Bettina Klein: Proteste einer islamischen Glaubensgemeinschaft gegen einen "Tatort" im Ersten Deutschen Fernsehen inklusive Klage wegen Volksverhetzung und Demonstrationen etwa heute in Berlin oder am Wochenende in Köln - das kommt nicht alle Tage vor. Worum geht es? In dem Streifen "Wem Ehre gebührt" aus der bekannten Krimi-Reihe ausgestrahlt am Sonntag wurde das Thema Inzest behandelt und zwar mit konkretem Bezug auf eine alevitische Familie. Etwa ein Drittel aller aus der Türkei stammenden und hier lebenden Menschen gehören dieser Glaubensrichtung an. Und der Verein der Aleviten beschwert sich nun, weil der Vorwurf des Inzest seit jahrhunderten dafür herhalten müsse, dass die Aleviten verfolgt und getötet worden seien, so die Begründung. Bereits im Vorfeld hatte die Gruppierung sich darum bemüht, die Ausstrahlung des Filmes zu verhindern. Der NDR, als in diesem Fall zuständige Sender, verwies auf die Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit. Ich habe vor der Sendung mit der Regisseurin und Autorin dieses "Tatorts" sprechen können, das ist Angelina Maccarone, und ich habe sie zunächst nach ihrer Reaktion auf die Proteste gefragt.
Angelina Maccarone: Für mich ist das eine ziemliche Katastrophe. Wer jetzt meine anderen Filme auch kennt, weiß, dass mir einfach daran gelegen ist, ein differenziertes Bild zu zeichnen von jeglicher Art von Minderheit. Für mich war das oder ist es auch immer noch wie so ein Albtraum, wo ich immer denke, ich wache hoffentlich gleich wieder auf. Weil was mir total fern lag, nämlich eine Minderheit wie die Aleviten jetzt in so Aufruhr zu versetzen, das lag mir komplett fern. Ich habe eigentlich die Motivation gehabt, bei diesem "Tatort" eben aufzuzeigen, es gibt nicht eine homogene Gruppe von türkischen Migranten, sondern das ist eben sehr differenziert, und innerhalb dieser differenzierten Gruppen gibt es dann eben auch Individuen. Und das ist eigentlich das, was ich versucht habe. Es ist ja im Übrigen auch so, dass verschiedenste Aleviten in dem Tatort vorkommen, u.a. auch ein Kommissar, der Alevit ist. Und es gibt eben einen Täter, der Alevit ist. Das ist jetzt der Stein des Anstoßes.
Bettina Klein: Können Sie diese heftigen Proteste, auch die aufgewühlten Emotionen, die offenbar vorhanden sind, nachvollziehen?
Maccarone: Was mich erstaunt hat, war dieser Vorwurf des Inzestes. Das war mir, ehrlich gesagt, neu. Ich habe sehr ausführlich recherchiert im Vorfeld und bin bei keiner Recherche meinerseits auf diese Inzestvorwürfe gestoßen. Und ich habe ein längeres Gespräch gehabt mit einem der Vertreter aus Stuttgart der Aleviten. Und der hat mir halt erklärt, und das habe ich dann, als die Proteste losgingen, dann auch noch mal recherchiert, dass das offenbar ein Vorwurf ist, der aus dem osmanischen Reich stammt. Das osmanische Reich ist nun auch schon ein paar Jahrhunderte her. Und es hätte sich irgendwie bis heute gehalten. Der Vorwurf des Inzestes, der wohl daraus resultiert, dass die Gebete verboten waren, den Aleviten ihre heiligen Gebete so zu praktizieren, also Frauen und Männer gemeinsam und Kinder, eben nicht separiert. Und das war wohl verboten. Und dann haben das die Aleviten im osmanischen Reich dann heimlich getan. Und daraus erwuchs offenbar dieser Inzestvorwurf. Das sind aber alles Dinge, die ich jetzt erst erfahren habe.
Klein: Dennoch geht es ja in dem Fall, von dem wir jetzt sprechen, nämlich dem "Tatort", für den Sie das Drehbuch geschrieben und für den Sie auch Regie geführt haben, geht es ja um einen Fall im Umfeld der Aleviten. Und es geht auch um Inzest dabei.
