählt zu sein –, da werden es ja die Leute nicht akzeptieren. Und auf der anderen Seite stehen diejenigen, die immer weiter bezahlen sollen, ohne ein Ende sehen zu können. Gerade dieser Mechanismus wird dazu führen, dass sich die Aversion gegen Europa immer weiter ausbreitet. Nein, eine Währung kann nur auf Vertrauen basieren. Und diese Maßnahmen, wie sie bisher vorgesehen sind, werden nicht ein Vertrauen schaffen, sondern ein Vertrauen zerstören und werden wie eine Infektion die Europäische Union in große Gefahren bringen. Ich halte also genau das, was bisher geplant ist, für eine schwere Gefahr für ein weiteres stabiles Zusammenwachsen der Europäischen Union. Es muss eine Union der Bürger sein, und nicht eine Union vom Ministerialräten und Verwaltungen.

    Zurheide: Aber wie wollen Sie da jetzt diesen Meinungsumschwung hinkriegen? Denn mit dem, was Sie da gerade sagen, stehen Sie im politischen System immer noch ziemlich alleine, also zumindest die, die in Verantwortung sind, sehen das völlig anders.

    Hirsch: Als es darum ging, ob eine Währungsunion eingeführt wird, haben wir dringend und immer wieder daran erinnert, welche Folgen sich daraus ergeben, nämlich, dass man dann eine gemeinsame europäische Regierung braucht. Nun hat man das gemacht, und man hat die Verträge von Maastricht und Lissabon so geschlossen, dass man gesagt hat: Wir machen ein Verbot der Bail-out-Klausel, das heißt, wir begründen die Währungsunion darauf, dass kein Staat die Schulden eines anderen übernehmen soll. Und was wir wollen, oder was dieser Mitgliederentscheid bewirken soll, ist das Festhalten an diesem gemeinsamen Vertrag. Man wird doch nicht sagen können, dass die Verträge von Maastricht und Lissabon europafeindlich sind. Sondern wir haben die gemeinsame Währung auf die Eigenverantwortung der Schuldner gebaut. Das ist die entscheidende Basis, das ist das Verbot des Bail-out. Und nun gehen wir in großen Schritten über in eine Transfer-Union, in der die Verpflichtungen der Bundesrepublik, sich an Schulden zu beteiligen, immer weiter aufgebaut werden. Wir haben jetzt einen temporären Rettungsschirm, der geht bis Mitte 2013, und da soll die Bundesrepublik – das wird im September beschlossen – mit über 200 Milliarden haften.

    Zurheide: Die "FAZ" schreibt heute sogar – bezieht sich da auf Quellen der Deutschen Bank –, dass das bis 400 Milliarden gehen könne, wenn alles ganz schlimm kommt.

    Hirsch: So ist das. Und nun soll darauf gesetzt werden der sogenannte ESM-Vertrag, also ein zeitlich unbefristeter Rettungsschirm mit einem Volumen von zunächst 800 Milliarden, an dem die Bundesrepublik mit einem weiteren Drittel beteiligt ist. Aber das ist kein definitiver, feststehender Rahmen, sondern der kann immer weiter ausgedehnt werden. Und da muss man ja irgendwann mal fragen: Liebe Leute, wo ist denn das Ende dieses Unternehmens? So geht es doch nicht.

    Zurheide: Ja, nur: Alle halten Ihnen ja entgegen, wenn man das nicht macht, würde es noch viel schlimmer kommen. Warum überzeugt Sie dieses Argument denn nicht?

    Hirsch: Weil das Argument falsch ist. Man kann doch das Schuldenmachen nicht dadurch beenden, dass man den Zockern sagt, wir nehmen euch das Risiko ab und übernehmen die Garantie für die Finanzgeschäfte, die ihr gemacht habt.

    Zurheide: Also, um auf Deutsch mal zu sagen: Sie, gerade als Liberaler, sagen, die Banken müssen viel mehr und diejenigen, die am Ende Gläubiger sind und die diese Papiere halten, müssen viel mehr beteiligt werden. Das sind …

    Hirsch: Natürlich! Das Spielkasino muss geschlossen werden! Man kann …

    Zurheide: Das sagen Sie als Liberaler?

