Dennis Kastrup: Ihr neues Album handelt unter anderem von einer Fernbeziehung, von der Sie sagen, dass sie Ihre große Liebe sei. Sie sind ein erfolgreicher Musiker, reisen um die Welt und haben doch keine Zeit für ihre Freundin. Das Leben spielt manchmal ungerecht, oder?
James Blake: Ja, weil ich eine lange Zeit darauf gewartet habe. Menschen warten lange darauf, aber ich habe das Gefühl, dass ich zu lange gewartet habe. Als es dann passiert ist, war sie so weit weg. Das war schwierig. Es ist ein bisschen schade, aber gleichzeitig natürlich toll. Es war absolut das Tollste, aber eben auch ein wenig tragisch, wenn man sich die Umstände anschaut und was ich machen muss, um die Beziehung genießen zu können. Das ist sehr schwierig.
Kastrup: Kann man auf der anderen Seite auch sagen: Gut, dass es passiert ist, weil Sie so die Songs schreiben konnten?
Blake: Es ist wohl leicht, zynisch damit umzugehen. Aus meiner Perspektive ist es toll, dass wir zusammen sind, weil ich dadurch etwas habe, wovon ich erzählen kann. Es gibt nichts Langweiligeres, als über eine Tour zu singen. Ich habe eben diese Frau kennengelernt! Es ist viel einfacher, etwas aus sich herauszulassen, das so toll, aber gleichzeitig auch herzzerreißend ist. Das Album besitzt deswegen Distanz und Intimität. Ich brauchte beides.
Kastrup: Wenn ich Sie so reden höre, fällt mir auf, dass Sie sehr rational über die Musik reden. Wie geht das Hand in Hand mit Ihrer Musik, die so emotional und sensibel ist? Muss die sensible Seite die rationale auch beiseiteschieben können?
Blake: Ich hoffe, das tut sie. Das hoffe ich generell für mein Leben. Auf gewisse Art und Weise ist das eine Metapher für alles. Es ist eben schwer, wenn man das nicht zulässt. Also wenn die logische und rationale Seite die grundlegenden menschlichen Gefühle verdrängt und sie es nicht erlaubt, mit anderen Menschen oder einer bestimmten Person zusammen zu sein. In diesen Momenten werden die Menschen kalt. Ich habe vor nichts anderem mehr Angst. Ich habe Angst davor, dass diese Seite von mir zu viel wird. Ich bin irgendwie schon romantisch. Ich tendiere dahin, das Emotionale gewinnen zu lassen.
Kastrup: Sie sind noch jung, 24 Jahre alt, deshalb eine hypothetische Frage: Verliert man im Alter nicht auch ein wenig das Emotionale, weil alles für das Überleben rational sein muss?
Blake: Ich habe eher das Gefühl, in vielerlei Hinsicht mein Leben rückwärts zu leben. Je jünger ich war, desto rationaler und zurückweisender war ich gegenüber meinen Emotionen. Ich glaube, je älter ich werde, desto besser bin ich darin, das zu handhaben. Das gilt auch für das Singen auf der Bühne. Da kann ich jetzt mehr ich selber und frei sein. Das sind all diese Eigenschaften, die man als Sänger haben sollte. Ich werde besser darin. Vielleicht stimmt es aber und man wird rationaler und abgestumpfter, wenn man älter wird.
Kastrup: Sie erzeugen mit den Fotos zum neuen Album ein sehr kühles und distanziertes Bild von Ihnen. Man sieht Sie auf dem Cover mit einem Mantel im Schnee mit einem sehr ernsten Gesichtsausdruck stehen. Was mögen Sie an dem Bild?
Blake: Wir haben das Foto benutzt, weil es so klassisch ausgesehen hat. Ich mag die Tatsache, dass es vor 50 Jahren und in 50 Jahren hätte entstanden sein können. Aufgrund dieser Tatsache, hat es etwas Zeitloses. Das Entstehungsdatum ist eigentlich auch egal. Das bin ich. Ich trage einen Mantel. Es ist kalt und es liegt Schnee. Wir brauchten nicht mehr als das. Dieses Cover musste direkt sein. Die Absichten mussten eindeutig sein: Ich bin es. Ich bin nicht mehr so verschwommen wie auf dem Cover davor. Meine Stimme kann man auf dem Album besser hören und deshalb sollten mein Gesicht und meine Person auch besser zu sehen sein.
Kastrup: Sprechen wir über ihre Stimme: Dieses Mal haben Sie nicht so viele Effekte über Ihren Gesang gelegt. Steht Ihre Stimme jetzt also mehr für sich?