Maccarone: Das ist richtig. Das ist dann ein unglücksseliger Zufall. Es war aber nicht so, dass ich jetzt gelesen hatte. Es gab damals diesen Vorwurf, und ich greife den jetzt noch mal auf und behaupte das auch. Die Sache ist auch die, dass in dem "Tatort", und das würde ich einfach bitten, dass da noch mal genauer hingeschaut wird, es in keiner Weise gerechtfertigt oder motiviert oder getragen wird durch die alevitische Religion, das, was der Vater dort tut. Die übrigen Familienmitglieder sowie auch der alevitische Kommissar sind völlig fassungslos. Es ist nicht so, dass da in dem Tatort erzählt wird, das ist alevitischer Brauch oder irgend so ein Unsinn. Das würde mir auch fern liegen, so was zu behaupten oder das irgendwie zu verknüpfen als individuelle Tat, die in einem Krimi, wie dem Tatort, vorkommt.
Klein: Das heißt, Sie haben per Zufall einen Inzestfall in eine alevitische Familie gelegt?
Maccarone: Ja, wenn Sie so wollen, ja. Ich habe extra nach einem Fall gesucht, der in jeder Familie vorkommen könnte. Ich wollte jetzt nicht den 130.000. Ehrenmord erzählen, weil das, finde ich, eben Vorurteile zementiert, so sind die Türken usw. Ich bin nicht auf dieses Vorurteil gestoßen und hab das dann für mich benutzt. Das hätte ich auch niemals getan. Ehrlich gesagt, was ich gefunden habe, ist, dass es ein wichtiges Thema oder ein wichtiges Tabu ist innerhalb überhaupt von Migrantenfamilien, so wie es ja bei deutschen Familien ein Riesentabu ist.
Klein: Wenn das ein historisch wunder Punkt ist, muss man das Ihrer Meinung nach dann trotzdem filmisch umsetzen dürfen, zumindest zum Beispiel in einem "Tatort"?
Maccarone: Na ja, wenn Sie mich jetzt fragen, was darf man umsetzen und was nicht. Es geht ja darum, was hätte ich dann umsetzen wollen. Ich finde schon, dass das Thema sexueller Missbrauch auf jeden Fall angeguckt werden sollte, egal, von welcher Gruppierung, egal, ob jemand mit dem Vorwurf belegt ist oder nicht. Es schützt uns ja nicht davor, dass das vielleicht trotzdem mal vorkommen kann. Ich bin selber mit der ganzen Situation, ich bin davon total überrascht, weil es genau in das Gegenteil umgeschlagen ist. Die Presse hat sehr positiv reagiert am Samstag und haben eben geschrieben, dass es ein differenzierteres Bild eben von Migranten ist und eben nicht diese homogene Gruppe zeigt, die so die üblichen Vorurteile reproduziert. Und deswegen hat mich das natürlich kalt erwischt, dass es dann plötzlich zu diesen Protesten kam und jetzt auch offenbar zu Strafanzeigen.
Klein: Die Aleviten verlangen jetzt auch eine Entschuldigung von der ARD nach der Ausstrahlung des Films. Sollte die ausgesprochen werden?
Maccarone: Na ja, es gab ja schon eine Presseerklärung, als die Proteste waren. Und das Ergebnis der Verhandlung war dann ja auch, dass eine Texttafel vorangestellt wurde, dass eben nicht Aleviten damit gemeint sind und wir niemanden in seiner Religion verletzen wollen. Das ist ja selbstverständlich. Ich breche mir auch einen Zacken aus der Krone, wenn ich sage, es tut mir wahnsinnig leid. Trotzdem finde ich jetzt die Reaktionen auch sehr erstaunlich, weil Volksverhetzung im Zusammenhang mit dieser Geschichte, die, glaube ich, differenzierter ist als das, was da vorgeworfen wird. Das kann ich nur so erklären, dass es eine solche Empfindlichkeit ist und einen solchen empfindlichen Punkt trifft. Und das tut mir einfach wahnsinnig leid.
Klein: Sagen Sie, für die ARD und für den NDR sollte das Thema jetzt erledigt sein, denn es gab diese Erklärung bereits. Wir haben Presse-, Meinungs- und Kunstfreiheit in unserem Land, und da müssen eben solche Gruppen auch damit klarkommen, einen solchen Film zu sehen?
