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"Ich fasse es auf als eine Aufforderung zum Mord"

Mit den persönlichen Angriffen im Song "Stress ohne Grund" des Rappers Bushido sei für ihn die Grenze der Kunstfreiheit überschritten, sagt Serkan Tören. Mit seiner Anzeige will der FDP-Politiker ein Zeichen setzen. Bushido habe eine Vorbildfunktion für Jugendliche, der er gerecht werden müsse.

Serkan Tören im Gespräch mit Dirk Müller |
    Dirk Müller: Er droht mit Mord, mit Tötung, er beleidigt prominente Politiker: der Rap-Musiker Bushido, zwischendurch brav gestriegelter Praktikant im Bundestag, macht jetzt wieder auf Gangster-Image, setzt in seinem Song "Stress ohne Grund" auf Tabubruch. Für Kenner der Branche ist jetzt schon klar: Zumindest seine kommerzielle Rechnung geht auf, mit Millionen Klicks im Internet beispielsweise. Die Empörung ist überall groß, sehr groß, quer durch die Politik, quer durch die Gesellschaft, quer durch die Musiklandschaft. Gezielte Beleidigung oder ausgeklügeltes Marketing, wie auch immer: Mit seinen jüngsten Ausfällen hat Bushido offenbar eine rote Linie überschritten. Schwulenfeindliche Ausfälle gegen Klaus Wowereit und eine offene Aufforderung zur Gewalt gegen Claudia Roth und gegen den FDP-Politiker Serkan Tören. Wie weit darf ein Musiker, ein Künstler oder wer auch immer rhetorisch gehen?

    "Ich will, dass Serkan Tören jetzt ins Gras beißt", singt Bushido. Serkan Tören, integrationspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, ist jetzt bei uns am Telefon. guten Morgen!

    Serkan Tören: Ja guten Morgen!

    Müller: Herr Tören, fühlen Sie sich bedroht?

    Tören: Ja, in einer gewissen Weise natürlich schon. Ich habe das Video auch so interpretiert, dass es aufruft zu einem Mord. Und wenn man dann auch noch die weiteren Zeilen anhört, da wird auch noch mit Folter gedroht, man wird dann beleidigt und dann fallen zwei Schüsse, also für mich ist das sehr, sehr konkret. Insofern: Ich fasse es auf als eine Aufforderung zum Mord. Ich persönlich habe jetzt nicht Angst oder so, dass da auch konkret was umgesetzt wird, aber man weiß es halt nicht. Es reicht ja schon einer, eine einzelne Person, die sich da von diesem Text irgendwie angesprochen fühlt und handelt, irgendein Verrückter, und wenn das dann auch umgesetzt wird. Insofern: Ich mache mir da Gedanken und fasse das auch wirklich als eine Bedrohung dann auch auf.

    Müller: Wir haben eben, Herr Tören, in dem Korrespondentenbericht von Frank Capellan auch Bushido selbst gehört. Er will nicht persönlich treffen, sagt er. Es war eine Art Erklärung oder Entschuldigung. Nehmen Sie die an?

    Tören: Ich habe jetzt die letzten Kommentierungen nicht unbedingt als eine Entschuldigung aufgefasst, aber mir geht es auch gar nicht um eine Entschuldigung, sondern mir geht es in erster Linie darum, dass das endlich aufhört, diese Agitation gegen Minderheiten, gegen Homosexuelle, gegen Andersdenkende. Das kann einfach nicht sein. Und jetzt auch mit einer menschenverachtenden Textierung eines Videos, auch das darf einfach nicht so weitergehen. Wenn man das durchlässt und das zur Normalität in der Gesellschaft wird, dann kann in Zukunft das doch jeder machen, sich als Rapper darstellen oder sich als, weiß ich nicht, Volksmusiker in ein Video reinstellen und dann Menschen beleidigen. Das darf nicht zur Normalität in der Gesellschaft werden und insofern: Ich möchte da gerne auch mit ein Zeichen setzen, dass ich jetzt auch rechtliche Schritte einleite. Insofern, denke ich, ist das der richtige Weg.