    Hirsch: Ja, natürlich! Man kann doch nicht sagen: Leute, ihr könnt Finanzgeschäfte machen nach Herzenslust, ihr gebt Kredite mit hohem Risiko, Zinsen, und wenn es ernst wird, dann sagt ihr: Ach, jetzt muss der Staat zahlen, muss die Gemeinschaft der europäischen Staaten zahlen. So kann es doch nicht gehen. Das war einer der ehernen Grundsätze, dass jemand, der Gewinne erzielen will, dafür auch das eigene Risiko tragen muss. Er kann doch nicht sagen: Die Gewinne übernehme ich, und wenn ich leider Verluste mache, weil das Risiko sich realisiert, dann tritt der Steuerzahler ein. Wenn Sie das machen, hört das Schuldenmachen nie auf.

    Zurheide: Jetzt frage ich Sie: Der Mitgliederentscheid läuft, heute Morgen hören wir, Herr Scheffler sagt, 2.100 Unterstützer hat er. Aber das alles wird natürlich für die aktuellen Entscheidungen auch im Bundestag wahrscheinlich nicht mehr rechtzeitig kommen …

    Hirsch: Man muss da zwei Dinge unterscheiden. Das eine ist dieser temporäre Schirm mit dem schönen Namen EFSF. Das ist der zurzeit bestehende Schirm, bei dem das Volumen für die Bundesrepublik alleine auf 200 Milliarden Haftungssumme angehoben werden soll. Der läuft bis Mitte 2013, da in der Tat, an den kommt man nicht ran. Der Mitgliederentscheid bezieht sich auf den nächsten Vertrag, den sogenannten ESM-Vertrag, in dem nun an diese Zeit, Mitte 2013 anschließend, ein Vertragsgebilde gebaut werden soll, in dem der Rettungsschirm unbegrenzt wird. Zeitlich unbegrenzt und dem Volumen nach, wenn man sich den Vertrag genau ansieht, auch weitestgehend uneingeschränkt. Und da ist das Gesamtvolumen zunächst mal 700 Milliarden. Verstehen Sie, und das ist der Punkt, wo man sagen muss: Hier hört es nun auf! Und da müssen die Bürger dieses Landes Farbe bekennen. Wenn man will, dass ein solches gewaltiges Unternehmen in Kraft gesetzt wird, dann bitte durch einen Volksentscheid. Ich wäre froh, wenn es einen Mitgliederentscheid nicht nur in der FDP gebe, sondern wenn die anderen Parteien, die die Nase rümpfen, ob das die CDU/CSU ist, oder die SPD oder die Grünen, wenn die in ihren Reihen ebenso einen Mitgliederentscheid machten, damit es endlich mal eine ernsthafte Diskussion zwischen der Politik und dem Bürger gibt, wohin das Ganze eigentlich gehen soll. Und diese ernsthafte Diskussion sehe ich nicht, sondern ich höre was von Denkverboten und von Redeverboten und sage mir, wir reden hier ja nicht über eine Variante der Straßenverkehrsordnung, sondern wir reden über eine dauerhafte, der Höhe nach nahezu unbegrenzte Haftung der Bundesrepublik für Schulden, die sie nicht gemacht hat. Darüber …

    Zurheide: … ja, okay.

    Hirsch: … darüber muss der Bürger entscheiden!

    Zurheide: Letzte Frage, meine Bitte um eine kurze Antwort, Herr Hirsch: Der Umgang in der Koalition – auch wenn wir Herrn Schäuble da am Wochenende jetzt schon wieder hören, dass andere den Mund halten sollen –, ist Ihnen so was schon mal untergekommen? Das geht ja jetzt gegen Ihren Parteichef Rösler.

    Hirsch: Na ja, also, eine Koalition ist kein bayerisches Fingerhakeln, sondern entweder arbeitet man gemeinsam und versucht, sich zu überzeugen oder eine gemeinsame Linie zu finden, oder man muss Konsequenzen ziehen. Also, diese Art des Umgangs, die spricht für sich eigentlich.

    Zurheide: Das war Burkhard Hirsch, der Liberale hat uns begründet, warum er mitmacht beim Mitgliederentscheid zum Euro in seiner Partei. Herr Hirsch, ich bedanke mich für das Gespräch!

    Hirsch: Vielen Dank, Wiederhören!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.