Maccarone: Wir haben bereits zugesagt, dass wir ein Gespräch führen werden Anfang Januar mit führenden Sprechern der Aleviten. Da werde ich nach Hamburg fahren, und der NDR wird dann ein Gespräch organisieren. Das ist eigentlich alles schon im Vorfeld der Ausstrahlung so verhandelt worden. Und das finde ich auch sinnvoll. Weil wenn es schon mal dann dazu kommt, dass plötzlich ein Tabu thematisiert wird, auch wenn es für mich auf sehr ungute Weise sich jetzt entwickelt hat, dann, finde ich, sollte man die Gelegenheit ergreifen und dann auch was Gutes daraus machen. Ich habe jetzt viele Telefonate geführt, weil mich viele Leute angerufen haben, eben von alevitischer Seite. Weil dann auch so Sachen kursierten, ich sei irgendwie instrumentalisiert von Sunniten usw. Ich bin da sehr irritiert von den Reaktionen, versuche aber, möglichst aus meiner Sicht das zu erklären und immer wieder runterzukochen auf das, was es ist.
Klein: Ärgern Sie sich im Nachhinein, dass Sie nicht tiefer in die Materie eingestiegen sind, um diese historischen Zusammenhänge wahrzunehmen? Oder freuen Sie sich, im Nachhinein betrachtet, dann doch darüber, dass auf diese Weise eben doch auch ein Tabu an die Öffentlichkeit gegangen ist?
Maccarone: Ich freue mich weder noch denke ich, dass ich nicht gut recherchiert hätte. Ich habe sehr, sehr genau recherchiert. Die Situation ist jetzt so, wie sie ist. Und da hoffe ich einfach, dass ich weiterhin ins Gespräch komme mit Menschen, die sich dadurch angegriffen fühlen, um dann vielleicht im persönlichen Gespräch oder in einer größeren Runde das vielleicht aus der Welt schaffen zu können.
Klein: Müssen wir auch uns jetzt stärker darum bemühen zu schauen, ist das eigentlich nur ein Vorurteil, oder ist es eine verdeckte oder auch offene Praxis innerhalb alevitischer Familien auch heute?
Maccarone: Ich glaube, dass es keine Gemeinschaft gibt, die frei ist davon. Und deswegen ist es auch überall ein Tabu. Ich glaube nur, es wäre fatal, jetzt zu sagen, dass es bei Aleviten öfter vorkäme als in anderen Gruppierungen. Da würde man jetzt was bestätigen, was im 13. Jahrhundert entstanden ist, vor dem Hintergrund offenbar, dass die Gebete verboten waren und dieses gemeinsame Beten. Und jetzt rückzuschließen, dass dort Inzest betrieben würde, finde ich einfach derartig mittelalterlich, dass ich nicht finde, dass wir darauf wieder zurückgreifen sollten. Und dann so ein Kaliber wie Volksverhetzung aufzufahren, das kann ich mir nur so erklären und das nur so entschuldigen, dass es offenbar ein derartig wunden Punkt trifft bei einer verfolgten Minderheit, wo ich aber einfach hoffe, dass dadurch, dass es in einem deutschen Krimi passiert, jetzt nicht plötzlich jahrhundertealte Vorurteile wiederbelebt.
Angelina Maccarone: Für mich ist das eine ziemliche Katastrophe. Wer jetzt meine anderen Filme auch kennt, weiß, dass mir einfach daran gelegen ist, ein differenziertes Bild zu zeichnen von jeglicher Art von Minderheit. Für mich war das oder ist es auch immer noch wie so ein Albtraum, wo ich immer denke, ich wache hoffentlich gleich wieder auf. Weil was mir total fern lag, nämlich eine Minderheit wie die Aleviten jetzt in so Aufruhr zu versetzen, das lag mir komplett fern. Ich habe eigentlich die Motivation gehabt, bei diesem "Tatort" eben aufzuzeigen, es gibt nicht eine homogene Gruppe von türkischen Migranten, sondern das ist eben sehr differenziert, und innerhalb dieser differenzierten Gruppen gibt es dann eben auch Individuen. Und das ist eigentlich das, was ich versucht habe. Es ist ja im Übrigen auch so, dass verschiedenste Aleviten in dem Tatort vorkommen, u.a. auch ein Kommissar, der Alevit ist. Und es gibt eben einen Täter, der Alevit ist. Das ist jetzt der Stein des Anstoßes.
Bettina Klein: Können Sie diese heftigen Proteste, auch die aufgewühlten Emotionen, die offenbar vorhanden sind, nachvollziehen?