Blake: Ja, irgendwie schon. Ich habe beim Album davor die Effekte, Pitch-Shifting, Autotune, Vocoder oder so ein Zeug aber nicht dafür benutzt, um meine Stimme zu verbergen. Ich habe das nicht bewusst gemacht, möglicherweise unbewusst. Vielleicht war es für mich wie ein Schutzschild, als ich meine Stimme zum ersten Mal öffentlich machte. Es ist aber auch möglich, dass ich diese Sachen benutzen wollte, weil ich es spannend fand, sie zu benutzen. Ich habe gedacht: "Oh wow, es klingt toll, wenn du das drei Halbnoten anhebst! Das klingt gut, interessant und fremd. Lass mich das jetzt mal hier versuchen." Am Ende langweilt einen der eigene Prozess aber. Man will vorankommen und etwas anderes machen. Offen gesagt wurde das Anheben von Tönen in letzter Zeit in all der anderen Musik stark überstrapaziert, auch im Mainstream. Das war auch schon in der Zeit so, als ich das gemacht habe. Darum wollte ich davon wegkommen. Ich will etwas anderes machen und neu experimentieren. Das habe ich dann getan.
Kastrup: Sie haben mit Brian Eno zusammengearbeitet. Mögen Sie seine Musik?
Blake: Am meisten hat mich seine Einstellung fasziniert. Er erfindet Musik neu und probiert viel aus. Ihm geht es um die Schönheit in der Musik. Das letzte Mal, als ich ihn gesprochen habe, war er gerade auf dem Weg, ein Konzert in Italien zu spielen. Dort hat er diese wunderschönen Sinuswellen durch eine Kirche geschickt. Die Lautsprecher waren in der einen und der anderen Ecke. Ich bin mir sicher, dass er das nur macht, weil er es in einer Kirche hören will. Er macht spezielle Musik, weil er sie einfach so liebt, wie sie ist. Nicht viele Leute erkennen das. Nicht viele Menschen sind so. Das ist faszinierend und einzigartig.
Kastrup: Die aktuelle Musik von Brian Eno ist sehr minimal und ambient. Man hat das Gefühl, dass sein neues Album 60 Minuten lang nur mit drei Tönen spielt. Hat er davon erzählt?
Blake: Ja. Als ich bei ihm war, hat er anscheinend total zufällige Sinustöne gehört. Ich habe gelacht und gesagt: "Ist es das, was du den ganzen Tag machst?" Er hat geantwortet: "Ja!" Ich sagte: "Okay. Lass uns das hören, weil es toll und wunderschön ist." Ich wünschte, ich könnte das den ganzen Tag machen.
Kastrup: Auch bei Ihnen scheint ein Ton durchgehend dabei zu sein: Das Album wird von einem tiefen Bass getragen. Ist das die Basis aller Songs?
Blake: Das ist ein Baustein davon. Ich würde aber nicht sagen, dass es der erste Baustein ist. Man kann damit gut das Frequenzspektrum ausbalancieren. Wir können heute das gesamte Spektrum der hörbaren Frequenzen aufnehmen. In den 30er-, 40er- oder 50er-Jahren haben Vinyl und sogar gewachste Schallplatten uns dahin geführt, wo wir jetzt sind. Bei den Aufnahmen von damals konnte man aber nicht das gesamte Frequenzspektrum hören. Deshalb gab es da keinen tiefen Bass und total hohe Frequenzen. Jetzt kann man das gesamte Frequenzspektrum benutzen. Man kann die Musik so auffüllen, wie man mag. Was Klang angeht, besitzen wir heute die größte Freiheit, die wir jemals hatten. Auch wenn man eine Ballade schreibt, kann man die Frequenzen jetzt voll auszunutzen.
Kastrup: Sie stammen aus einer musikalischen Familie. Ihr Vater ist ein großer Einfluss. Welchen Rat hat er Ihnen für dieses Album mit auf den Weg gegeben, den sie nicht angenommen haben?
Blake: Er hat mir gesagt, dass ich den Krach aus meiner Musik nehmen soll, also diese kratzenden, statischen Klänge und diese komischen Snare-Klänge. Es geht da um dieses seltsame Geräusch, das nicht nach einer Snare klingt. Er hat mir immer gesagt, dass ich das aus der Musik nehmen soll. Und ich habe das nie gemacht. Das werde ich auch nie machen. Er ist aber eine große Hilfe, weil er ein guter Gradmesser ist. Er weiß, ob etwas funktioniert und wie eine gute Melodie klingt, weil er ein erfahrener und großartiger Songwriter ist. Er hat auch eine wundervolle Stimme und weiß, wie er sie benutzen muss. Als ich zum ersten Mal das Cover von "Limit To Your Love" gesungen habe, hat er das mit meiner Mutter gehört. Beide haben gesagt, dass dies mein wichtigster Song sein wird. Als sie "Retrograde" oder "Overgrown" gehört haben, haben sie dasselbe gesagt. Ihr Lieblingssong ist tatsächlich "Overgrown". Ich kann mich glücklich schätzen, sehr glücklich.