    Müller: Wir haben das gestern widersprüchlich gelesen und gehört. Sie haben also definitiv jetzt Strafanzeige gestellt?

    Tören: Ja genau. Es ist halt so: Ich bin im Ausland und ich weiß nicht, ob das jetzt schon angekommen ist. Ich habe es eigentlich per Fax geschickt, aber Strafanzeige ist gestellt.

    Müller: Sie sind ein Liberaler. Sind Sie auch für Zensur?

    Tören: Nein, natürlich nicht. Ich habe da auch ja abgewogen. Ich habe abgewogen zum einen Kunstfreiheit, dann aber auch, wie menschenverachtend ist das Video, sind da Grenzen überschritten, und für mich sind eindeutig in dem Video und dem Text Grenzen überschritten. Das darf einfach nicht zur Normalität werden. Insofern klare Abwägung und ich habe mich dafür entschieden, rechtliche Schritte einzuleiten. YouTube hat ja auch das Video beispielsweise rausgestellt, weil da gegen die Richtlinien verstoßen worden ist, weil das Video menschenverachtend ist und da ganz klar gegen die Richtlinien verstoßen worden ist, ein klares, gutes, positives Signal auch von YouTube.

    Müller: Sie haben sich, Herr Tören, ja schon länger mit diesem Fall beschäftigt. Sie sind auch schon länger in der Auseinandersetzung mit Bushido. Bushido hat dann gesagt, er wird von Ihnen häufig, regelmäßig als Antisemit bezeichnet. Warum gehen Sie so weit?

    Tören: Also zunächst einmal: Man muss sich das ja mal genauer angucken. Da wirbt Bushido für eine Karte, Palästina ohne Israel, und das heißt für mich, man will die Auslöschung Israels. Nichts anderes bedeutet das. Entschuldigung! Wenn ich da für eine Karte werbe, auch bei Twitter aktuell, wo Israel nicht abgebildet ist und man sich damit insgeheim wünscht, dass es Israel nicht mehr gibt, das kann nicht ein Signal sein für gerade auch junge Menschen, die aufmerksam …

    Müller: Aber da sagen Sie, Herr Tören, insgeheim wünscht. Sie können es aber nicht nachweisen und Sie wissen es nicht?

    Tören: Ja, natürlich will er das. Ich meine, sonst würde er ja diese Karte da nicht drin lassen, auch nachdem die Kritik da schon gekommen ist. Die ist ja schon mehrmals gekommen. Dann muss ich die Karte nicht unbedingt noch drin lassen und kann sagen, Entschuldigung, das ist falsch verstanden worden, oder ich weiß nicht was. Israel gibt es auf dieser Karte nicht und das passt einfach nicht in unsere Gesellschaft, es passt auch nicht in unsere Außenpolitik und sonst in all den ganzen Konsens unserer Gesellschaft, und insofern habe ich auch das ähnlich interpretiert wie Claudia Roth und habe gesagt, das hat schon einen antisemitischen Geschmack.

    Müller: Also ist das jetzt eine politische Interpretation Ihrerseits, inwieweit ist das Meinungsfreiheit, eine Karte zu publizieren, wo Israel nicht drauf ist?