Maccarone: Was mich erstaunt hat, war dieser Vorwurf des Inzestes. Das war mir, ehrlich gesagt, neu. Ich habe sehr ausführlich recherchiert im Vorfeld und bin bei keiner Recherche meinerseits auf diese Inzestvorwürfe gestoßen. Und ich habe ein längeres Gespräch gehabt mit einem der Vertreter aus Stuttgart der Aleviten. Und der hat mir halt erklärt, und das habe ich dann, als die Proteste losgingen, dann auch noch mal recherchiert, dass das offenbar ein Vorwurf ist, der aus dem osmanischen Reich stammt. Das osmanische Reich ist nun auch schon ein paar Jahrhunderte her. Und es hätte sich irgendwie bis heute gehalten. Der Vorwurf des Inzestes, der wohl daraus resultiert, dass die Gebete verboten waren, den Aleviten ihre heiligen Gebete so zu praktizieren, also Frauen und Männer gemeinsam und Kinder, eben nicht separiert. Und das war wohl verboten. Und dann haben das die Aleviten im osmanischen Reich dann heimlich getan. Und daraus erwuchs offenbar dieser Inzestvorwurf. Das sind aber alles Dinge, die ich jetzt erst erfahren habe.
Klein: Dennoch geht es ja in dem Fall, von dem wir jetzt sprechen, nämlich dem "Tatort", für den Sie das Drehbuch geschrieben und für den Sie auch Regie geführt haben, geht es ja um einen Fall im Umfeld der Aleviten. Und es geht auch um Inzest dabei.
Maccarone: Das ist richtig. Das ist dann ein unglücksseliger Zufall. Es war aber nicht so, dass ich jetzt gelesen hatte. Es gab damals diesen Vorwurf, und ich greife den jetzt noch mal auf und behaupte das auch. Die Sache ist auch die, dass in dem "Tatort", und das würde ich einfach bitten, dass da noch mal genauer hingeschaut wird, es in keiner Weise gerechtfertigt oder motiviert oder getragen wird durch die alevitische Religion, das, was der Vater dort tut. Die übrigen Familienmitglieder sowie auch der alevitische Kommissar sind völlig fassungslos. Es ist nicht so, dass da in dem Tatort erzählt wird, das ist alevitischer Brauch oder irgend so ein Unsinn. Das würde mir auch fern liegen, so was zu behaupten oder das irgendwie zu verknüpfen als individuelle Tat, die in einem Krimi, wie dem Tatort, vorkommt.
Klein: Das heißt, Sie haben per Zufall einen Inzestfall in eine alevitische Familie gelegt?
Maccarone: Ja, wenn Sie so wollen, ja. Ich habe extra nach einem Fall gesucht, der in jeder Familie vorkommen könnte. Ich wollte jetzt nicht den 130.000. Ehrenmord erzählen, weil das, finde ich, eben Vorurteile zementiert, so sind die Türken usw. Ich bin nicht auf dieses Vorurteil gestoßen und hab das dann für mich benutzt. Das hätte ich auch niemals getan. Ehrlich gesagt, was ich gefunden habe, ist, dass es ein wichtiges Thema oder ein wichtiges Tabu ist innerhalb überhaupt von Migrantenfamilien, so wie es ja bei deutschen Familien ein Riesentabu ist.
Klein: Wenn das ein historisch wunder Punkt ist, muss man das Ihrer Meinung nach dann trotzdem filmisch umsetzen dürfen, zumindest zum Beispiel in einem "Tatort"?
Maccarone: Na ja, wenn Sie mich jetzt fragen, was darf man umsetzen und was nicht. Es geht ja darum, was hätte ich dann umsetzen wollen. Ich finde schon, dass das Thema sexueller Missbrauch auf jeden Fall angeguckt werden sollte, egal, von welcher Gruppierung, egal, ob jemand mit dem Vorwurf belegt ist oder nicht. Es schützt uns ja nicht davor, dass das vielleicht trotzdem mal vorkommen kann. Ich bin selber mit der ganzen Situation, ich bin davon total überrascht, weil es genau in das Gegenteil umgeschlagen ist. Die Presse hat sehr positiv reagiert am Samstag und haben eben geschrieben, dass es ein differenzierteres Bild eben von Migranten ist und eben nicht diese homogene Gruppe zeigt, die so die üblichen Vorurteile reproduziert. Und deswegen hat mich das natürlich kalt erwischt, dass es dann plötzlich zu diesen Protesten kam und jetzt auch offenbar zu Strafanzeigen.
Klein: Die Aleviten verlangen jetzt auch eine Entschuldigung von der ARD nach der Ausstrahlung des Films. Sollte die ausgesprochen werden?