James Blake: Ja, weil ich eine lange Zeit darauf gewartet habe. Menschen warten lange darauf, aber ich habe das Gefühl, dass ich zu lange gewartet habe. Als es dann passiert ist, war sie so weit weg. Das war schwierig. Es ist ein bisschen schade, aber gleichzeitig natürlich toll. Es war absolut das Tollste, aber eben auch ein wenig tragisch, wenn man sich die Umstände anschaut und was ich machen muss, um die Beziehung genießen zu können. Das ist sehr schwierig.
Kastrup: Kann man auf der anderen Seite auch sagen: Gut, dass es passiert ist, weil Sie so die Songs schreiben konnten?
Blake: Es ist wohl leicht, zynisch damit umzugehen. Aus meiner Perspektive ist es toll, dass wir zusammen sind, weil ich dadurch etwas habe, wovon ich erzählen kann. Es gibt nichts Langweiligeres, als über eine Tour zu singen. Ich habe eben diese Frau kennengelernt! Es ist viel einfacher, etwas aus sich herauszulassen, das so toll, aber gleichzeitig auch herzzerreißend ist. Das Album besitzt deswegen Distanz und Intimität. Ich brauchte beides.
Kastrup: Wenn ich Sie so reden höre, fällt mir auf, dass Sie sehr rational über die Musik reden. Wie geht das Hand in Hand mit Ihrer Musik, die so emotional und sensibel ist? Muss die sensible Seite die rationale auch beiseiteschieben können?
Blake: Ich hoffe, das tut sie. Das hoffe ich generell für mein Leben. Auf gewisse Art und Weise ist das eine Metapher für alles. Es ist eben schwer, wenn man das nicht zulässt. Also wenn die logische und rationale Seite die grundlegenden menschlichen Gefühle verdrängt und sie es nicht erlaubt, mit anderen Menschen oder einer bestimmten Person zusammen zu sein. In diesen Momenten werden die Menschen kalt. Ich habe vor nichts anderem mehr Angst. Ich habe Angst davor, dass diese Seite von mir zu viel wird. Ich bin irgendwie schon romantisch. Ich tendiere dahin, das Emotionale gewinnen zu lassen.
Kastrup: Sie sind noch jung, 24 Jahre alt, deshalb eine hypothetische Frage: Verliert man im Alter nicht auch ein wenig das Emotionale, weil alles für das Überleben rational sein muss?
Blake: Ich habe eher das Gefühl, in vielerlei Hinsicht mein Leben rückwärts zu leben. Je jünger ich war, desto rationaler und zurückweisender war ich gegenüber meinen Emotionen. Ich glaube, je älter ich werde, desto besser bin ich darin, das zu handhaben. Das gilt auch für das Singen auf der Bühne. Da kann ich jetzt mehr ich selber und frei sein. Das sind all diese Eigenschaften, die man als Sänger haben sollte. Ich werde besser darin. Vielleicht stimmt es aber und man wird rationaler und abgestumpfter, wenn man älter wird.
Kastrup: Sie erzeugen mit den Fotos zum neuen Album ein sehr kühles und distanziertes Bild von Ihnen. Man sieht Sie auf dem Cover mit einem Mantel im Schnee mit einem sehr ernsten Gesichtsausdruck stehen. Was mögen Sie an dem Bild?
Blake: Wir haben das Foto benutzt, weil es so klassisch ausgesehen hat. Ich mag die Tatsache, dass es vor 50 Jahren und in 50 Jahren hätte entstanden sein können. Aufgrund dieser Tatsache, hat es etwas Zeitloses. Das Entstehungsdatum ist eigentlich auch egal. Das bin ich. Ich trage einen Mantel. Es ist kalt und es liegt Schnee. Wir brauchten nicht mehr als das. Dieses Cover musste direkt sein. Die Absichten mussten eindeutig sein: Ich bin es. Ich bin nicht mehr so verschwommen wie auf dem Cover davor. Meine Stimme kann man auf dem Album besser hören und deshalb sollten mein Gesicht und meine Person auch besser zu sehen sein.
Kastrup: Sprechen wir über ihre Stimme: Dieses Mal haben Sie nicht so viele Effekte über Ihren Gesang gelegt. Steht Ihre Stimme jetzt also mehr für sich?
