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"Ich bin unabhängig vom Ort"

Software.- Revolutioniert die Auslagerung von Software in die sogenannte Cloud die Computerwelt? Im Interview mit Manfred Kloiber spricht der Wissenschaftsjournalist Po Keung Cheung über die Vorzüge der virtuellen Wolke.

    Manfred Kloiber: Po Keung Cheung über "Office 365". Herr Cheung, viele Funktionen in diesem Paket waren ja bislang auch im Unternehmensnetzwerk möglich, sind also nicht unbedingt so neu und hyper-innovativ. Vermarktet aber wird dieses Paket ja explizit als Cloud-Computing-Lösung. Was genau macht eigentlich da den Unterschied aus?

    Po Keung Cheung: Der Unterschied ist, dass eine solche Cloud-Anwendung speziell für eine solche Zusammenarbeit ausgelegt ist. Die Basis ist die Cloud, die grundlegenden Funktionen laufen über das Rechenzentrum. Also das Anlegen, das Verwalten der Nutzer, die Bereitstellung der Applikationen, der Download der lokal installierbaren Programme – auch das läuft über diese Cloud-Anwendung. Und es gibt funktionell gesehen zumindest keine Unterschiede zu einem Unternehmensnetzwerk mit eigenem Serverraum. Und das spürt man dann eben vor allem beim Zugriff auf die Daten. Ich bin unabhängig vom Ort, ich bin unabhängig von festen Installationen und das ist wirklich in der Zusammenarbeit deutlich spürbar, weil man Dokumente auch ganz problemlos freigeben kann, was natürlich auch mit einem herkömmlichen Rechenzentrum funktionieren würde, aber hier muss man ein solches Rechenzentrum anpassen. Und die Cloud ist von vornherein dafür ausgelegt, dass man eben kollaboriert, wie das heißt, also Zusammenarbeit und dass man Dokumente freigibt, dass man flexibel ist und dass man auch überall, wo ein Rechner mit Browser zur Verfügung steht, darauf zugreifen kann.

    Kloiber: Eigentlich könnte man ja auch sagen, dass also solch ein Produkt für die Cloud einen Prozess unterstützt, der ja schon lange in vielen Rechenzentren im Gange ist, nämlich das Outsorcing vom Leistung – dass Firmen ihre Rechenzentren nicht mehr selbst betreiben, sondern betreiben lassen. Ist das denn ein realistisches Szenario, dass Unternehmen wegen dieser Software zum Beispiel ihr Rechenzentrum einsparen würden – ein Office-Paket ist ja auch nicht alles, was man braucht.

    Cheung: Ich halte das schon für realistisch, denn man darf "Office 365" nicht nur als Softwarepaket sehen, das einfach nur ins Internet verlegt wurde. Es ist vielmehr so, dass eine Gesamtlösung für Unternehmen angeboten wird, die auch noch in einem gewissen Rahmen durch die Wahl der Anwendungen an die Bedürfnisse angepasst werden kann. Und vielleicht ist das nicht unbedingt etwas für Großkonzerne. Die haben Geld, Leute, um ein eigenes Rechenzentrum zu betreiben. Und da gibt es auch sicherlich Unternehmenspolitische Gründe, die dagegen sprechen, das auszugliedern. Aber für mittelständische kleine Firmen, sogar Freiberufler könnte das wirklich ganz interessant werden. Denn sie sparen Investitionen in Technik, Fachleute und den Kauf von Software. Sie müssen sich nicht um die Pflege kümmern. Und sie könnten sich auch mit vergleichsweise geringem finanziellen Aufwand etwas leisten, was sonst nur große Firmen haben. Was vielleicht einen Paradigmenwechsel erfordert: dass man hier Daten aus der Hand geben muss, in ein externes Rechenzentrum und nicht mehr zu Hause unter einem eigenen Schreibtisch. Aber Microsoft versucht hier eine höchstmögliche Sicherheit zu versprechen im Bezug auf Datensicherung und auch gegen äußere Eingriffe, also gegen Hacker.

    Kloiber: Gibt es vergleichbare Angebote zu diesem Paket, und entwickelt sich da ein Markt mit Konkurrenz und Auswahl?

    Cheung: Also Microsoft kann hier seine Marktmacht eigentlich ausspielen. Eine echt Konkurrenz, eine gleichwertige Konkurrenz mit einem gleichen Angebot in Augenhöhe gibt es eigentlich nicht. Es gibt allenfalls Google Docs, was von den Funktionen her mit Office-Büroprogrammen vergleichbar ist - anders als "Office 356" kein Hybridmodell, sondern eine reine Online-Lösung. Aber in meinen Augen ist entscheidend, dass Microsoft hier mit einer Software, mit seiner eigenen Software quasi ein Unternehmensstandard, einen Industriestandard bildet, das heißt, die Verbreitungsrate und auch die Kompatibilität ist sehr groß. Und das kombiniert mit der Dienstleistung eines Rechenzentrums wie es jetzt bei "Office 365" ist, bringt Microsoft in eine Position, die wirklich nur sehr schwer angreifbar ist, insofern kann man nicht davon reden, dass hier wirklich vergleichbare Angebote vorhanden sind. Aber man soll niemals nie sagen. Die Regeln des Wettbewerbs sind hart. Und der Anfang vom Ende besteht bekanntermaßen darin, potenzielle Gegner zu unterschätzen und gerade, wir haben Google genannt, hätte die Macht und auch den langen Atem, um technisch etwas vergleichbares auf die Beine zu stellen. Aber im Moment sieht es nicht so aus, als ob wirklich in kurzer Zeit hier andere Anbieter mit einem ähnlichen Angebot, mit einer ähnlichen Breite hier auf den Markt kommen können, um Microsoft zu gefährden.