Maccarone: Na ja, es gab ja schon eine Presseerklärung, als die Proteste waren. Und das Ergebnis der Verhandlung war dann ja auch, dass eine Texttafel vorangestellt wurde, dass eben nicht Aleviten damit gemeint sind und wir niemanden in seiner Religion verletzen wollen. Das ist ja selbstverständlich. Ich breche mir auch einen Zacken aus der Krone, wenn ich sage, es tut mir wahnsinnig leid. Trotzdem finde ich jetzt die Reaktionen auch sehr erstaunlich, weil Volksverhetzung im Zusammenhang mit dieser Geschichte, die, glaube ich, differenzierter ist als das, was da vorgeworfen wird. Das kann ich nur so erklären, dass es eine solche Empfindlichkeit ist und einen solchen empfindlichen Punkt trifft. Und das tut mir einfach wahnsinnig leid.
Klein: Sagen Sie, für die ARD und für den NDR sollte das Thema jetzt erledigt sein, denn es gab diese Erklärung bereits. Wir haben Presse-, Meinungs- und Kunstfreiheit in unserem Land, und da müssen eben solche Gruppen auch damit klarkommen, einen solchen Film zu sehen?
Maccarone: Wir haben bereits zugesagt, dass wir ein Gespräch führen werden Anfang Januar mit führenden Sprechern der Aleviten. Da werde ich nach Hamburg fahren, und der NDR wird dann ein Gespräch organisieren. Das ist eigentlich alles schon im Vorfeld der Ausstrahlung so verhandelt worden. Und das finde ich auch sinnvoll. Weil wenn es schon mal dann dazu kommt, dass plötzlich ein Tabu thematisiert wird, auch wenn es für mich auf sehr ungute Weise sich jetzt entwickelt hat, dann, finde ich, sollte man die Gelegenheit ergreifen und dann auch was Gutes daraus machen. Ich habe jetzt viele Telefonate geführt, weil mich viele Leute angerufen haben, eben von alevitischer Seite. Weil dann auch so Sachen kursierten, ich sei irgendwie instrumentalisiert von Sunniten usw. Ich bin da sehr irritiert von den Reaktionen, versuche aber, möglichst aus meiner Sicht das zu erklären und immer wieder runterzukochen auf das, was es ist.
Klein: Ärgern Sie sich im Nachhinein, dass Sie nicht tiefer in die Materie eingestiegen sind, um diese historischen Zusammenhänge wahrzunehmen? Oder freuen Sie sich, im Nachhinein betrachtet, dann doch darüber, dass auf diese Weise eben doch auch ein Tabu an die Öffentlichkeit gegangen ist?
Maccarone: Ich freue mich weder noch denke ich, dass ich nicht gut recherchiert hätte. Ich habe sehr, sehr genau recherchiert. Die Situation ist jetzt so, wie sie ist. Und da hoffe ich einfach, dass ich weiterhin ins Gespräch komme mit Menschen, die sich dadurch angegriffen fühlen, um dann vielleicht im persönlichen Gespräch oder in einer größeren Runde das vielleicht aus der Welt schaffen zu können.
Klein: Müssen wir auch uns jetzt stärker darum bemühen zu schauen, ist das eigentlich nur ein Vorurteil, oder ist es eine verdeckte oder auch offene Praxis innerhalb alevitischer Familien auch heute?
Maccarone: Ich glaube, dass es keine Gemeinschaft gibt, die frei ist davon. Und deswegen ist es auch überall ein Tabu. Ich glaube nur, es wäre fatal, jetzt zu sagen, dass es bei Aleviten öfter vorkäme als in anderen Gruppierungen. Da würde man jetzt was bestätigen, was im 13. Jahrhundert entstanden ist, vor dem Hintergrund offenbar, dass die Gebete verboten waren und dieses gemeinsame Beten. Und jetzt rückzuschließen, dass dort Inzest betrieben würde, finde ich einfach derartig mittelalterlich, dass ich nicht finde, dass wir darauf wieder zurückgreifen sollten. Und dann so ein Kaliber wie Volksverhetzung aufzufahren, das kann ich mir nur so erklären und das nur so entschuldigen, dass es offenbar ein derartig wunden Punkt trifft bei einer verfolgten Minderheit, wo ich aber einfach hoffe, dass dadurch, dass es in einem deutschen Krimi passiert, jetzt nicht plötzlich jahrhundertealte Vorurteile wiederbelebt.