Blake: Ja, irgendwie schon. Ich habe beim Album davor die Effekte, Pitch-Shifting, Autotune, Vocoder oder so ein Zeug aber nicht dafür benutzt, um meine Stimme zu verbergen. Ich habe das nicht bewusst gemacht, möglicherweise unbewusst. Vielleicht war es für mich wie ein Schutzschild, als ich meine Stimme zum ersten Mal öffentlich machte. Es ist aber auch möglich, dass ich diese Sachen benutzen wollte, weil ich es spannend fand, sie zu benutzen. Ich habe gedacht: "Oh wow, es klingt toll, wenn du das drei Halbnoten anhebst! Das klingt gut, interessant und fremd. Lass mich das jetzt mal hier versuchen." Am Ende langweilt einen der eigene Prozess aber. Man will vorankommen und etwas anderes machen. Offen gesagt wurde das Anheben von Tönen in letzter Zeit in all der anderen Musik stark überstrapaziert, auch im Mainstream. Das war auch schon in der Zeit so, als ich das gemacht habe. Darum wollte ich davon wegkommen. Ich will etwas anderes machen und neu experimentieren. Das habe ich dann getan.
Kastrup: Sie haben mit Brian Eno zusammengearbeitet. Mögen Sie seine Musik?
Blake: Am meisten hat mich seine Einstellung fasziniert. Er erfindet Musik neu und probiert viel aus. Ihm geht es um die Schönheit in der Musik. Das letzte Mal, als ich ihn gesprochen habe, war er gerade auf dem Weg, ein Konzert in Italien zu spielen. Dort hat er diese wunderschönen Sinuswellen durch eine Kirche geschickt. Die Lautsprecher waren in der einen und der anderen Ecke. Ich bin mir sicher, dass er das nur macht, weil er es in einer Kirche hören will. Er macht spezielle Musik, weil er sie einfach so liebt, wie sie ist. Nicht viele Leute erkennen das. Nicht viele Menschen sind so. Das ist faszinierend und einzigartig.
Kastrup: Die aktuelle Musik von Brian Eno ist sehr minimal und ambient. Man hat das Gefühl, dass sein neues Album 60 Minuten lang nur mit drei Tönen spielt. Hat er davon erzählt?
Blake: Ja. Als ich bei ihm war, hat er anscheinend total zufällige Sinustöne gehört. Ich habe gelacht und gesagt: "Ist es das, was du den ganzen Tag machst?" Er hat geantwortet: "Ja!" Ich sagte: "Okay. Lass uns das hören, weil es toll und wunderschön ist." Ich wünschte, ich könnte das den ganzen Tag machen.
Kastrup: Auch bei Ihnen scheint ein Ton durchgehend dabei zu sein: Das Album wird von einem tiefen Bass getragen. Ist das die Basis aller Songs?
Blake: Das ist ein Baustein davon. Ich würde aber nicht sagen, dass es der erste Baustein ist. Man kann damit gut das Frequenzspektrum ausbalancieren. Wir können heute das gesamte Spektrum der hörbaren Frequenzen aufnehmen. In den 30er-, 40er- oder 50er-Jahren haben Vinyl und sogar gewachste Schallplatten uns dahin geführt, wo wir jetzt sind. Bei den Aufnahmen von damals konnte man aber nicht das gesamte Frequenzspektrum hören. Deshalb gab es da keinen tiefen Bass und total hohe Frequenzen. Jetzt kann man das gesamte Frequenzspektrum benutzen. Man kann die Musik so auffüllen, wie man mag. Was Klang angeht, besitzen wir heute die größte Freiheit, die wir jemals hatten. Auch wenn man eine Ballade schreibt, kann man die Frequenzen jetzt voll auszunutzen.
Kastrup: Sie stammen aus einer musikalischen Familie. Ihr Vater ist ein großer Einfluss. Welchen Rat hat er Ihnen für dieses Album mit auf den Weg gegeben, den sie nicht angenommen haben?
Blake: Er hat mir gesagt, dass ich den Krach aus meiner Musik nehmen soll, also diese kratzenden, statischen Klänge und diese komischen Snare-Klänge. Es geht da um dieses seltsame Geräusch, das nicht nach einer Snare klingt. Er hat mir immer gesagt, dass ich das aus der Musik nehmen soll. Und ich habe das nie gemacht. Das werde ich auch nie machen. Er ist aber eine große Hilfe, weil er ein guter Gradmesser ist. Er weiß, ob etwas funktioniert und wie eine gute Melodie klingt, weil er ein erfahrener und großartiger Songwriter ist. Er hat auch eine wundervolle Stimme und weiß, wie er sie benutzen muss. Als ich zum ersten Mal das Cover von "Limit To Your Love" gesungen habe, hat er das mit meiner Mutter gehört. Beide haben gesagt, dass dies mein wichtigster Song sein wird. Als sie "Retrograde" oder "Overgrown" gehört haben, haben sie dasselbe gesagt. Ihr Lieblingssong ist tatsächlich "Overgrown". Ich kann mich glücklich schätzen, sehr glücklich.