    Tören: Wie gesagt, wenn er es macht, dann muss er auch mit Konsequenzen rechnen, dass es Kritik gibt, gerade als eine Person, die in der Öffentlichkeit steht, die Einfluss hat durch die Musik auf junge Menschen und gerade Menschen mit Migrationshintergrund. Mich haben unheimlich viele arabische Jugendliche angeschrieben mit bösen, bösen Inhalten, mit Beleidigungen und mit Schwulenfeindlichkeit, mit Antisemitismus und allem, was dazu gehört, junge Araber und auch viele Türken. Da muss doch irgendwie auch mal die Vorbildfunktion von Bushido in den Vordergrund rücken. Der muss doch mal ein bisschen aufpassen mit all den Sachen, die er tut und macht, und gerade das wird auch immer mehr zu einem Problem. Ich bin so oft schon bei jüdischen Gemeinden gewesen und habe über das Thema Antisemitismus gerade von jungen Menschen mit Migrationshintergrund gesprochen, ein neues Phänomen. Gerade Musik hat eine ganz bedeutende Wirkung. Ich bin im NSU-Untersuchungsausschuss und gerade Rockkonzerte auch von Rechten, Entschuldigung. Wir indizieren andauernd, wir verbieten Konzertveranstaltungen, wo rechte Musik gespielt wird. Und sollen wir jetzt dort auf der anderen Seite sagen, das lassen wir durchgehen, ja, da ist jemand mit Migrationshintergrund, der arme, Opfer der Gesellschaft, das lassen wir durchgehen, das ist alles Meinungsfreiheit, Kunstfreiheit. Für mich ist die Grenze überschritten, er hat eine Vorbildfunktion, und wenn in Zukunft alle Jugendlichen mit Migrationshintergrund den Antisemitismus hochhalten und sich als Opfer der Gesellschaft fühlen, oder was weiß ich, das darf es nicht sein.

    Müller: Herr Tören, vor nicht allzu langer Zeit hat dieser Hetzer, Volksverhetzer, wie Sie es jetzt sagen und beschreiben, ein Praktikum im Bundestag gemacht, im Anzug, in der Unions-Fraktion. Hat die FDP da einen Aufstand betrieben?

    Tören: Den Herrn von Stetten kenne ich sehr gut. Ich weiß es nicht, aber ich denke, er wusste da von den ganzen Einzelheiten nichts. Er hat mir jedenfalls persönlich auch gesagt, dass er da von den Einzelheiten nichts wusste.

    Müller: Herr von Stetten war über Bushido nicht informiert?

    Tören: Ja. Das ist das auch, was er mir sagt. Das Einzige, womit er ihn in Verbindung gebracht hat, war dieser Integrationspreis Bambi. Und ansonsten? Ihre Frage geht ja darauf, was hat die FDP gemacht. Wenn ein Kollege jetzt da jemand ein Praktikum machen lässt – man kann sich ja das denken, was ich mir dabei gedacht habe. Aber nun gut.

    Müller: Haben Sie das auch Hans-Peter Friedrich gesagt, dass Ihnen das etwas merkwürdig vorkommt, dass der Innenminister auf den Musiker, auf den Rapper zugeht, ihm kräftig die Hände schüttelt, lächelt und sagt, Vorzeigemusiker für Integrationsbereitschaft der Gesellschaft?

    Tören: Ja was sollen wir in so einer Situation machen? Ich meine, ich habe auch schon wahrscheinlich Hunderte Bilder mit Menschen, mit denen ich nicht gerne Bilder hätte. Das können Sie sich doch manchmal nicht aussuchen. Da nehme ich insofern auch Herrn Friedrich in Schutz.

    Müller: Also der Innenminister konnte sich das nicht aussuchen, ob er ihm die Hand gibt oder nicht?

    Tören: In der Situation? Ich würde das jetzt auch alles nicht zu hoch bewerten, wie gesagt. Manchmal ist es so: Dann wird einem jemand vorgestellt, man macht ein Foto, das kann sich Herr Friedrich dann auch manchmal nicht aussuchen, da muss ich ihn in Schutz nehmen. Und Herr Friedrich hat sich ja auch gerade geäußert. Er hat gesagt, der Mann ist einfach ein Fall für die Justiz. Auch nach diesen ganzen Fotos, auch nach April übrigens, als der "Stern"-Artikel erschien, hat sich Herr Friedrich auch geäußert. Das muss man ihm ja wohl abnehmen. Und insofern: Ich glaube, das kann jedem passieren, dass man ein Foto macht mit Menschen, mit denen man es eigentlich gar nicht machen möchte.

    Müller: Serkan Tören bei uns im Deutschlandfunk, integrationspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Tören: Auf Wiederhören!


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